ZOOT WOMAN, 30.01.2015, clubCANN, Stuttgart
Zwei Umstände wurden im Vorfeld dieses Konzerts besprochen und diskutiert: Der eine war, dass es im clubCANN in Bad Cannstatt stattfand. Wogegen sicher nichts einzuwenden ist, die Location gehört zwar zu einem Jugendhaus, ist aber für kleinere Bands ideal. Ups, genau, kleinere Bands.
Zoot Woman, die 2001 auf ihrem grandiosen Debutalbum „Living In A Magazine“ mit ihrer von Synthesizern und Beats unterlegten Gitarrenmusik sehr viel von dem Sound vorwegnahmen, der heute in einschlägigen Radiosendern, Clubs und auf Festivals dominiert, und dabei verwirrten, weil im selben Jahr doch The Strokes mit ihrem hippen, aber rohen Sound den Trend setzten. Ist das eine kleine Band? Müsste die nicht eher in der Porsche Arena, oder wenigstens im LKA oder zumindest Uni spielen?
Der andere Umstand: Auf Facebook ausgiebig dokumentiert hatten Zoot Woman bei der Weihnachtsfeier einer Stuttgarter Werbeagentur gespielt. Uff. Ganz schön viele Klischees auf einmal. Eine hippe Agentur, die sich mit genügend Geld Glamour in die festlich geschmückten Hallen kauft? Oder eine ehemals erfolgreiche Popband, die leicht verzweifelt jeden Gig annimmt?
Beides ja total egal, eigentlich. Aber so ganz unvoreingenommen geht man halt dann doch nicht zu so einem Konzert.
Ich hatte Zoot Woman aus den Augen verloren, nachdem ich das Debutalbum hoch und runter gehört hatte. Mit ihrem neuen Werk „Star Climbing“ im letzten Jahr haben sie mich dann wieder gekriegt. Dazwischen lagen noch zwei andere Alben und unter anderem ein Konzert in den Wagenhallen, das laut eines Bekannten, den ich im clubCANN traf, mit voller Bandbesetzung und Jasmin O’Meara am Bass überwältigend gewesen sein muss.
Während des Gesprächs fängt die nicht angekündigte Vorband an, und da gibt es gleich mal eine positive Überraschung. Die erste Ansage verpasst, bin ich mir sicher, dass die Band aus New York oder Seattle kommt. Oder zumindest aus London. Sie heißt Le Very und kommt aus Berlin, aber das macht auch nix. Schlagzeug, Gitarre, Synthesizer und zwei Tänzerinnen, viel Synthies, viele Dreiecke, Neonröhren, Bomberjacken und Spaß, also ja doch schon viel Berlin. Aber auch fantastisch, der Sänger hört sich etwas an wie Chris Martin, im positiven Sinn, fast jeder Song ist ein potentieller Hit. Entsprechend frenetisch für eine völlig unbekannte Vorband sind dann auch die Publikumsreaktionen im mit vielleicht 300 bis 400 Menschen vollbesetzten Raum.
Vielleicht liegt es an all diesen Umständen, Vorgeschichten und der Vorband, dass ich von Zoot Woman mehr erwarte, als ich dann bekomme. Sie stehen nämlich zu zweit auf der Bühne, ohne Band. Das macht ja nix. Ich erinnere mich an einen prägenden Auftritt der Eurythmics bei Rock im Park vor 15 Jahren, da standen sie auch nur zu zweit auf der Bühne. Annie Lennox’ glasklarer Gesang, Dave Stewart mit Bass und irgendwo aus dem Hintergrund wummerte eine Bassdrum.
Der Sänger Johnny Blake hat auch eine Gitarre dabei, aber die ist mehr Rockstar-Attitüde als Instrument. Selbst mir als Saiteninstrumenten-Laie fällt auf, dass sich der Sound nicht merklich ändert, egal ob er irgendwie an dem Ding zupft oder nicht. Sein Bruder Adam Blake bezieht die Rockstar-Attitüde von einer Sonnenbrille, die man als Band auf der Bühne 2015 vielleicht noch tragen kann, wenn man Keith Richards heißt. Aber nicht wenn man ein Jahr nach mir geboren ist, wie mir ein Blick auf Wikipedia verrät.
Adam Blake hat ein kleines Arsenal Synthesizer um sich rum aufgebaut mit zwei bis drei Schlagzeugbecken (heißt das so?), aber – und ich weiß nicht, ob nur mir das auffällt – so sehr er auch drückt, dreht und schraubt, er startet halt einfach die Musik aus der Konserve und das war’s.
Man merkt schon, ich war nicht übermäßig begeistert. Seltsamerweise im Gegensatz zum Rest des Publikums. Das ist sichtlich begeistert, wie in einem gut aufgebauten DJ-Set werden die Songs von Zoot Woman immer elektronischer – von „It’s Automatic“ in der rhythmisch eher trägen Originalfassung über das schon von Natur aus recht tanzbare „Don’t Tear Yourself Apart“ bis zum als Trancestück verwandelte „Living In A Magazine“.
Nicht falsch verstehen, schlecht ist das alles nicht. Die Stimme von Johnny Blake ist unverwechselbar, alles ist sauber abgestimmt, der Sound füllt den Raum komplett aus, die Leute tanzen, einer mit freiem Oberkörper wird von den Security-Mitarbeitern wiederholt davon abgehalten, sich im Crowdsurfing zu versuchen – aber trotzdem ist es für mich nicht viel mehr als eben ein gutes DJ-Set. Oder, mit weniger gutem Willen, einfach eine Halbplayback-Show.
Zoot Woman, Whitest boy alive, Metronomy, XX… alle schön auf Platte und live nicht mehr als nett.
Schlimmer ist nur DJ Koze, der sollte eigentlich nie mehr auflegen. Als Produzent ganz ok.