STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
Foto: Martin Schniz

35 Jahre Stereolab – und nach schlappen 16 Jahren Pause melden sie sich mit einem wunderbaren neuen Album zurück und touren auch gleich um die Welt. Immer wieder beeindruckend, dass derart einflussreiche, kultgeliebte und glamouröse Acts den Weg ins nicht allzu kosmopolitische Schorndorf finden – wie auch richtig viele (mutmaßlich alte) Fans, denn die Manufaktur platzt bei hochsommerlichen Temperaturen fast aus allen Nähten. Also gibt es schon im lauschigen Biergarten ein großes „Hallogallo“ (kleines Wortspiel für Auskenner*innen) mit der extrem vielköpfig angetretenen Stuttgarter Musik-Posse unterschiedlichster Schattierungen.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Man merkt: Band und Musik haben Bedeutung – auch wenn sich der Reiz des so einzigartigen Sounds von Stereolab gar nicht so leicht fassen lässt. Ich versuche es dennoch, auch wenn ich beim Berichtschreiben den heißen Atem zahlreicher echter Fachleute im Nacken verspüre. Einer erzählte gar, wie er in den 90ern mit seiner eigenen Band mit Erfolg guerillamäßig den Support Slot für Stereolab eben in der Manufaktur geentert hat.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Support Act Astrobal aka Emmanuel Mario hat schon mit Laetitia Sadier kollaboriert und liefert einen sanften Einstieg in die magische Soundwelt von Stereolab. Als Drummer mit eingespielten Electronics zaubert er leicht jenseitige Klangwelten von cineastischer Schönheit, die mich ein bisschen an Air erinnern und die das schon jetzt dicht gedrängte Publikum in entspannte Stimmung bringen.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Bis zum Konzertstart um halbzehn wird es dann richtig voll im Saal – erst recht vor der Bühne, für den Gigblog-Fotografen eine echte Herausforderung. Stereolab haben schon mehrfach in der Manufaktur gespielt, Bandchefin Laetitia Sadier verortet ihren Geburtstag sogar zeitnah mit dem der Schorndorfer Konzertinstitution (beide Jahrgang 1968).

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Zum Setting: Im Zentrum steht Madame Sadier – mit beeindruckender Stimmpräsenz und zurückhaltender Charmanz, dazu souverän an E-Gitarre, Synthie, Posaune und Schellenring. Ihr Counterpart Tim Gane spielt nur Rhythmusgitarre und hält sich ansonsten kopfnickend zurück. Drummer Andrew Ramsay, Tastenmann Joseph Watson und Basser Xavier Munoz Guimera bleiben ebenfalls im Hintergrund, wobei die beiden letzteren die oft nicht unkomplexen Gesangsharmonien einbringen, die meines Erachtens sehr wichtig für den typischen Stereolab-Sound sind. Über die tonale Qualität der oft unkonventionell arrangierten Vocals (auch von Laetitia) wird nach dem Konzert im kleinen Kreis noch diskutiert – ich fand den Gesang durchweg brillant, intensiv und außerordentlich charismatisch.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Was den besonders eigenständigen Sound der Band ausmacht, lässt sich gar nicht so leicht beschreiben: Anfangs noch recht konventioneller Indierock, schlichen sich schon in frühen Jahren deutliche Spuren von Krautrock und Space Age Pop ein, was zu spacigen Tanznummern wie dem auch heute von Fans geforderten „French Disco“ führte – was aber nicht gespielt wurde. Während der 90er wurden Stereolab dann komplexer, ambitionierter und eigenwilliger. Neben allerlei Krautigem und Sixties-Psychedelischem meine ich immer auch

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Einflüsse von Brian Wilson, französischem YeYe-Pop und brasilianischem Tropicalia-Sound zu hören – nie offensichtlich, aber doch latent präsent. Beim Konzert wird neben wenigen älteren Songs der Großteil des überzeugenden neuen Albums gespielt. Dieses „Instant Holograms On Metal Film“ finde ich nach 16 Jahren Studioabstinenz vor allem deshalb so gelungen, weil es wie eine souverän gereifte Version verschiedener Bandphasen wirkt: ohne bemühte Experimente, aber auch ohne Zwang zur Gefälligkeit – wobei „Melodie Is A Wound“ dennoch mein persönlicher Sommerhit sein wird. Die Kunst liegt vielleicht darin, aus derart disparaten Wurzeln einen so homogenen, dezent barocken und stur eigenwilligen Sound zu etablieren. Komplex und einfach zu gleich, Prog- und Artrock-Elemente münden in klassische Popmelodien – eben dieses Brian Wilson-Momentum. Die fantastische Arrangement-Kunst der Alben kommt auf der Bühne deutlich schnörkelloser rüber. Der elastische E-Bass treibt fast jeden Song voran, die Tasten bleiben eher zurückhaltend. Die Moogs von einst wurden durch ein Fender Rhodes mit weniger Schubkraft ersetzt, klärt mich ein Experte auf.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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Dennoch leben diese oft auch ein bisschen spröden Songs von kaleidoskopischen Klangfarben – ständig passiert etwas Unerwartetes (Sadiers Posaune!), wird der Beat mit überraschenden Breaks variiert und wie immer ist die Ideendichte bei Stereolab enorm. Als Konzertsituation ist das ein bisschen ungewohnt, denn man muss konzentriert zuhören, um von diesem ganz speziellen Sound eingesogen zu werden – was in dem Gedränge und bei den hohen Temperaturen nicht ganz einfach ist. Dancebeats und mitsingbare Melodien gibt es bei Stereolab kaum – eher ein faszinierendes, kleinteiliges Sirren und Flirren, dass sich zumindest kurzzeitig auch zu einem spacigen Brummen erheben kann.
Trotz der nicht gerade hitorientierten Songauswahl ergibt ein erstes Stimmungsbild nach dem Konzert bei Freund*innen mit ganz wenigen Ausnahmen allgemeine Begeisterung, die ich nur bestätigen kann.

STEREOLAB, ASTROBAL, 19.06.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Martin Schniz
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