HVOB, 17.10.2025, Im Wizemann, Stuttgart

“HVOB…die machen doch so Techno, oder?”, fragt meine Mitbewohnerin während ich schon halb zur Tür raus bin. Auf dem Weg zum HVOB-Konzert im Wizemann.
“Eher Electro”, sage ich, mich an mein 15-Jähriges Ich erinnernd, das damals zum ersten Mal über HVOB stolperte und sofort eingenommen war von diesen kryptischen, elfenhaften Vocals über mystisch-treibenden Beats.
Das war das Bild, das sich von dem Wiener Produzent*innen-Duo seitdem in mir festgesetzt hatte: ein bisschen düster, ein bisschen distanziert, alles sehr ästhetisch. Musik, die eher für Sonnenuntergänge über Festivalfeldern gemacht scheint als für großstädtische Industriehallen. Doch als HVOB an diesem 17. Oktober die ersten Töne anschlagen, muss ich meiner Mitbewohnerin Recht geben: Das hier ist kein Afterwork-Ambient sondern eine dramaturgisch fein-säuberlichst ausgetüftelte Clubnacht.

Dass Anna Müller und Paul Wallner nicht erst seit gestern auf der Bühne stehen, merkt man ihnen an. Seit 2012 besetzen HVOB ihre Nische zwischen Pop und Electronica und leiten mit ihrer aktuellen “The Silver Cage“-Welttour jetzt eine neue Ära ein: Einen künstlerischen Zyklus, in dem Musik und Licht zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Die Lichtshow, die HVOB eigens für diese Tour entworfen haben, macht jeden Track nur noch immersiver und ist dabei so überwältigend, dass ich ab und zu die Augen schließen muss, um nicht zu vergessen zu atmen.
Schon der erste Track “What They Gave Me” katapultiert mich mitten rein in den Rave. Metallische Bässe, hypnotische Synths und Anna Müllers beschwörerische Stimme werden von den gleißenden Bewegungen des Lichts in neue Sphären gehoben. Die Sängerin strahlt eine spielerische Erhabenheit aus – wie ein DJ, nur mit Emotion – während Produzent Paul Wallner meist im Halbdunkel verborgen Knöpfe drückt und Regler schiebt.

Lange bleibt es nicht nur bei Strobo und Dröhnen: HVOB spielen mit Lärm und Stille, mit Hektik und Ruhe, zeigen sich genauso oft von ihrer softeren Seite und bauen über den Abend hinweg immer wieder Spannung auf, nur um sie gleich danach wieder loszulassen.
Reibungslos gleiten sie durch ihr Repertoire und wissen auch hier, alt und neu genau richtig zu portionieren. Ältere Fan-Favoriten wie “Cold Melt” sind ein Muss auf jeder HVOB-Show und fusionieren mit jüngeren Highlights wie “Abyss” zu einer dynamischen Erzählung. HVOB steht für Her Voice Over Boys und der Name ist auch an diesem Abend Programm: Anna Müllers Stimme bleibt immer glasklar und behauptet sich gegen jeden noch so harten Beat.

Neben gelegentlichen “STUTTGART”-Rufen bleibt Müllers Interaktion mit dem Publikum minimal. Nur “Home” aus dem Soundtrack zum Dokumentarfilm “To Close Your Eyes And See Fire”, den HVOB geschrieben und im September als Album veröffentlicht haben, kündigt sie explizit an. So wichtig dieser Moment zu sein scheint, so ungelenk fügt er sich in den Rest des perfekt balancierten Sets. Zu glatt wirkt der Song, zu verkopft, zu sehr Teil eines anderen Konzepts. Aber was wäre Balance ohne ein kleines bisschen Irritation?
Ganz zum Schluss meldet Müller sich dann ein letztes Mal zu Wort. Sie bedankt sie sich bei ihrem Bandkollegen, beim Team, bei uns als Publikum und ruft uns auf, kleine Bands zu unterstützen, zu Live-Shows zu gehen, Musik zu kaufen. In diesem kleinen Moment steckt alles, wofür HVOB angetreten sind: Für Wärme und Herz in einem sonst vielleicht etwas düster anmutenden Genre. Mein Geld würden HVOB jedenfalls immer wieder bekommen!


Coole Fotos, stimmungsvoller Text, danke. Wäre gern dort gewesen… Konnte sie vor zwei Jahren im Rahmen des About Pop sehen.
Wirklich interessanter und immersiver Artikel, fühlt sich fast so an als wäre ich im Publikum! Ich freue mich auf mehr.