MOTHER’S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart

MOTHER'S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Soll keine*r sagen wir bei gig-blog dot net würden nicht umgehendst auf Tipps reagieren. Erst kürzlich (müsste 2011 a.d. gewesen sein) empfahl mir ein alter Freund, dass wir beim blog unbedingt über Mother’s Cake berichten müssen. Was soll ich sagen? Einen Wimpernschlag später stehe ich im Herbst des Jahres 2025 und meines Lebens im Goldmarks, Notizbüchlein offen, Bleistift gespitzt, Ohren auf „on“.

Überraschend gut ausgelastet ist der Club, wenn man bedenkt, dass Sonntagabend eigentlich der müdeste aller Konzerttage ist. Ein paar ältere Semester, aber erfreulich viele junge Menschen sind instantly angezündet, als es kurz nach 21 Uhr losgeht. Dabei ist der Einstieg, im Vergleich zu dem, was noch kommen wird, gar nicht mal so der leichte Einstieg. Psychedelische Keyboard- und Gitarrenklänge samt einem stoischen Beat locken uns erstmal auf eine krautrockige Fährte. Am beeindruckend geschmeidigen Crescendo kann man gleich schon mal eine besondere Eingespieltheit erspüren. Wie ein im Studio perfektioniertes Fade-In klingt das, ist aber live.

Die folgenden Songs gehen dann in eine Richtung, die etwas öfters bespielt werden wird als das Eröffnungsstück. Man könnte es vielleicht umschreiben als rhythmusbetonten Funkrock, der sich sowohl bei Hendrix was borgt, als auch berücksichtigt, was Rage Against The Machine aus Led Zeppelins Musik gelernt haben. Das ist natürlich sehr funktional, könnte aber auch als etwas ideenlos abgetan werden. Aber Mother’s Cake laufen keine Gefahr, als ideenlose Plagiatoren tituliert zu werden. Das hat verschiedene Gründe.

MOTHER'S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Die Österreicher sind immer wieder in der Lage, sowohl innerhalb als auch zwischen den Songs überraschende Wendungen und stilistische Brüche gekonnt zu platzieren, dass Vorwürfe mangelnder Originalität gar nicht erst aufkommen können. Ganz im Gegenteil ist es eher so, dass ich mich nicht erinnern kann Vergleichbares live gesehen zu haben. Viele Bands bedienen in ihrem Sound die Retroschiene, aber niemand so wie MC. Und sollte mal tatsächlich ein Songpart dabei sein, der einen jetzt nicht als ultimative Offenbarung trifft, dann ist er aber so umwerfend tight zusammengespielt, dass man böse Gedanken gleich wieder verwirft. Ab und an tauchen so Kleinigkeiten auf, kleine Verzierungen im Arrangement, die das Besondere ausmachen. Momente, in denen man merkt, dass sich die Leute Gedanken gemacht haben, und auch in der Lage sind es umzusetzen.

MOTHER'S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Das alles geht aber nicht zu Lasten der Bühnenperformance. Es wird gederwischt, geschwitzt und untereinander Spaß gehabt. Ob die Band das enthusiastische Publikum, oder Letzteres die Band infiziert haben, who knows. Ebenso unklar ist, wie es bei guten Musiker*innen oft geschieht, wann die Band wirklich frei improvisiert, oder wieviel davon schon vorher geprobt wurde. Wahrscheinlich ist beides wahr. Verdruss kommt zu keiner Sekunde auf. Das ganze Konzert hindurch nickt das Publikum mit den Köpfen, bewegt den restlichen Körper sonst auch irgendwie passend.

MOTHER'S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
Foto: Oliver Wendel

Da Hendrix schon mal erwähnt wurde. DER Gitarrenakkord des Gitarrengenies – E7#9 – muss natürlich verwendet werden. Und gerade als ich so denke, dass es jetzt mal paar Minuten lang etwas eindimensional bei der Musik hergeht, kommt ein Song daher, der mit seinen entfernt anklingenden Reggae-Versatzstücken auch ein Song von der Steve Miller Band sein könnte. Woanders glaubt man sich hingegen an die Arctic Monkeys erinnert. Nur um kurz darauf sich in einem Part wiederzufinden, der mit seinem plötzlich sehr geraden Beat wie elektronische Tanzmusik daherkommt.

Nach dem letzten Song des regulären Sets vor der Zugabe sagt Yves Krismer: „Das war ein geiler Sonntag!“ Und tatsächlich sind Mother’s Cake live so gut, dass ich sie mir gut als jährlich in Stuttgart auftretende Band vorstellen könnte. An eine kurzweilige, gute Zeit am haben ist nämlich nichts auszusetzen. Zumindest einmal im Jahr.

MOTHER'S CAKE, 19.10.2025, Goldmarks, Stuttgart | Foto: Oliver Wendel
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