MASTERS OF REALITY, 04.10.2025, Privates Hauskonzert, Stuttgart

Als ich ungefähr Ende vergangenen Jahres erfahren habe, dass Masters of Reality, kurz „Masters“, auf einer raren Tour auch eine Show in Stuttgart spielen, war ich sofort euphorisiert, aber direkt in eine Moment-Depression verfallen, denn beim Termin in Stuttgart am 17.04.25 stand als Location „Privatkonzert“ oder ähnliches. Von solchen Veranstaltungen habe ich in Stuttgart schon gehört – da holt sich z.B. vor vielen Jahren ein Vorstand eines namhaften Konzerns die Beach Boys in eine uns bekannte Location, und lässt diese bei seiner Geburtstagsfeier aufspielen. Die Beach Boys sind oder waren mir egal, aber bei Masters sieht das ganz anders aus. Glücklicherweise war es weder für mich, noch für den Fotografen ein Problem, zu den glücklichen ca. 100 Personen zu gehören, die heute dabei sein dürfen.

Die erste Show in Stuttgart ist es scheinbar nicht, denn ich habe gehört, wie ein Fan am Merch Mastermind Chris Goss auf ein Konzert vor Dekaden in der Röhre angesprochen hat, an das er sich aber nicht erinnern konnte. Bei mir liegt die bisher einzige Show auch schon einige Jährchen zurück. Bei der Recherche wann das genau war bin ich in unserer eigenen Datenbank fündig geworden, ich hatte den Bericht von mir komplett vergessen. Die Tour in der ersten Jahreshälfte musste wegen gesundheitlichen Problemen von Chris Goss leider abgebrochen werden, aber es war zum Glück schon relativ früh bekannt, dass die Tour im Herbst nachgeholt wird. Diese fällt zusammen mit dem ersten neuen Album seit 2009. „The Archer“ gefällt mir sehr gut, ein nicht überwiegend, aber etwas sanfteres Album Nr. 7 seit 1988. Wenn es heute einen kleinen Wermutstropfen für mich gibt, dann kam dieser beim Betreten der Band der nicht vorhandenen Bühne zum Vorschein, denn anders als noch bei den wenigen Shows im Frühjahr, war der kaum weniger legendäre Alain Johannes nicht auf der Bühne zu finden.

Im Jack-Black-Film „School of Rock“ gibt es eine Szene, in der ein Diagramm gezeigt wird über die Entstehung von Rock und Heavy Metal, mit sehr vielen Linien und Verbindungen zwischen den einzelnen Bands. Etwas Ähnliches habe ich im Netz für Alain Johannes gesehen, kaum weniger umfangreich. Wer sich den verlinkten Wiki-Eintrag anschaut, kann es nachvollziehen. Heute leider nicht, ich habe ihn aber schon viele Male auf der Bühne gesehen. Von der klassischen Masters-Besetzung ist nichts übrig geblieben auf dieser Tour, aber den Keyboarder und dritten Gitarristen Aldo Struyv kenne ich von Shows mit Millionaire, Creature with the Atom Brain und, am bekanntesten, der Mark Lanegan Band, bei der er festes Mitglied bis zum Ableben von Mark Lanegan im Jahr 2022 war. Ich kann sogar berichten, dass ich mit ihm eine relativ harte Party-Nacht im Schocken verbracht habe, die er sich so gut merken konnte, dass er Chris Goss heute bei der Ankunft in Stuttgart davon erzählt hat, wie wild das war. „I told you, we took over the basement, he was also there“, sagte er zu Chris nach der Show am Merch. Das ist über 20 Jahre her, muss selbst für Profimusiker, die gerade mit QOTSA an deren Zenit auf Tour waren, nicht ganz gewöhnlich gewesen sein. Er hätte den Club gerne gesehen, aber, so viel sei verraten, das Schocken wäre kurzfristig zu weit weg gewesen.

Chris Goss ist verglichen mit den Bildern aus 2009 kaum wiederzuerkennen – das Gewicht ungefähr halbiert, und wortwörtlich am Stock gehend, freue ich mich sehr, dass er fit genug für eine Euro-Tour ist – mit 67 Jahren. Es ist verständlich, dass er im Sitzen singen und Gitarre spielen wird. Das Set beginnt mit dem Rocker „I had a dream“ vom neuen Album. Ich wollte mich überraschen lassen, Setlist.fm nicht verwendet, wäre total ok gewesen, wenn das neue Album fast komplett gespielt wird, aber es wird ein wilder Ritt durch fast alle Alben. „High Noon Amsterdam“ vom 2001er „Deep in the Hole“ ein härterer Rocker, der sofort an QOTSA denken lässt, was nicht verwundert, denn J Ho und Nick Oliveri waren damals in der Band. Das groovt sich gut ein, die Betreiber der Location haben einen gemütlichen Flecken in der überschaubaren Halle eingerichtet, an die Wand werden per Tageslichtprojektoren im 60er-Stil psychedelisch wirkende, in Hand und Mundarbeit geschaffene Blubberbilder projiziert, was hervorragend zum Sound der Masters passt. Diese klingen von Anfang an super tight, in einer Atmosphäre, die, wie Chris bestätigt, an ein Wohnzimmer erinnert. „Mr. Tap n‘ Go“ ist auch von „The Archer“ und klingt wie vom Album, ich bin beeindruckt.

Es wird aber noch besser – ab „John Brown“ vom Debüt von 1988, welches übrigens von Rick Rubin produziert und veröffentlicht wurde, wird aus allen Rohren gefeuert. Chris Goss wechselt zur Gitarre mit Stahlsaiten und schrubbt das unwiderstehliche Riff. Das Lied klingt live immer um ein Vielfaches besser als vom Album, was nicht für Rick Rubin spricht. Es dürfte keine Rolle spielen, ob man es überhaupt kennt, so catchy ist das, entsprechend lauter wird der Applaus. „Rabbit one“ ist aus der kurzen Ära, in der Ginger Baker (Cream) Schlagzeuger der Masters war. Wer’s noch nicht gemerkt hat, müsste an dieser Stelle erkennen, welches Kaliber an Band hier vor uns steht. „Third Man on The Moon“ aus der QOTSA Ära, ist imhO der größte Hit der Band, und fehlt zum Glück im Set nicht. Chris Goss fragt noch, ob jeder genug Platz zum Tanzen hätte. „She got me“ im Original mit Ginger Baker ist auch mega catchy und ganz nah an Radio-Tauglichkeit, ein Wahnsinn. Geht’s noch besser – jaaaa, zum Schluss hin kommt noch „Blue Garden“ in einer XL-Version. Für dieses Lied gilt das gleiche wie für „John Brown“, live eine echte Macht, auf dem Album lange nicht so packend.

Ich fühle Trauer für die, die gerne dabei gewesen wären, es aber nicht hat sollen sein. Locker in den top 5 meiner besten Konzerte. So viel sei verraten – falls es noch eine Tour geben wird, ist an gleicher Stelle schwer mit einem weiteren Konzert zu rechnen.
Setlist
Huntsman Intro
I Had A Dream
High Noon Amsterdam
Mr Tap N G
Dorlaldina
Sugar
Counting Horses
Archer
Jody Sings
100 Years
John Brown
Rabbit One
Third Man
She Got Me
Theme
Blue Garden
Ants / Going Down
Wer sich reinfühlen möchte, dem sei das Live-Album „Flack N‘ Flight“ empfohlen.


Du Glücklicher! Toller Bericht über eine Location, die ich nicht kannte.
Bin übermorgen in München bei den Masters.
Grüße aus Stuttgart-Ost.
Alex
Hallo
Sehr guter Bericht von diesem außergewöhnlichen Konzert . Ich teile deine Meinung , das war auch in meinen Top 5 , also sicher eines der besten Konzerte das ich gesehen und gehört habe . Mein Arbeitskollege betreibt seit Jahren die deutsche Fanseite der Masters of Reality und ist mir damit in den Ohren gelegen , ich kann jetzt seine Obsession verstehen .
Danke!
Die Seite kenne ich, der Typ ist echt „balls deep“ drin im Thema Masters, er weiß mit bestimmt mehr über die Band als Chris Goss, haha. War er auch in Stuttgart dabei?
Die Band ist gefühlt seit 20 Jahren nicht mehr in Stuttgart gewesen und es findet sich kein Booker/Location in Stuggi, der es möglich macht, die Band für ALLE Interessierten zu sehen. Sorry aber warum man das nur für 100 ausgewählte Menschen veranstalten muss, erschliesst sich mir überhaupt nicht. Aber schön, daß wenigstens der Schreiber von gig blog net zu den Privilegierten gehört hat und dann auch nicht kritisch nachfragen muss.