KING HANNAH, 12.06.2025, Manufaktur, Schorndorf

Keine Frage: gerade läuft’s in der Manufaktur. Am Dienstag haben wir einen wahrhaft umwerfenden Gig von Jon Spencer gesehen und der Club war sehr gut besucht, heute steht King Hannah auf der Bühne und wieder erfreut sich die Manu sehr guten Zuspruchs. Und das völlig zu Recht. Das Liverpooler Duo (live zum Quartett ergänzt) hat letztes Jahr mit Big Swimmer ein grandioses Album veröffentlicht und tourt seitdem heftigst. Erst vor knapp zwei Wochen konnten wir die zwei auf dem Maifeld Derby sehen und ich habe mich kurz gefragt, ob das eventuell ein Risiko für den Gig in der Manu ist. Ganz offensichtlich nicht. Ich kenne sogar Menschen, die gerade wegen des Festival-Gigs die Band gleich nochmal sehen wollten.

Und das ist eine gute Idee. Der Auftritt im 5.000er-Festival-Zelt soll zwar, trotz unwetterbedingter, widriger Umstände überzeugend gewesen sein, ich habe ihn aber sausen lassen und voll auf die intimere Atmosphäre der Manufaktur gesetzt. Hier hat man ausreichend Zeit, die Bedingungen zu optimieren, was sich zum Beispiel in einem überragend guten Sound abbildet.

Das Set besteht zu zwei Dritteln aus Titeln des aktuellen Albums und startet zuerst mal ganz zurückhaltend mit „Somewhere Near El Paso“ und Hannah Merricks typisch verschlepptem Sprechgesang. Mit ihrem opulenten roten Kleid dominiert sie Bühne, schick kombiniert mit grünen Sneakers und dezentem Goldschmuck. Eher seltsam mutet hier der Overear-Kopfhörer an, der eher an Teenies in der U-Bahn oder Musiker im Studio denken lässt und einen Kontrast zur eleganten Erscheinung bildet. Wie so viele ihrer Songs steigert sich auch dieser Eröffnungssong von subtilem Slowcore zu massivem, verzerrten Gitarreneinsatz, mit dem eine erste Wall auf Sound errichtet wird. Die Publikumsansprache ist sehr zurückhaltend, etwas linkische Gesten lassen fast vermuten, dass die zierliche Sängerin schüchtern ist.

Das traumwandlerisch sichere Zusammenspiel mit Ihrem Partner Craig Whittle wird durch wenig mimische Interaktion gesteuert, später werden wir die meist melancholisch bis verzweifelt dreinschauende Sängerin sogar lächeln sehen. Bemerkenswert, wie wenig Raum die Rhythmus-Sektion bekommt. Während die beiden Musiker erheblichen Anteil an der präzisen und durchdringenden Performance haben, werden sie eher am Rand platziert (das Schlagzeug steht fast in der Tür des Bühnenausgangs) und werden am Ende des Sets befremdlicherweise weder vorgestellt noch sonst irgendwie gewürdigt.

Das Set wird ohne größere Unterbrechungen gespielt, das Publikum erweist sich mal wieder als mustergültig aufmerksam und ruhig. Die Musik kann ihre volle, schon fast soghafte Wirkung entfalten. Leider ist der Sapnnungsbogen nicht ganz ideal und so verliert sich das Set ein wenig in dreampoppiger Schönheit (Hope Sandoval darf ausnahmsweise wirklich mal als Referenz herangezogen werden), während die mächtigen Krachtitel ausbleiben. Und das Konzept der geplanten Zugabe mag mir in diesem Setting noch weniger gefallen als sonst. Auch wenn es mit einer Solo-Performance des Titel-Songs „Big Swimmer“ eine weitere Perle bietet. Nach einem weiteren noch unbetitelten neuen Song im kompletten Band-Setup endet die Zugabe dann im Duett der beiden Liverpudlians – die so ur-amerikanisch klingen – mit dem Cover von „Look at Miss Ohio“. Romantische Country-Vibes machen sich breit und es fehlt eigentlich nur noch eine Pedal Steel Guitar.

Etwas störend finde ich nur die ungewöhnlich große Gruppe von Foto- und Videografen, die fast die komplette erste Reise belegt und den Gig von der ersten bis zur letzten Sekunde aufnimmt. Aus der Perspektive der Sängerin muss der Blick in lauter Objektive auf die Dauer abtörnend sein, und das in den leisen Passagen deutlich zu vernehmende Verschluss-Geklacker ist für die Umstehenden unangenehm.
Die große Mehrheit des Publikums dürfte davon jedoch nichts mitbekommen haben, und der frenetische Schluss-Applaus lässt keine Zweifel: Hier haben wir ein Konzert der Spitzenklasse gesehen. Die Manufaktur-Highlight-Wochen sind übrigens noch nicht vorbei: Am 19. Juni steht hier die Legende Stereolab auf der Bühne.

Setlist
Somewhere Near El Paso
Milk Boy (I Love You)
Go-Kart Kid (Hell No!)
John Prine on the Radio
Suddenly, Your Hand
New York, Let’s Do Nothing
Davey Says
Leftovers
Crème Brûlée
Big Swimmer
(New Song)
Look at Miss Ohio (Gillian Welch Cover)