JOY DENALANE, 29.04.2017, Im Wizemann, Stuttgart
Ich erinnere mich an einen großartigen Auftritt von Joy Denalane vor vielen Jahren, als sie nur von einem Gitarristen begleitet wurde und so richtig rausgehauen hat. Mehr braucht es bei ihr eigentlich nicht. Im Gegenteil.
Mit den ersten Songs des heutigen Abends hat sie mich trotz der vielen eingesetzten Instrumente gleich in ihrem Bann. „Hologramm“ beispielsweise ist total stark – zum Glück verzichtet sie auf die Effekte, die bei der Studioaufnahme auf die Stimme gelegt wurden. Sie ist voller Energie, grinst übers ganze wunderschöne Gesicht. Ihre Stimme ist kraftvoll und fließt, man könnte neidisch werden!
Dann passiert’s. Die folgenden Stücke sind total überinstrumentiert und wabern als Klangmasse durch den Saal und sind teils auch arg la la für meinen Geschmack. Da fehlt mir das Schräge, Gegenrhythmische, das ich an Songs wie „Heaven or Hell“ so schätze. Mein Gig-Blog-Kollege meint nur: „König der Löwen“ (er hat Kinder und kennt das).
Das restliche Publikum scheint es nicht zu stören, sie quatschen eh oder singen lauthals mit und kreischen und jubeln nach jedem Song. „Im Ghetto von Soweto“ reißt es kurz wieder raus, dann muss ich mich aber bis zum letzten Song vor der Zugabe gedulden, bis ich mich wieder freuen kann – jetzt ist nur noch der Gitarrist auf der Bühne. Und man hört Joy Denalane jetzt endlich wieder mal im Vordergrund.
Sie gibt als Zugabe fünf Stücke zum Besten und da die Instrumentierung jetzt etwas differenzierter ist, kommen „Sag’s mir“, „Heaven or Hell“ und „Geh jetzt“ super und ich wünsche mir, dass sie genau jetzt den Abend beendet, damit ich mit einem guten Gefühl hier rausgehen kann. Aber leider schließt sie mit „Elli Lou“ ab und ich denke nur „Boney M.“ und Fotograf Micha „Pur“.
Das war heute leider nicht mein Gig des Jahres, aber das Publikum hat Joy Denalane gefeiert – und das auf alle Fälle zu Recht. An ihrer Stimme, Performance und Leidenschaft besteht kein Zweifel.