POP.NOTPOP CLUB FESTIVAL, 13.11.2010, Schocken, Stuttgart

FM Belfast

Foto: gig-blog

POP.NOT POP ist der Name des Festivals das am Samstag zum ersten Mal in Stuttgart stattgefunden hat. Das Konzept: ein durchaus erschwingliches Ticket für zwölf Bands und fünf Clubevents in Schocken, Beat!Club, Keller Klub, Zwölfzehn und Bix. Fast wie ein Mini-Iceland Airwaves. Ideal um neue Bands kennenzulernen, von denen die meisten eher (noch) Insider-Tipps sind.

Der wohl bekannteste Act des POP.NOT POP sind die Isländer FM Belfast, in die ich mich während des Iceland Airwaves-Festivals, beziehungsweise eigentlich erst danach, verliebt habe. Bis dahin kannte ich nichts von dieser eigenwilligen Band. Ich hatte nur mal den irgendwie auffälligen Bandnamen beim Southside-Festival gelesen. Als wir uns dann aber von Reykjavik aus in den wunderschön einsamen Norden Islands aufgemacht haben, ist „How to make friends“ von FM Belfast im Autoradio gelandet.

Einer meiner Miturlauber hatte das Album im wunderschönen Plattenladen 12 Tónar entdeckt. Vor allem „Underwear“ hatte es mir extrem angetan, aber auch Songs wie „Synthia“ und „Tropical“ gefielen uns so gut, dass das Album etwa fünf Mal am Tag durchlief und den Soundtrack unseres Urlaubs lieferte. FM Belfast wird mich eben auch immer an die Fahrt durch schroffe Küstenregionen, kleine Fischerorte und verschneite Bergpässe in Island erinnern. „We come from a place where we count the days“ passt zur wunderschönen einsamen Landschaft dort einfach wie Arsch auf Eimer.

Am Samstag stehen wir also auf der Empore des Schockens und warten gespannt auf die schrulligen Insulaner. Einen herben Nackenschlag mussten wir bereits hinnehmen. Einige meiner Freunde haben keine Tickets mehr bekommen und mussten mehr als nur leicht sauer den vorzeitigen Heimweg antreten. Aber immer noch besser als mit POP.NOT POP-Bändel am Handgelenk draußen vor dem Schocken zu stehen und nicht mehr reinzukommen. Der Club ist proppenvoll und wird von den Türstehern abgeriegelt. Kann passieren bei so einem Festival, das war in Island nicht anders. Schade ist es natürlich trotzdem, denn die vor der Tür verpassen eine Gute-Laune-Granate, oder besser noch: eine Gute-Laune-Atombombe! Was FM Belfast hier abliefern wird, ist absolute Entertainment-Weltklasse.

FM Belfast

Foto: gig-blog

Schon beim Opener „I can feel love“ entwickelt sich eine unglaubliche Stimmung. Ich vermute mal, dass viele die Band zum ersten Mal hören. Aber was Árni Rúnar Hlöðversson, Árni Vilhjálmsson, Lóa Hlín Hjálmtýsdóttir und ihre Band-Kollegen hier in liebenswert seltsamen Bühnenoutfits abliefern, geht an keinem spurlos vorüber. Das Schocken kocht innerhalb von wenigen Minuten und die Menge unter mir tobt wie bescheuert. Während drinnen die Party so richtig losgeht, schaut man von draußen neidisch rein. Immerhin gibt es eine Premiere im Schocken (zumindest soweit ich weiß): die Türsteher ziehen den Vorhang soweit wie möglich auf, damit wenigstens ein bisschen Stimmung nach draußen dringt. Drinnen skandieren FM Belfast mittlerweile „I don’t want to go to Sleep Iceland“ (wenn ich das richtig verstanden habe) und präsentieren eine neue Electropop-Partyperle. Ich sehe nur noch strahlende Gesichter, hüpfende Menschen und gen Clubdecke gereckte Hände. „Saunadisco“ nennen FM Belfast das. Keiner kümmert sich drum, dass es mittlerweile gefühlte 50 Grad hat, der Schweiß nur so in Strömen läuft und die Scheiben beschlagen. Unter mir spritzt Bier durch die Gegend und ein weiblicher Fan lässt sich mit grenzenlos verzücktem Lächeln über die wild hüpfende Menge tragen. „Abartig geil“ fährt es mir immer wieder durchs Hirn.

FM Belfast haben sichtlich Spaß und den geben sie weiter. Genau wie auf der Bühne tanzen auch davor alle wild herum, selbst auf den Plätzen, von denen sonst eher ruhig und gelassen beobachtet wird. „Es ist nass und es ist heiß“ stellen die Isländer in fast perfektem Deutsch fest, um wenige Sekunden später den Fans den Mittelfinger zu zeigen. Denn es folgt das Rage Against the Machine-Cover „Killing in the Name“, von den Isländern „Lotus“ getauft. Und ich muss schon sagen: Ich habe noch nie jemanden so charmant „Motherfucker“ sagen oder singen hören wie Lóa Hlín Hjálmtýsdóttir. Überhaupt covern FM Belfast sehr gern. Egal was reingeht: ob Snaps „Pump up the jam“ oder Guns N’Roses‘ “Welcome to the Jungle”, raus kommt ein Electropop-Schmankerl vom Feinsten.

Und dann ist es soweit, mein persönliches Highlight und vielleicht der Partyhöhepunkt schlechthin: „Underwear“ live! Der Mob tobt und FM Belfast lassen die Hosen runter. Zum Song passend in Unterwäsche (ausgenommen das einzige weibliche Bandmitglied) albern die Isländer über die Bühne, müssen selbst lachen, springen durcheinander und rocken was das Zeug hält. Das sorgt mitunter für verdutzte, aber auch amüsierte Gesichter bei draußen vorbeilaufenden Passanten. Wieder lassen sich begeisterte Fans über die Menge tragen. Wir grölen mit so laut wir nur können und schauen uns immer wieder ungläubig an. Und dann, gefühlte drei Stunden zu früh, ist eines der besten Konzerte überhaupt zu Ende. Passend sinnfrei sind Mo-Dos Worte „1, 2, Polizei, 3, 4, Grenadier, 5, 6, alte Gags, 7, 8, gute Nacht“ die letzten Worte von FM Belfast.

Beim Rausgehen sehe ich ausnahmslos strahlende Gesichter und höre überall positive Superlative. Wir werden noch am nächsten Tag das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommen, beim Gedanken an dieses dicke Ding. Ich bin mir sicher, dass FM Belfast viele neue Fans für sich gewinnen konnte. Und eines ist klar: sollten sie wieder mal nach Deutschland kommen, werde ich notfalls weite Wege gehen, um sie wieder live zu sehen.

Foto: Carsten Weirich

Weit unbekannter hingegen ist sicherlich Kristoffer Ragnstam, der beim POP.NOT POP den Anfang im Keller Klub gemacht hat. Kurz vor Beginn befürchten wir schon, dass der Schwede vor leerem Haus spielen muss. Nach und nach füllt sich der Keller Klub dann aber doch mit gut gelaunten Festivalgängern. Die sympathische Drei-Mann-Combo braucht nicht lange, um das Publikum mit seiner Mischung aus Rock’n’Roll, Soul und Indie für sich zu gewinnen. Ja gut, eine ausgewachsene Party würde ich das nicht gerade nennen. Ist aber eben auch schwer, da ich mal davon ausgehe, dass ihn die wenigsten kennen werden. Mich eingeschlossen. Mir jedenfalls gefällt schon der rockig-groovige Opener „I love you even more“.

Foto: Carsten Weirich

Außergewöhnlich ist, dass Sänger und Multiinstrumentalist Kristoffer Ragnstam die meiste Zeit an den Drums sitzt. Wenn er sich hin und wieder auch mal die Gitarre umhängt, übernimmt der Keyboarder nebenbei noch das Schlagzeug. Ragnstam besingt die Schwierigkeiten des Lebens und die Liebe und hat sichtlich Spaß dabei. Immer wieder lachen die Drei sich gegenseitig an, als sie sehen, dass auch das Publikum immer mehr in Wallung kommt. Es wird recht ordentlich mitgetanzt und auch der durchaus stattliche Applaus zeigt, dass der sympathische Schwede gut ankommt. Ragnstam überzeugt mit ruhigeren Songs, kann aber auch flott, wie beispielsweise mit „Who set the city on fire“. Und wenn die Drei in ihrer Musik so richtig aufgehen, sind sie sich auch nicht zu schade, geistig abwesend, ja fast schon leicht debil, dreinzuschauen – mit offenem Mund und geschlossenen Augen. Find ich persönlich ja toll, weil es einfach zeigt, dass ein Musiker voll bei der Sache ist.

Nach etwa 45 Minuten ist der Auftritt der Schweden dann zu Ende. Ein würdiger Auftakt würde ich sagen.

3 Gedanken zu „POP.NOTPOP CLUB FESTIVAL, 13.11.2010, Schocken, Stuttgart

  • 14. November 2010 um 22:28 Uhr
    Permalink

    Auch ein denkwürdiger Satz von FM Belfast: „Remember, life is not always like this!“ Also mitnehmen in den grauen Alltag.
    Lob auch an die Schockenmitarbeiter- war sicher nicht einfach, die Massen irgendwie wenigstens scheinbar unter Kontrolle zu halten.
    Und die Toilettenfotoausstellungen waren auch eine fantastische Idee.

  • 15. November 2010 um 21:48 Uhr
    Permalink

    …auch wenn Schmoudis Fotos da gefehlt haben.

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