TAMIKREST, 24.07.2017, Edenless Bar, Leinfelden
Immer hungrig darauf, die ausgetretenen Pfade der eigenen Hörgewohnheiten zu verlassen und neues zu entdecken, folgen wir Gig-Blog Kollege Holger, der eine Einladung in die Edenless Bar hat. Dort spielt heute die Tuareg-Band Tamikrest. „One of the best blues bands to come out of the Sahara“ heißt es auf ihrer Homepage. Der traditionelle Tuareg-Blues vermischt sich mit westlichen Klängen. Gegründet hat die sich die Band in Kidal, kulturelles Zentrum der Tuaregs, dass im südwestlichen Teil der Sahara liegt.
Wir werden herzlich begrüßt von Gastgeberin Claudia, im Garten brennt das Feuer, über dem die Musiker der Band Tamikrest ihren anregenden Tee aus ihrer Heimat zubereiten. Bevor es auf ihrer aktuellen Tour weiter nach Warschau geht, wird bei Glitterhouse Labelchef Peter Weber in der Nähe von Stuttgart Rast gemacht.
Der Weg führt uns in den (Hobby-)Keller. Hier gibt es keine Werkbank und Werkzeuge, sondern eine Bar und eine kleine Bühne, an den Wänden hängen Musikinstrumente, Konzertplakate auf denen Bob Dylan, Mick Jagger, Neil Young abgebildet sind. Da schließt sich ein Kreis zu Tamikrest. Für Sänger und Gitarrist Ousmane Ag Mossa ist Bob Dylan ein wichtiges Vorbild.
Eine kleine Piratenflagge ist an der Bass Drum gehisst. Gastgeber Peter Weber gibt das musikalische Warm-Up. Er erzählt von seiner ersten Begegnung mit Tamikrest, die er 2008 auf einem Musikfestival ausserhalb von Timbuktu kennengelernt hat. Tamikrest waren im Nachbarzelt und haben dort gejammt. Jetzt steht er erst mal mit den Musikern gemeinsam auf der Bühne, ein Song, der am Nachmittag erst geprobt wurde, erhält gleich seine Premiere.
Jeder Zentimeter der kleinen Bühne wird von den 5 Musikern nebst ihren Instrumenten (2 x E-Gitarre, Bass, Schlagzeug, Djembé, und Geräten) bestens genutzt. Sänger und Gitarrist Ousmane Ag Mossa, gekleidet in schwarzer Tunika, die Gibson Gitarre umgehängt, hat mit seinen schwarzen Locken etwas Ähnlichkeit mit dem jüngeren Bob Marley.
Das Set startet sehr gelassen, Bluesrock-Sound vermischt sich mit afrikanischer Musik. Elektro-Gitarre trifft auf die westafrikanische Djembé, gespielt von Aghaly Ag Mohamedine. Der hypnotische anmutende Gesang von Ousmane Ag Mossa verstärkt sich, wenn zusammen mit Perkussionist Aghaly Ag Mohamedine und Bassist Cheikh Ag Tigly dreistimmig in ihrer Sprache Tamashek gesungen wird. Es klingt nach einer Mischung aus arabisch und französisch, bei dem sich die Weichheit und Melodie dieser Sprachen mit einer Melancholie und Sehnsucht paaren.
Die Augen beim Singen geschlossen, sind Mimik und Gestik bei Ousmane sehr reduziert, um so mehr betont es den flächigen Gesang. Es lässt sich erahnen, worum es in den Texten geht, um Widerstand und Hoffnung. Aufrund von politischen Zusammenbrüchen und blutigen Konflikten in ihrer Heimat Mali lebt die Band im Exil in Algerien.
Vieles läuft über Blickkontakt, Gitarrist Paul Salvagnac verständigt sich durch kurzes Nicken mit dem Drummer, um dem Solopart freien Lauf zu lassen. In weißer Tunika gekleidet, wechselt Aghaly Ag Mohamedine von der Djembé zur E-Gitarre. Seinen Hals ziert eine Kette mit einem Gitarrenanhänger. Schon bekommt der Klang der Band mit seinem dynamischen Gitarrenspiel eine andere Note. Für einen Moment macht es für mich den Eindruck, als würden die anderen Musiker etwas gelöster spielen. Solche feinen Hände habe ich noch nie übers Griffbrett gleiten sehen. Der Platz ganz vorne an der Bühne hat eine richtige Sogwirkung. Zwischendurch wird es psychedelisch mit treibenden Percussions und minimalen Bassläufen, die dann wiederum vom Drummer weiter getrieben werden. Dieser bringt zwischenzeitig noch die Jazzbesen zum Einsatz. Der Sound hat fast etwas von einem babylonischen Sprachengewirr. Der Wüstenblues räumt Platz ein für die Begegnung mit unterschiedlichsten Stilrichtungen wie Dub, Reggae und Psychedelic Rock mit freien Improvisationen ähnlich wie im Jazz.
Dafür ein herzliches Dankeschön an die Gastgeber und an Tamikrest für dieses wunderbare Konzert, mit neuen Klängen und Begegnungen!