KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart

KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Kontext ist alles. Bei so Meistern der Subjektivität wie den Schreibern dieses Blogs umso mehr. Deswegen hier persönlicher Kontext zum Thema „Kruder & Dorfmeister„. Mitnichten aus der Clubkultur kommend, war das Kennenlernen der Musik der Österreicher logische Konsequenz aus meiner Immatrikulation Mitte der 90er. Plötzlich Großstadt, plötzlich Urbanität, plötzlich Kommilitonen, die einen mit nicht rockiger Musik konfrontierten. So kam Big Beat auf den Speiseplan, was für Rockmusikhörer wie mich einigermaßen naheliegend war. Trip Hop war der nächste, schon weitergehende Step. Aber das dunkle, langsame der Musik kann man als Doom Metal Fan schon auch gut finden. Da jetzt das Tempo schon ordentlich runtergefahren war und die Ohren sich genug an elektronische Sounds gewöhnt hatten, war der „Sound Of Vienna“, den die beiden Österreicher Peter Kruder und Richard Dorfmeister prägten, das Ding um die Jahrtausendwende für den damals noch springfidelen Autor. Fünf Jahre zuvor noch zuhause sich introvertiert in Yes-Platten reingearbeitet, 1999 im Le Fonque zu relaxten Beats das Tanzbein geschwungen.

KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Diesen Abend ohne den Faktor Nostalgie betrachten zu wollen: unmöglich. Die Wien-Euphorie war damals so groß, dass man auch planlos mal nach WIen gefahren ist, so stark war die Anziehungskraft dieses Sounds. Natürlich hatte das Flex, der zentrale Ort dieser Szene, damals zu, aber in der Meierei konnte man in stilgerechter Art-Deco / Jugendstilumgebung (zumindest so die schwammige Erinnerung) etwas von der eigenen Projektion, wie sich das Ganze korrekt anzufühlen hatte, erhaschen. Oder wie Kruder selbst im sehr lesenswerten Buch „Sound Of The Cities“ über das Flex zur damaligen Zeit sagt: „1200, 1300 Leute, alle schwer am Kiffen. Für den Moment, für diese Zeit von 1995 bis 2000, war es der Ort, an dem die ganze Welt hinkommen will. So wie man nach Berlin fährt, ist man damals nach Wien ins Flex gefahren.“

Ein Vierteljahrhundert später sitzen wir hier nun in der sehr gut besuchten Liederhalle. Die Altersjahrgänge dürften ziemlich streng einer Gaußschen Normalverteilung folgen. Man ist gespannt. Bestuhlt, ein Konzertsaal, der hauptsächlich für das Hören höherwertiger Livemusik gemacht wurde, wie wird das mit einer aus der Clubkultur kommenden Musik funktionieren? Gewürdigt werden sollen heute Abend die legendären K & D Sessions aus dem Jahre 1998. Eines der prägenden Musikalben für viele Menschen aus der Zeit.

KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

K & D sind mit einer richtigen Band am Start. Schlagzeuger, Perkussionist, Bassist und Keyboarder. Die beiden Masterminds selbst stehen zentral hinter den Mixern, lassen es sich aber auch nicht nehmen analoge Instrumente zu bedienen. Vor allem Richard Dorfmeister wird des Öfteren zur Gitarre und auch zur Querflöte greifen. Die Soundqualität ist hochwertig. Alles ist klar hörbar. Die Mitmusiker sind offensichtliche Könner, und schaffen es im Zusammenspiel mit den Samples die Musik ziemlich nah an den Originalaufnahmen zu reproduzieren. Für mich überraschend wird komplett auf Visuals verzichtet. Eine relativ dezente Lichtshow, Sonnenblumen auf der Bühne, volle Konzentration auf die Musik.

Das gesamte Konzert wird für mich ein Wechselbad der Gefühle. Die Stücke sitzen so tief im Gedächtnis, dass man gar nicht anders kann, als sich über das Gehörte zu freuen. Es gibt sogar bei jedem Beginn eines Songs freudiges Wiedererkennungsklatschen des Publikums. Andererseits will aber der Funke bei mir oft nicht überspringen. Liegt es am Kontext? Ich bilde mir ein, dass im Rahmen einer kleineren, clubbigeren Location mit wärmerer Atmosphäre das Ganze besser funktionieren würde. Schließlich sind es ja weniger „vollständige“ Songs, was wir hier zu hören bekommen, sondern Ausschnitte aus Popsongs, die durch den samtigen Wohlfühl-Downbeat-Generator der beiden Österreicher modifiziert werden. So ehrlich muss man sein: Nicht umsonst funktioniert dieser Sound auch als Hintergrundbeschallung so gut. Es gibt nicht soviel fesselnde Spannung.

KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Heißt aber nicht, dass ab und an doch etwas Dynamik und Abkehr vom Originalsound durch die Liveband erfolgt. Das sind dann auch die für mich am besten funktionierenden Momente. „Speechless“ bringt durch sein flotteres Drum’n Bass Tempo etwas Abwechslung rein, „Bug Powder Dust“ ist natürlich ein Geniestreich von einem Remix. „Donaueschingen“ verliert mich dann wieder, trotz seines angenehm rumpelnden Schlagzeugs. Ich verstehe die Idee, das Album nur als musikalisches Statement darbieten zu wollen, aber vielleicht wären stimmungsvolle, das Hypnotische an der Musik unterstreichende Visuals eine gute Wahl gewesen.

Dass nicht jede*r den Abend so auffasst wie ich, wird an den teils euphorischen Reaktionen des Publikums deutlich. Ist ja manchmal oft eigentlich immer so, dass die eigene Wahrnehmung nicht die der anderen ist. An der Größe und Bedeutung von Kruder & Dorfmeister ändert dieser Abend aber nichts. Letztendlich waren es auch die „Easy Listening“-Anklänge und Bossa Nova Verquickungen in ihren Platten, die mir den Weg zu anderen Genres wiesen. Und außerordentlich sympathisch war ihr damaliger Move, nach dem Erfolg der K&D Sessions das Erfolgspferd nicht weiterreiten zu wollen, sondern sich Soloprojekten auf ihrem Indie-Label zu widmen. Aber das passt auch zu unserem damaligen Eindruck, den wir von Wien hatten. Die lassen sich nicht gerne hetzen.

So endet der Abend für mich mit zwiespältigen Gefühlen, was das Live-Erlebnis angeht. Aber großer Dankbarkeit, den zwei Österreichern Tribut gezollt haben zu können.

KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Ein Gedanke zu „KRUDER & DORFMEISTER, 01.11.2025, Liederhalle, Stuttgart

  • 6. November 2025 um 16:58 Uhr
    Permalink

    Ohja, verstehe… Downbeat konzertant im Beethovensaal, Meierei im Kopf – Kontext gerissen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.