OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin, Stuttgart

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Wir sind eine junge Band. Wir müssen erst noch lernen, mit Applaus umzugehen…

Aus dem Mund des wettergegerbten Schlagzeug-Haudegens Chris Imler klingt diese Selbsteinschätzung reichlich lustig. Und so ganz wahr ist sie auch nicht. Auch wenn sich Oum Shatt erst 2012 gegründet haben, alle Bandmitglieder haben ausreichend Bühnen-Erfahrung und sicher schon den ein oder anderen Applaus erlebt. Sei es Frontmann Jonas Poppe, den wir von Kissogram kennen, Gitarrist Hannes Lehmann, der schon bei Contriva und Mina spielte oder auch Imler selbst, der bei Driver & Driver trommelte. Das Live-Setup wird ergänzt mit Keyboarder und Bassist Jörg Wolschina, und auch der hat als Gründer von Der Elegante Rest schon manche Bühne betreten. Ob man aus dieser Konstellation nun gleich die Bezeichnung  Berliner Super-Group ableiten muss, sei mal dahingestellt.

Sich selbst bezeichnen die Herren als „a boy group from Berlin below the poverty line“ und für ihren Drummer halten sie die treffende Bezeichnung „Don Corleone of Berlin Rock’n’Roll“ bereit.

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

So knüppelvoll wie bei den letzten Pop-Freaks-Gigs ist das Merlin heute Abend zwar nicht, aber es haben sich immer noch gut 80 Zuschauer versammelt um diese Band zu hören, deren bisher veröffentlichtes Werk gerade mal aus einer EP mit vier Titeln besteht. Diese EP ist allerdings auch derart gut, dass Oum Shatt für mich der mit der größten Spannung erwartete Act auf diesem ohnehin hochkarätig besetzten Festival sind. Ihr mit arabischen Elementen angereicherter Indie-Rock hat nämlich tatsächlich einen ganz eigenen Reiz. Die Melodien schleichen sich ganz hinterlistig ins Gehör und bleiben hängen. Echte Ohrwürmer eben. Auch wenn der Renzensent der Stuttgarter Zeitung nichts arabisches entdeckt haben will, ist es für mich ganz offensichtlich: selbst in dieser klassischen Rock-Besetzung geben die mäandernden, manchmal etwas schräg klingenden Melodieläufe dem Oum-Shatt-Sound – fernab jeglicher plumper Ethno-Attitüde – eine subtile orientalische Würze.

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Rockmusikseitig liegen die Wurzeln eindeutig bei Joy Division und Co. Und da schadet es auch nicht, dass der Keyboarder aussieht wie ein Finalist beim Ian-Curtis-Lookalike-Contest. Poppes leicht knödelnder Bariton und seine linkischen Bewegungen passen auch sehr gut zum Genre. Die Instrumentierung ist reduziert und unprätentiös, Poppe und Lehmann ergänzen Ihre Gitarrenriffs aufs Feinste. Die Rhythmus-Sektion besteht mal aus einem Synthie-Bass, mal aus einem klassischen E-Bass, dazu ein rollendes und schepperndes Schlagzeug. Imler packt immer wieder kleine Effekte aus, sei es ein Minitamburin auf der Snare, sei es das Ersetzen der Drumsticks durch Maracas.

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

So wenig emotional der Vortrag scheinbar wirkt, so viel heimlichen Spielspaß scheinen die Vier zu haben. Nach einigen Titeln taut auch das Publikum auf und beim potentiellen Dancefloor-Filler „Hot Hot Cold Cold“ gehen die ersten vom rhythmischen Nicken in verhaltene Tanzbewegungen über. Vor allem der im Offbeat gespielte Part ist absolut zwingend.

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Und das Programm hält, was die EP verspricht: Hier gibt es keinen lauen Titel, natürlich haben es „Power To The Women of The Morning Shift“ oder auch „Madame O.“ mit ihrem Wiedererkennungswert leichter, aber auch Tracks mit Arbeitstiteln wie „Neu 2“ oder „Neu 3“ beweisen Songwriter-Qualität. Große Worte machen Poppe und Kollegen ohnehin nicht, das Set wird eher straight durchgespielt und ist – kein Wunder für eine so junge Band – nach einer knappen Stunde vorbei. Zwei Zugaben gibt es oben drauf und ganz zum Schluss mangels weiteren Materials nochmals „Hot Hot Cold Cold“. Ein rundum gelungener Gig für ein Feinschmecker-Publikum. Jetzt kann man nur hoffen, dass in absehbarer Zeit ein Album nachgeschoben wird.

OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

3 Gedanken zu „OUM SHATT, 22.01.2014, Merlin, Stuttgart

  • 25. Januar 2014 um 22:42 Uhr
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    Sobald es nach Post-Punk riecht und ein bleicher Spargel auf der Bühne steht, kommt der Vergleich mit Joy Division so sicher wie das Amen in der Kirche. Irgendwann wird Ian Curtis noch anfangen, im Sarg zu rotieren.
    Wenn schon vergleichen: Wie wär’s mit Alex Kapranos? ;)

  • 25. Januar 2014 um 23:40 Uhr
    Permalink

    Ist doch klar, Holger D.: sobald Alex Karpranos auch 30 Jahre tot ist und sich gegen solche Vergleiche nicht mehr wehren kann. ;)

  • 11. Februar 2014 um 03:01 Uhr
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    dank der ersten Goldmedaille habe ich dieses Konzert gerade nachgeholt; im Münchner Strom.
    Oha, da habe ich ja wirklich etwas verpasst!

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