MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Dieses Festival ist zu einem geliebten jährlichen Ritual geworden, das nun endet, um das rosa Steckenpferd im Raum gleich anzusprechen – das ist unfassbar schade! Das ist nicht der Moment und der Ort, all die bekannten möglichen Ursachen noch einmal wiederzukäuen (fehlende öffentliche Förderung, Angebot an anderen Festivals, verändertes Ausgeh-Verhalten usw.), die zu diesem Ende nach der 14. Ausgabe geführt haben. Fest steht, für viele Musikliebhaber:innen aus der Region Stuttgart ist das Maifeld Derby zu einem perfekten Ziel geworden, um Musik vieler Genres zu hören und zu entdecken; um drei Tage inmitten von unfassbar netten und umsichtigen Menschen zu verbringen, die genauso viel Lust haben, sich auf ihnen unbekannte Bands einzulassen und diesen eine ebenso eine grandiose Stimmung zu bereiten wie den Headlinern am Abend. Kommen wir nun also zu unserem letzten großen Bericht und bewahren uns die Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht das letzte Maifeld Derby gewesen sein wird.

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Ein paar kleinere Beobachtungen noch, bevor wir zur Musik kommen. Erfreulicherweise schien an diesem Freitag mehr los zu sein, als an den Freitagen der vergangenen Jahre. Ob es dieser Umstand war, der zu einer erheblichen Schlange beim Einlass, beim Umtauschen der festival-eigenen Währung und an der Trinkwasser-Anlage kam? Jedenfalls war meine Enttäuschung nach der Ankunft riesig, da es den heiß geliebten Maracuja-Zitrone-Cider von „Der Wilde Hirsch“ dieses Jahr nicht gab und ich geradeso noch dem Impuls verwehren konnte, sofort wieder heimzufahren – zum Glück, sonst wären mir folgende musikalische Eindrücke verwehrt geblieben.

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Da ein solches Festival immer auch ein innerer Kampf gegen den (sinnlosen) Versuch ist, möglichst viele Acts zu sehen, ist es umso besser, dass auch Holger und Max sich spontan bereit erklärt haben, einige ihrer Eindrücke textlich festzuhalten. Über Michas fotografischen Eifer bei Festivals können wir wieder einmal nur staunen und unseren Sonnenschutz ziehen!

Pearl & the Oysters

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Dass Fotograf Micha nicht nur wahnsinnig tolle Bilder macht, sondern auch Lieferant für treffende Kommentare zu Bands ist, zeigt gleich unser erster Band-Auftritt am Freitag bei Pearl & The Oysters im großen „Palast-Zelt“: „Der Bass walkt uns ins Festival.“ Dem ist nicht zu widersprechen und es ist dann fast ein Klischee, dass die Band mit diesem fluffigen Sound aus Kalifornien kommt. Das ist angenehme Sommer-Musik, die perlt wie das erste „Woinemer“. Die Oysters lassen mich jedenfalls in eine beseelt, schon ziemlich verschwitzte Stimmung verfallen. Gesang, Bass, Gitarre, Stage-Piano und eine dezent eingesetzte Querflöte lassen mich kurz darüber nachdenken, ob das manchmal anstrengende Leben dazu führt, dass ich vermehrt Musik verfalle, die im ersten (und manchmal auch im zweiten) Eindruck nicht allzu komplex ist. Diese Überlegung schiebe ich dann aber für die nächste groovende Basslinie von Jonathan Rivera und dem sommerlichen Gesang von Juliette Pearl Davies rasch beiseite und denke – so kann es gerne weitergrooven.

Nand

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Schon bald stellt sich ein altbekanntes Festival-Phänomen ein: Ein vorab als interessant eingestufter Act (in diesem Fall Kate Bollinger) löst bei mir nach zwei Songs keine große Begeisterung aus, weshalb es zur parallel stattfindenden Alternative auf der großen Open-Air-Bühne geht, zu Nand. Ein Mix aus NNDW- / Deichkind-Sound und Retro-Atzen-Musik, mit Sänger Ferdinand Kirch in Adidas-Hose und trompete-spielend – ziemlich mein Ding, wobei es die Trompete rausreißt. Insgesamt ist das sehr tanzbar und sehr unterhaltsam. So erklingen im weiteren Verlauf des Auftritts nicht nur meine damals törichterweise konsumierten 90er-Sounds, sondern tatsächlich wirklich tolle Trip-Hop-/Ambient Sounds mit einem Walter-Scholz-Gedächtnis-Solo. Was seine Aussage genau zu bedeuten hat, dass dies der letzte Auftritt mit seiner Band sei, ist nach kurzer (sehr kurzer) Internet-Recherche für mich nicht herauszufinden – wer da mehr weiß, gerne in die Kommentare schreiben.

Yerai Cortés

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
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Holger hier. Da der gute Chris nicht überall sein kann, übernehme ich mal kurz. Der Parcours d’Amour, die schönste Reitarena im Festival-Business, ist immer für Überraschungen gut. Mit Yerai Cortés steht ein Solo-Flamenco-Gitarrist auf dem Timetable (Welches andere indielastige Festival wagt solche Bookings?) und die Tribüne ist voll. Denn die Maifeld-Crowd weiß schon längst: Hier könnte etwas Besonderes geschehen. Und genauso ist es. Der – angesichts der Menschenwand, die sich vor ihm auftürmt – etwas schüchtern dreinschauende Spanier verzaubert bereits nach wenigen Minuten mit seinem unfassbar virtuosen und gefühlvollen Spiel. Die Nylonsaiten werden derart intensiv bearbeitet, dass kaum auffällt, dass er hin und wieder dazu elektronische Sounds oder Field Recordings einspielen lässt. Für Flamenco-Puristen vermutlich ein Graus, ebenso wie seine teils avantgardistische Dekonstruktion von Rhythmus und Melodie. Auf der Tribüne absolute Stille und Staunen. Das Ganze mündet in stehende Ovationen und wir erinnern uns wohlig, wie letztes Jahr an gleicher Stelle dem Schweizer Akkordeonisten Mario Batkovic eine ähnliche Sensation gelang. Und damit zurück zu Chris.

Zimmer90

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Die drei Musiker von „Zimmer90“ legen mit einem satten, klaren Sound los (was nicht bei allen Acts in diesen drei Tagen bescheinigt werden kann) – weniger verspielt als die Oysters, aber unfassbar perlend. In Stuttgart gegründet, bei mir nur mit jeweils zwei Songs („Summer Rain“ und „feel like we used to“) auf zwei Jahreslisten auf Spotify, aber noch nie live gesehen. Schon da war klar, dass die Band ihre Alben von „The Whitest Boy Alive“, „Metronomy“ und anderen, eingängig studiert haben und deren Sound mit noch mehr Zurückgelehntheit ergänzen. Die Melodien und Basslinien sind einfach, aber unglaublich angenehm zu hören und schwebend zu tanzen. Klingt alles ein bisschen so, als ob kein musikalisch rechter Winkel bei diesem Set vorkommen soll, was mich hier aber nicht weiter stört; ebensowenig die offensichtlich addierten Gitarren-Sounds.

Warhaus

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Im Gegensatz zu Zimmer 90 an gleicher Stelle wird bei Warhaus zunächst nicht die Base-Drum auf vier Viertel durchgespielt, nur um drei Songs später genau das zu machen – aber mit einer Mischung aus Coolness und Pathos, die fantastisch ist. Und auch sonst ist es faszinierend, wie viele Elemente und musikalische Versatzsstücke bei dieser unfassbar eingespielten Band ineinandergreifen. Dazu die eindringliche, aber coole Stimme Maarten Devolderes, die mich schon 2014 im Schocken als Frontmann von Balthazar in den Bann gezogen hat. Im hellblauen Anzug nimmt er den vorderen Bereich der Bühne ganz für sich ein und schafft es dabei, das Publikum im wortwörtlichen Sinn zu dirigieren. Bombast trifft Spiefreude trifft Extravaganz trifft ausgefallenes Songwriting trifft Raffinesse. Wahnsinn! Exemplarisch dafür steht die hynothische Live-Version von „Zero One Code“, das in einem von Posaune und Trompete unterstützten opulenten Stakkato mündet. Es wird mit Sounds nicht experimentiert, es wird zelebriert. Und dabei bleibt doch eine gewisse Eingängigkeit nicht außen vor. Für mich das Highlight des Festivals und ich kann eine mir nahe stehende Person absolut verstehen, die nach dem Auftritt sagt: „Jetzt können wir eigentlich auch heimfahren.“

Kraftklub

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

(Hier übernimmt mal kurz Gig-Blogger Max)

„Dem Anti-Intellektualismus im deutschen Pop wird 2010 ein neues Fohlen geworfen: Kraftklub aus der Sachsenstadt Chemnitz“

– dieser Pferde-Metaphorik in der laut.de-Biografie nach liegt die Nähe dieser Band zum Maifeld Derby auf der Hand, die klare Haltung und mitreißende Erscheinung tut ihr übriges. Abgesehen davon hatte mit der Ankündigung eines Überraschungs-Headliners dieser Dimension wohl niemand gerechnet. Dieser Coup ist der Band und dem Booking hoch anzurechnen, unterstrich es letztlich auch nochmal den Respekt und die Hochachtung vor diesem liebgewonnenen Festival.

Der besonderen Konstellation zum Trotz waren keine zurechnungsfähigen Gigblog-Redakteur*innen vor der Hauptbühne. Ich hatte ebenfalls mit Eefje de Visser andere Prioritäten gesetzt und bereue es nicht, auch wenn wir den Augenzeugenberichten und Fotos nach einen überzeugenden Abriss verpasst haben. Der Gigblog wünscht der Band ein fünftes Nummer-Eins-Album und über das (noch nicht ausverkaufte) Konzert am 17.3.2026 in der Stuttgarter Schleyerhalle wird jemand schreiben, OK?

(Und hiermit zurück zu Chris)

Eefje de Visser

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Die Tribüne des Parcour d’amour vibriert vom Bass, allerdings nicht von den parallel spielenden Kraftklub, die als Überraschungs-Act auf der OpenAir-Bühne spielen, sondern von den einerseits zurückgenommen, dann wieder groß inszenierten Songs der Niederländerin Eelfje de Visser, die hauptsächlich von ihrem aktuellen Albums „Heimwee“ stammen. Alle Songs werden von einem Tonbandgerät, das auf der Bühne steht, eingespielt Dazu singt sie und spielt bei manchen Songs Gitarre. Der Auftritt wird mit der Zeit immer stärker, ebenso ihr Auftreten auf der Bühne immer selbstsicherer. Ein visuelles und akustisches Ereignis scheinen ihre Auftritte mit Band zu sein und auch auf der kleinen Bühne weiß sie ihre Songs eindrucksvoll in Szene zu setzen. Dabei ist ein Highlight das Bühnenlicht, bei dem sie mal wie aus zwei Perspektiven erscheint oder auf einer nicht bestrahlten Bühne mit in den Händen befindlichen Scheinwerfern hantiert.

Zaho de Sagazan

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
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Und den letzten Act übernehme nochmal ich, Holger. (Wenn Stuttgarts stadtbekannter Konzertfranzose seine über Jahre demonstrative Maifeld-Abstinenz ablegt und für nur einen einzigen Act nach Mannheim reist, dann ist wohl etwas ganz Besonderes zu erwarten.) Zugegeben, das Geraune über Zaho de Sagazan, den neuen Superstar aus Frankreich, war mir auch schon zu Ohren gekommen, aber wirklich vertraut war ich mit dem Œuvre der gerade mal 25-jährigen Zaho Mélusine Le Moniès de Sagazan nicht. Und was soll ich sagen? Alle Lobpreisungen sind wahr. Was die Chansonnière aus Saint-Nazaire mit ihrer vierköpfigen Band hier zum Besten gibt, verleitet auch mich zu Superlativen. In einem Spektrum von filigranen Balladen, über unwiderstehlich eingängige Synthwave-Popsongs bis hin zu einem infernalischen Elektro-Techno-Finale beweist die Französin ihre ganze Klasse und Wandelbarkeit. Das ganze in einem überausstilvollen Bühnenbild voller dekorative anrrangierter Analgo-Synthesizer-Modulen.

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
Foto: Michael Haußmann

Die Ansprache ans Publikum gerät, ob der Sprachbarriere, sympathisch ungelenk und das Mitsingen ihres Hits „La Symphonie des Éclairs“ ist beim wenig frankophonen Publikum auch eher zurückhaltend. (Nicht auszumalen, wie das wohl auf Konzerten in Frankreich sein muss). Das tut dem spektakulären Verlauf des Gigs aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, mit ihrer Authentizität und Charme nimmt sie das Publikum vollends für sich ein. Ich lasse mich jedenfalls komplett mitreißen und versteige micht hinter zum etwas schiefen Vergleich „Billie Eilish trifft auf Edith Piaf“. Für uns jedenfalls das fulminante Ende des ersten Festival-Tages und ich frage mich, wird das an kommenden zwei Tagen noch zu toppen sein?

MAIFELD DERBY, Tag 1, 30.05.2025, MVV Reitstadion, Mannheim | Foto: Michael Haußmann
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Maifeld Derby

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