TINARIWEN, 03.08.2017, Manufaktur, Schorndorf

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

Sommerferien, Reisezeit, drückende Schwüle – alles keine günstigen Faktoren für einen Gig in der Manufaktur. Zumal mit der Tuareg-Band Tinariwen nicht gerade leichte Kost auf dem Plan steht. Wir stellen uns also auf ein schwach besuchtes Konzert ein und werden überrascht: die Manu ist sehr gut gefüllt, der Veranstalter strahlt und öffnet sogar die Empore. Als Punkt neun die siebenköpfige Band aus Mali die Bühne betritt, sind nicht nur die zahlreich anwesenden Fotografen hell entzückt: Die prächtigen Gewänder der Musiker glitzern im Scheinwerferlicht, die meisten von Ihnen tragen sogar den turbanähnlichen Tagelmust, der bis auf die Augen Kopf und Gesicht verhüllt. Schon allein optisch ein wirklich beeindruckender Auftritt.

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

Bereits der erste Titel „Kel Tamashek“ entfaltet den größten Teil des musikalischen Spektrums, das die Zuschauer durch den Abend begleiten wird: Mehrstimmiger Gesang, polyrhythmische Percussions, treibender Bass. Schon nach wenigen Takten kommt Bewegung ins Publikum. Kaum einer, der still stehen kann zu dieser einerseits fremdartigen, gleichzeitig aber auch einnehmenden Musik. Die Musiker genießen jedenfalls den freundlichen Empfang und trotz ihres ehrfurchts­gebietenden Auftritts nehmen sie gestisch schnell Kontakt zum Publikum auf. Ungeachtet der tropischen Temperaturen im Saal animieren sie zum Tanz.

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

Verglichen mit ihren Landsleuten Tamikrest, die wir erst kürzlich gesehen haben, geben sich Tinariwen, die in wechselnder Besetzung bereits seit 1979 bestehen, nicht nur optisch, sondern auch musikalisch traditioneller. Sofern man beim Einsatz von E-Gitarren – die übrigens wunderbar mit den Gewändern kontrastieren – überhaupt von Tradition sprechen darf. Was rhythmisch und melodisch von der Bühne kommt, ist anspruchsvoll, manchmal sogar ein wenig vertrackt, aber letztlich doch aus einem eng umrissenen musikalischen Segment. Da machen es Tamikrest dem rock-geeichten Ohr doch etwas leichter. Sie erlauben sich neben klassischen Blues-Harmonien auch durchaus mal einen Reggae-Offbeat.

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

Beiden gemeinsam ist aber der fein aufgebaute Spannungsbogen. Mit zunehmender Konzertdauer werden die Titel immer intensiver. Gerne schleichen sie sich an – scheinbar ganz zufällig aus dem Intrumenten-Stimmen heraus entspinnt sich eine Melodie, die unendlich mäandernd eine geradezu psychedelische Magie entwickelt und einen in die schräg-experimentellen Siebziger entführt. Wenn das ganze dann auf einem breiten Teppich von drei Gitarren und komplexen Rhythmen der beiden Percussionisten seine ganze Wucht entfaltet, dann kann man da auch gerne Krautrock, Spacerock oder Postrock als musikalische Nachbarbezirke ausmachen.

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

Mehr als einmal erwischen wir uns aber auch bei dem Verdacht, dass der gerade dargebotene Titel bereits zum zweiten Mal gespielt wird. Der Blick auf die Setlist beweist zwar das Gegenteil, aber dennoch kann man sich des Eindrucks einer gewissen musikalischen Einförmigkeit nicht erwehren. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil: das Publikum bejubelt den Gig frenetisch und als der Frontmann in der Zugabe den den Titel „Sastanàqqàm“ vom aktuellen Album „Elwan“ solo an der Akustik-Gitarre anstimmt, ist der Höhepunkt des Abends erreicht.

Tinariwen

Foto: Steffen Schmid

2 Gedanken zu „TINARIWEN, 03.08.2017, Manufaktur, Schorndorf

  • 9. August 2017 um 21:31 Uhr
    Permalink

    Danke für den informativen Konzertbericht. Läßt sich noch sagen welches die drei Titel aus dem Zugabenteil waren?

  • 28. August 2017 um 09:22 Uhr
    Permalink

    Hallo R.-W.D., eventuell können wir mit der Setlist weiterhelfen? (Auch wenn dort nur zwei Zugaben gelistet sind)

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