WANDA, 6.12.2015, LKA, Stuttgart
Sag nicht alles so kompliziert
Weil ich versteh das garantiert nicht
Spätestens im Sommer schlug er um. Der Wanda-Hype wurde zum Wanda-Hass. Interessante Entwicklung. Wurde davor noch die Rückkehr des subversiven Wienertums auf den Popbühnen gefeiert und der Schmäh goutiert, mehrten sich bald die Stimmen, die das alles billig, anbiedernd, berechnend, banal oder einfach nur unglaublich beschissen fanden. Der Höhepunkt dessen bildete der launige Text „Eine Fischvergiftung namens Wanda“ von Wolfgang Zechner, Rolling Stone, der zum neuen Album „Bussi“ wie folgt untertitelt: „Bussi ist ein neuer Meilenstein in Sachen Anti-Qualität. Der absolute Nullpunkt. Ideal für Menschen, die sich überhaupt nicht für Musik interessieren. Ein Beitrag zur hiesigen Wanda-Euphorie.“
Über 7000 Likes. Kontrovers in den Kommentaren diskutiert. Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen, eine Tirade an sich selbst übertreffenden Negativismen produzieren und tausende von Likes einsacken, die ich dann in Bussis eintauschen kann.
Die ausgetrunkene Wodkaflasche in der Hand, wankt Wanda-Sänger Michael Marco Fitzthum und seine Wandalen (einmal darf ich den Kalauer machen) auf die Bühne und
Tu mir weh, Luzia
tun dem restlos ausverkauften, brechend vollem LKA weh gut.
Wohin schickt´s mir die Post?
ruft er, und wie im Fußballstadion antwortet´s
INS SPITAL
Hey, die fünf Österreicher haben gerade mal einen Song gespielt und der Graben zum Publikum ist schon zugeschüttet, war nie da. Marco gockelt betrunken zum Gitarrensolo, küsst Bassist Reinhold, lacht, schwitzt, schüttelt ungläubig den Kopf, wirft Wasserflaschen in die Menge, lässt sich fallen und den Saal „Meine Beiden Schwestern“ singen. Der Refrain wird immer und immer wiederholt. Aus der dünnen 2min48-Album-Version wird so ein episches Fest.
„Unser nächstes Album wird nicht so brillant wie das erste, aber es wird sich noch besser verkaufen.“, sagte Marco auf dem Mai-Konzert in der Manufaktur. Holger schrieb dazu: „Gewollt oder nicht, Marcos Satz ist der Schlüsselmoment des Konzerts. Hier steckt alles drin. Die lapidare Erkenntnis, dass man die Erwartungen, die der Hype geweckt hat, nicht wird erfüllen können. Der Live-Vortrag mag eventuell brillant sein, das Album ist es sicher nicht.“ Und Jens fragte provokant, ob die nur über die Power kämen.
Die Songs vom damals angekündigten Album „Bussi“ klingen so, als hätten sie es auf das erste Album „Amore“ nicht geschafft: musikalisch ausbaufähig und in der Summe schlechter. Aber: Wanda hatte einen ganzen Festival-Sommer Zeit zum Üben. Das Konzert im Mai war getragen vom Hype, Druck und latenter Nervosität. Heute Abend spielen sie nicht langsamer, aber gelassener, reifer, selbstbewusster, zielgerichteter. Wanda schaffen es, trotz des mittelmäßigen zweiten Albums und einem enormen Erwartungsdruck, aber mit der Saisonerfahrung im Rücken, eine Show zu zaubern, die meine Erwartungen bei weitem überbieten. Es macht einfach einen Riesenspaß! Und da kommen wir zu den eingangs zitierten Zeilen aus „Wenn Ich Zwanzig Bin“:
Denk nicht alles so kompliziert
Weil ich versteh, dass das nix wird
Und: Keiner schaut sich raus
Wanda machen’s einfach, aber das machen sie einfach gut. Wahre Platitüde. Power und Hype hin oder her. Wenn es Wanda gelingen sollte, beim dritten Album musikalisch einen Tick zuzulegen, dann bleibt die Band viel länger, als die Fischvergifter gedacht haben. Vielleicht sollten die Wiener beim Stuttgarter It-Produzenten Ralv Milberg („Die Nerven“) anfragen, das gäbe doch eine spannende Kombi.
Natürlich schließt das Set mit „Bologna“ und Tante Ceccarelli. Anstatt dem Zugabengejaule singen alle „Meine Beiden Schwestern“. So was habe ich auch noch nicht erlebt. Die Band freut es sichtlich. Bevor es weitergeht, darf Fan Ingo noch seiner Jasmin auf der Bühne einen Heiratsantrag machen und alle nassgeschwitzten Musiker umarmen. Die Band spielt einen Tusch. Distanz muss heute draußenbleiben. Romantik, Bierzelt, Karneval, Jungschar-Freizeit, Rock’n’Roll, Freude, Spaß, Herzlichkeit, Wiener Charme/Schmäh/Schmiere und Amore – an diesem Abend ist alles dabei. Zum Abschluss tut Luzia noch einmal weh. Und trotzdem komme ich wieder. Aus tiefstem Herzen.
Set List:
Luzia
Schickt mir die Post
Bleib wo du warst
Bussi Baby
Mona Lisa der Lobau
Meine beiden Schwestern
Stehengelassene Weinflaschen
Das wär schön
Auseinandergehen ist schwer
Gib mir Alles
Ich will Schnaps
Bologna
Encore:
Hard Day’s Night (The Beatles cover)
Wenn ich zwanzig bin
1,2,3,4
Luzia
Sweet !
Klasse Text! Schade, dass ich nicht da war.