LOUIS BARABBAS & THE BEDLAM SIX, 11.04.2013, Laboratorium, Stuttgart
The great thing about being in an odd-looking, odd-sounding, relatively unmarketable band is that one tends to get booked at places with a lot of character.
Nach dieser Regel muss eine Band wie Louis Barabbas & the Bedlam Six, die so konsequent zwischen den Stühlen sitzt, aber mit großartigen Live-Qualitäten punkten kann, in Stuttgart fast zwangsläufig im Laboratorium landen. Und das ist gut so. Mag eine Band auch noch so obskur und abseits des Mainstreams sein, in diesem Traditionsladen findet sie garantiert ein Mindestpublikum. Eines, das immer die gebotene Aufmerksamkeit und meist auch Begeisterung mitbringt. Leider haben sich an diesem Abend nur etwa vierzig Zuschauer eingefunden. Die haben zwar einen kolossalen Spaß, aber ein echter Exzess wird es nicht.
Dabei hätte die Musik das Zeug dazu. „Take music very seriously, but don’t take yourself too seriously“. Unter diesem Motto produzieren Louis Barabbas & the Bedlam Six ein wahrlich gewagtes Gebräu aus Rock’n’Roll, Blues, Swing, Folk, Jazz, Burleske, Walzer, Cabaret und was weiß ich noch. Oder auch: „Old School Operatic Post Punk“. Vergleiche mit Tom Waits, den Tindersticks oder auch Nick Cave wurden schon bemüht, zielen aber alle ein gutes Stück daneben. Gegenüber den Studio-Alben ist der Livevortrag heftig. Das ist laut, manchmal wüst, mit einigen leisen Stellen, die aber sofort wieder von einem tumultartigen Krach verschluckt werden. Die Band besteht aus einem Haufen kauziger Typen, allesamt brillante Musiker. Besonders markant: das exaltierte Posaunenspiel von Biff Roxby. (In ihrem Promo-Video werden sie übrigens einzeln vorgestellt. Sehr sehenswert.)
Was Louis Barabbas vollführt, ist mit einem Gesangsvortrag nur unzureichend beschrieben. Er ist ein Entertainer, ein Clown, ein Schauspieler, spezialisiert auf die Darstellung von Verrückten und Bösewichten. Mit rollenden Augen gibt er das Rumpelstilzchen, durchmisst die gesamte Bühne – oder auch den ganzen Saal – mal im Monty-Python-Stechschritt, dann mit wilden Kobold-Sprüngen. Die Gitarre dabei im Anschlag wie ein Schießeisen. Mit seiner übertriebenen Mimik wirkt er ein wenig wie ein Schauspieler aus einem Stummmfilm. (Im Infoblatt für Veranstalter wird explizit darauf hingewiesen, dass er trotz der äußeren Erscheinung eigentlich „lammfromm“ sei.)
In seinem Tourtagebuch, aus dem das Eingangszitat stammt, schreibt Barabbas übrigens auch, dass sich ihre Konzerte grob in zwei Kategorien einteilen lassen: entweder liefern sie „den Soundtrack für einen zweifelhaften Abends voller Verführung, Rausch und Durcheinander“ oder sie produzieren „einen leicht anachronistischen Liederabend für ein zuhörendes (aber nicht unbedingt verstehendes) Publikum“. Er sortiert den Stuttgarter Gig eindeutig in die zweite Kategorie ein. Zu Recht. Überhaupt: Barabbas schreibt in seinen diversen Blogs viel lesenswertes über Musik. Unter anderem auch Konzertberichte, also quasi ein Blogger-Kollege.
Rätselhaft, dass es, angesichts der Energie, die von der Bühne kommt, nicht alle von den Stühlen reißt. (Haben wir im Lab ja auch schon erlebt, dass das Mobiliar von der tanzwilligen Menge herausgetragen wurde.) Aber heute ist es einfach zu dünn besucht. Die Band stört’s nicht. Sie spielt zwei ausgiebige Sets plus zwei Zugaben und verausgabt sich komplett. Als sich Barabbas in all der Hektik ein Glas Whisky ins Auge gießt, kippt er gleich noch eine Flasche Wasser hinterher. „Apologies ladies and gentlemen, you will no doubt have noticed I have a drinking problem…“.
Bei „Tell-Tale Hound“ hechelt und bellt Barabbas wie ein tollwütiger Köter, springt von der Bühne, rennt durch’s Publikum, packt sich den im Weg stehenden Gig-Blogger und schüttelt ihn mal kräftig. Eine wahrhaft körperliche Erfahrung, dieser Gig. Man kann nur wünschen, dass diese Band möglichst bald wieder den Weg nach Stuttgart findet. Dann vor einem richtig großen Publikum in Partylaune, am besten als einer der Headliner auf dem Lab-Festival. Und dann – siehe oben – gibt es einen Gig der ersten Kategorie.
yeah, ein konzert der erwähnten ersten kategorie wär was. in innsbruck war’s scheins so: „It was a monster of a show. I hardly need say that being faced with four hundred drunk Austrians shouting “Mother, why did you raise me this way?” at the top of their lungs is quite a surreal experience.“
1a recherchierter artikel, holger!