MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Tag zwei des 14. und letzten Maifeld Derbys in Mannheim beginnt für uns erst einmal in den Quadraten, denn auch das ist ein schöner Nebeneffekt – Mannheims Innenstadt gewann mit den Besuchen über die Jahre hinweg immer mehr unsere Zuneigung. Seien es zahlreiche nette Cafés, kleine Geschäfte (von denen manche auch Stammgäste mit ihren Ständen beim Festival sind) oder die immer wieder faszinierende Kunsthalle mit ihren Ausstellungen.

Und so trafen alle ausgeruht, wohl gestärkt und inspiriert nach und nach auf dem Maifeld-Gelände ein, gespannt, was an diesem Samstag musikalisch alles geboten sein würde.

Theodor

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Chris) Leider ist für den Nachmittag ein ordentliches Gewitter angekündigt, doch noch ist das Unwetter nur ein rotes Warndreieck in den Wetter-Apps. Aber selbst ohne Regen-Radar lässt sich am Horizont schon erahnen, dass da was auf das Maifeld-Gelände zukommt.

Während Theodor aus Darmstadt, um den Drummer von Okta Logue, ihr entspanntes, aber musikalisch keineswegs beliebiges Set beginnen, werden vorsorglich Banner an den Zäunen abgehängt und Sonnenschirme abgebaut. Die Band lässt sich davon keineswegs irritieren und zaubert ein für mich beglückendes Set auf die große Open-Air-Bühne, in das ich mich dankbar fallen lasse, wie in einen gemütlichen Sessel. Für die herrschende Vor-Gewitter-Schwüle und meinen ersten Samstag-Gig ist der zurückgelehnte, leicht psychedelische Strand-Sound der vier Musiker – wie gestern schon bei Pearl & The Oysters – ideal. Die Melodien sind ein Ohrenschmaus und Darmstadt das Kalifornien Hessens. Auffällig ist auch, dass ein nicht unerheblicher Anteil der bisher gesehenen Bands auf E-Gitarren verzichten. Aber auch hier vermisse ich nichts und die Zeit der Gitarren soll auf diesem Festival auf jeden Fall noch kommen. Theodor kommen auf ihrer Herbsttour leider nicht in der Region Stuttgart vorbei, aber wer schon immer mal den „Schlachthof“ in Wiesbaden besuchen wollte, für den wäre das ein wahrlich schön klingender Anlass.

Sophia Kennedy

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
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(Max) Die Wehmut über die Absage von Silvie Kreusch verflog bei mir schnell, sobald ich Sophia Kennedy als Ersatz angekündigt sah. Nach dem umjubelten Konzert im Merlin nun mit neuem Album „Squeeze Me“ im Gepäck auf großer Bühne. Draußen bricht ein Unwetter aus, das Palastzelt wird für viele zum Schutzraum: die Zeltwände schwanken im Wind und der Bass von Mense Reents treibt durch die Manege. Zwischen ihm und Kennedy nun neuerdings Livedrummer Manuel Cittka, womit die Liveshow von Kennedy endgültig zur Wucht gerät: Donner und Blitz mischen sich mit dem Auftakt von „Up“, „Something Is Coming My Way“ vom ersten Album kommt heute als absolutes Dub-Monster, vergessene Textzeilen vom neueren „Hot Match“ werden souverän wegimprovisiert, für die Ballade „Oakwood 21“ könnte man sich kein passenderes Ambiente vorstellen als durchscheinende Blitzlichter an den Ausgängen und die bedrohlich schwingenden Zeltwände.

Zwischen all der musikalischen und stimmlichen Wucht sowie die heute irgendwie noch existentielleren Songzeilen („What a perfect day for us to spend outside“) teilt Sophia Kennedy mit uns noch eine ganz konkrete Angst: beim Verlassen des Zuhauses etwas zu vergessen, konkret: das Bügeleisen auszuschalten, mit dem sie am Morgen noch ihr blaues Hemd bügelte. Wenn schon, dieses Konzert war es wert. Sophias expressive Tanzbewegungen in weiten Jorts finden weit hinten im Zelt Nachahmerinnen. Zum Ende kommt der Festivalchef mit einem Lagebericht auf die Bühne – das Unwetter hält noch an, das Zelt der sicherste Ort – und erlaubt Sophia Kennedy etwas länger zu spielen. Für die Krisenkommunikation und diese Verlängerung an dieser Stelle ein weiteres Mal: Danke, Timo! 

Die in Sophia Kennedys Aufnahmen so detailverliebt eingebetteten Samples und Sounds gehen im Stimmengewirr des Gewitter-Schutzraumes etwas unter, aber das tut dem Gesamtbild keinen Abbruch: Humorvoll, gelöst und musikalisch mehr als auf den Punkt eines meiner absoluten Festivalhighlights. Nach dem Konzert warten wir noch das Ende des Unwetters ab, bevor draußen Strongboi vor mehr und mehr Regenponchos ein wunderbares, aber wetterbedingt leider verkürztes Set spielen werden. Das Bügeleisen war übrigens aus, teilt Sophia im Anschluss auf Nachfrage mit. Ende gut, alles gut.

King Hannah

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
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(Max) Aus der frischen Luft komme ich irgendwann zur Slacker-Hymne „New York, Let’s Do Nothing“ etwas unmotiviert zurück ins Zelt und bleibe noch kurz. Was mich im Herbst im Kölner Gebäude 9 noch völlig einnahm (recht anschaulich beschrieben bei Kolleg*innen hier und hier), kriegt mich heute gar nicht. Wrong time, wrong place. Gerne wieder bei nächster Gelegenheit, King Hannah. „Big Swimmer“ ist eines meiner Lieblingsalben des vergangenen Jahres, aber mir ist gerade mehr nach einem Spaziergang übers Gelände an der frischen Luft, ein Happen zu Essen. Inmitten der Kakophonie auf den Bühnen um uns Gelegenheit zum Plausch über das an unterschiedlichen Orten erlebte Unwetter, während das Maifeld-Team alles dafür tut, das Festival wieder hochzufahren und zurück in den Zeitplan zu kommen. Haben wir schon erwähnt, dass wir dieses Festival lieben?

Die Höchste Eisenbahn

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Chris) Kann man Die Höchste Eisenbahn nicht sympathisch finden? Möchte man nicht mit ihnen sofort im Auto irgendwohin fahren, Moritz Krämer packt auf der Rückbank die Gitarre aus, stimmt ein Lied an, Francesco Wilking stimmt in den Gesang mit ein und ich schaue verträumt zum Fenster hinaus auf die vorbeiziehende Landschaft. Diese Band schafft es immer wieder hören, dass ich mich ihren Texten und ihren eingängigen, aber nie kitschigen Melodien tanzend, schwelgend und grinsend anvertraue. Ja, vielleicht hätte diesen Beitrag besser jemand geschrieben, der kein Fan ist – aber objektiv sind wir ja alle nie.

Und so finde ich mich in der fünften Reihe vor der Open-Air-Bühne zwischen vielen anderen glücklichen Menschen wieder, von denen einige beinahe jede Zeile mit demselben glücklichen Lächeln in den vom Gewitter gereinigten Früh-Abendhimmel singen. Nach eigener Aussage haben die vier Eisenbahner – neben den beiden Frontmännern Krämer und Wilking, Bassist Felix Weigt und Schlagzeuger Max Schröder – ihre fünfjährige Pause für einen Schönheitsschlaf genutzt und hoffen, sie seien auch noch halbwegs eingespielt. Die schon erwähnte Sympathie genießen sie bei mir auch vor allem durch den Umstand, dass es mir eine große Freude bereitet, ihnen beim gemeinsamen Musizieren auf der Bühne zuzuschauen. So ist an der ein oder anderen Stelle ganz kurz zu merken, dass tatsächlich noch nicht jeder Song zu 100 % sitzt. Das wird aber durch soviel gemeinsamer Bühnenerfahrung, musikalischem Können und Charme aufgefangen, dass es eine wahre Freude ist.

Und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Die Höchste Eisenbahn natürlich auch musikalisch einiges zu bieten hat, wenn man zeitloser Popmusik mit wunderbaren Melodien und sowohl intelligenten als auch unterhaltsamen Texten etwas abgewinnen kann. Wilkings und Krämers Stimmen ergänzen sich auf eine Art und Weise, dass es an manchen Stellen schwierig ist, sie auseinanderzuhalten. Aber beide haben jeweils eine ganz besondere Färbung, dass sie sich immer gegenseitig bereichern, ja oft regelrecht umschmeicheln. Es werden erste Hits wie „Was machst Du dann“, das melancholisch-nölige Meisterwerk „Gierig“ und Songs vom kommenden Album wie „Dieses Leben“.

Wer auch schwelgen, tanzen und grinsen möchte: Am 24.11.2025 gastieren die Eisenbahner in Stuttgart Im Wizemann.

The Notwist

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Max) Während Die Höchste Eisenbahn witterungsbedingt etwas verspätet am Zielbahnhof ankommt und sie im Zelt noch deutlich zu hören ist, starten The Notwist als erste Band wieder pünktlich. Wir gehen rein mit dem ruhigen Opener ihres letzten Albums „Into Love / Stars“, der eigentlich absolute Stille verdient hätte – egal, nach gut zwei Minuten setzt der treibende Beat ein, und die Welt um uns bleibt jetzt für ein Konzert lang außen vor. Eingenommen von diesem eingespielten Organismus, der mit jeder Begegnung auf’s Neue zu beeindrucken weiß. Die Live-Qualitäten dies- und jenseits der Maifeld-Bühnen wurden auf dem Gigblog zu Genüge gewürdigt. (Jedes Wort verlinken?) Das Zirkuszelt bietet eine perfekte Szenerie für das Soundspektakel dieser Gruppe, ich erinnere mich an Konzerte im Münchner Circus Krone, zuletzt wunderbar illustriert von Senor Burns, der auch ein Poster für den Maifeld Derby-Abend gestaltet hat. (Restexemplare mit vierzehnbeinigem Pferd im Shop!) Die Songfolge hält nach den vergangenen Konzerten keine Überraschung bereit, wir erleben ein bewährtes Programm mit allen Ecken, Kanten und Improvisationsräumen, die den Reiz dieser Konzerte ausmachen. Selbst das andächtige und bisher nur als Compilation-Beitrag veröffentlichte „Who We Used to Be“ bleibt im Festivalset und lädt zu einem Moment der Besinnung ein. Es wird wie immer kaum geredet, die verbindende Universalsprache ist Musik, „And all of a sudden / you are one with the freaks“. Die Acher-Brüder konnten ihr eigenes Festival „Alien Disco“ zuletzt nur mit Crowdfunding und viel Engagement sichern. Community und Herzblut in Reinform, wo wenn nicht hier.

Ich finde mit jedem Notwist-Konzert mehr Freude daran, neue Perspektiven auf die Band zu suchen und sitze auf der Tribüne, um das Schauspiel aus der Ferne zu betrachten. Der Sound ist auch hier glasklar, die bandeigenen Soundtechniker kennen ihr Handwerk. Als Pointe am Mischpult ein Video-Anruf während „Pick up the phone“. Macht er das immer? „No Matter what we say / no matter what we think / we will never, never leave this room“ Ich habe das Gefühl, meine Lieblingsband zu betrügen, als ich während „This Room“ aufstehe und das Konzert verlasse. „Puzzle“ höre ich noch durch die Zeltwand. Das abschließende „Pilot“ lasse ich mir entgehen, samt des ausführlichen elektrifizierten Jams, der auch heute anders klingen wird, als all die bereits erlebten Iterationen. Ich verbleibe in Vorfreude auf das nächste Mal. Ein guter Platz im Parcours d’Amour, mit Konstantin Gropper & Friends gehen hier und heute vor.

Konstantin Gropper And Friends

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Chris) So viele Festivalbesucher:innen hat der immer wieder geliebte „Parcours d’amour“ noch nicht allzu häufig gesehen. Dicht besetzt sind die Reihen mit den klassischen Schalensitzen, da es kein großes Geheimnis ist, dass bei „Konstantin Gropper & Friends“ Veranstalter Timo Kumpf mit dabei sein soll. Als Einlaufmusik erklingt aber erst einmal eine Panflöten-Version von „My Way“ und bevor ich mir die Frage allzu lange stellen kann, ob das ironisch gemeint ist, geht’s schon los.

Von Beginn an ist die Opulenz der vergangenen Alben „LOVE“, „THE HORROR“ und „AMEN“ von Get Well Soon zu erkennen Groppers Band-Projekt, mit dem er es zu einer durchaus veritablen Bekanntheit gebracht hat. Charakteristisch ist hierbei seine sonore, meist in den tieferen Lage befindliche Stimme, die bei den ersten Songs des Sets auch wunderbar präsent ist und mir auch heute wahnsinnig gut gefällt.

Als zweiter Gast kommt schließlich Timo Kumpf als Gast am Bass auf die Bühne und die erste Runde Standing Ovations flutet durch den Parcours. Und vielleicht mag es ein verzerrter Eindruck gewesen sein, aber es hörte sich so an, als ob der Regler für den Bass von nun an nochmals deutlich nach oben geregelt wurde. Und so entwickelt sich der anfangs tolle Sound nicht zum einzigen Male im Verlauf der drei Tage nicht zum Positiven, sodass Groppers Stimme zu weit in den Hintergrund gerät und alles etwas schwammig wird.

Nachdem Sebastian Brödner wieder den Bass übernimmt, werden nochmals ein paar Songs aus dem Œuvre von Get Well Soon gespielt (unter anderem Filmmusik zur Netflix-Produktion „Wir können nicht anders“, aber die Intensität und Klarheit der ersten Songs des Sets werden leider nicht mehr erreicht.

Franz Ferdinand

MAIFELD DERBY, Tag 2, 31.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Chris) Der Headliner am Samstag ist sind Franz Ferdinand. Auch in den vergangenen Jahren setzte man beim Besetzen der Headliner gerne auf eine der Bands der Indie-Hochphase der Nullerjahre. Gegenüber The Wombats, Phoenix oder den Editors versprühen die Schotten aber doch noch etwas mehr den Charme der Grandsegneurs. So gehen sie das Set auch an: immer geradeaus und vertrauend auf die Wucht der…genau, da sind sie unüberhörbar, die E-Gitarren. Das ist schon alles ganz fein und der berühmt tolle Wechsel zu Halftime bei „Take Me Out“ sorgt für den ersten Getränkewurf in den ersten Reihen. Spätestens bei „The Dark Of The Matinée“ werden wahrscheinlich noch einige dazugekommen sein – aber da bin ich dann doch schon einigermaßen erschöpft auf dem Weg ins Hotel, Energie tanken für den allerletzten (?) Maifeld-Derby-Tag.

Maifeld Derby

Theodor

Sophia Kennedy

King Hannah

Die Höchste Eisenbahn

The Notwist

Konstantin Gropper And Friends

Franz Ferdinand

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