LE BUTCHERETTES, THE PICTUREBOOKS, 01.10.2016, Keller Klub, Stuttgart
Nach dem Gig von Agent Fresco am Donnerstag dachte ich, dass ich so schnell kein Konzert ähnlicher Intensität erleben werde. Weit gefehlt. Schon zwei Tage später werde ich eines Besseren belehrt. Die mexikanischen Garage-Rocker Le Butcherettes sind im Keller Klub und im Vorprogramm haben sie The Picturebooks mitgebracht. Und beide Bands setzen Maßstäbe, was die Messkriterien „Wucht“ und „Wahnsinn“ angeht.
Das Warmup mit den jeweils aktuellen Alben der beiden Bands konnte mich jedenfalls nicht annähernd auf diese Urgewalt vorbereiten, die von beiden Kombos ausgeht. Hätte ich mich ein wenig mehr präpariert, wäre ich auch nicht so überrascht gewesen, dass der Frontmann der Picturebooks das Publikum auf deutsch anspricht. So uramerikanisch kommen die beiden Musiker und ihr Sound daher, dass ich sie niemals in Gütersloh(!) beheimatet hätte.
Was man unverfänglich als intensiven Bluesrock bezeichnen könnte, ist in Wirklichkeit ein brachiales Inferno, das auch der Soundtrack zu einem außer Kontrolle geratenen Tarantino sein könnte. Fynn Claus Grabke spielt eine ultraverzerrte Jack-White-Gitarre während Philipp Mirtschink bis zur kompletten Erschöpfung auf ein Schlagzeug eindrischt, das nur aus Bass, einer Snare und riesigen Toms besteht. Diese bearbeitet er mit den dicksten Klöppeln, die er finden konnte und erzeugt einen martialischen Donner, der irgendwo zwischen Galeere und Pow-Wow liegt.
Das Ganze ist auf ein Minimum reduziert, und wenn man es mit den früheren Alben vergleicht, als die Band noch als Trio auftrat, ein Riesengewinn und vor allem ein unverwechselbares Markenzeichen. Den Laden haben sie bereits beim zweiten Titel im Sack und selbst Stuttgarts Blues-Rock-Urgestein Dr. Jay wird später im frisch erworbenen Fan-T-Shirt gesichtet. Nach einer Dreiviertelstunde geht der Auftritt mit „Your Kisses Burn Like Fire“ zu Ende. Und eine Zugabe wäre ohnehin nicht mehr drin, Mirtschink hat eine seiner Trommeln – die während des Gigs zweimal von der Bühne fiel – nämlich kurz und klein gedroschen.
Da den Butcherettes der Ruf exaltierter Live-Shows vorauseilt, waren wir hier schon besser präpariert. Und um es gleich zu sagen: unsere hohen Erwartungen hat das Trio um die Sängerin Teri Gender Bender noch weit übertroffen. Mit ihrer Mischung aus Garage und Punkrock erfinden sie sicher nicht das Rad neu, wie sie dies aber zum Besten geben, das ist purer, roher, schmutziger Rock & Roll. Teri ist eine Rampensau par excellence und legt mit „Burn The Scab“ – das übrigens mit schön schrägen Keyboard-Sounds versehen ist – sofort mit Vollgas los.
Es ist nicht nur ihr durchgeknallter Gesangsvortrag, vor allem ihre schräge Tanzperformance drückt dem Gig seinen Stempel auf. Ich würde wetten, dass sie eine Tanz- oder Ballettausbildung hat. Besonders Zuschauer in den ersten Reihen bekommen die ganze Intensität der Sängerin zu spüren. Immer wieder sucht sie sich einen aus und starrt diesen derart heftig an, dass ihm ganz schwummerig wird. Und sobald sie eine Kamera erblickt, ist diese ihr Opfer.
Die erste Hälfte des Gigs spielt sie noch im olivgrünen Jumpsuit, diesen reißt sie sich aber mitten im Auftritt vom Leib und zum Vorschein kommt ein knallrotes Tüllkleidchen. Komplettiert wird die Band durch den eher im Hintergrund agierenden Bassisten Riko Rodríguez-López und die wunderbar unprätentiös und präzis trommelnde Alejandra Luna Robles, die selbst im größten Chaos die Ruhe bewart.
Sechszehn Titel umfasst ihr Set seht und es ist schwierig einzelne hervorzuheben. Wie ein tropischer Wirbelsturm im Golf von Mexiko zieht der Gig über uns hinweg und nach einer knappen Stunde und einem grandiosen „Henry Don’t Got Love“ spuckt er uns wieder aus: zerzaust und aufgewühlt, aber auch glücklich über ein Konzerterlebnis der Extraklasse. Nur konsequent, nach diesem runden Set keine Zugabe zu spielen.
Ist Riko der Bruder von Omar? Ein bisschen Ähnlichkeit hätten sie ja tatsächlich. Abgesehen von der Frisur… :-D