DELVON LAMARR ORGAN TRIO, 26.05.2025, Bix, Stuttgart

Der Gigblog ist ja mindestens so aktiv wie eh und je, und wir stecken unsere Konzertnase in so viele Gigs wie möglich – aber in Stuttgarts feinstem Jazzclub Bix waren wir tatsächlich schon seit 2018 nicht mehr? Dabei hat der „schicke und moderne Club mit Live-Jazz“ (Eigenwerbung) ein nachhaltig hochwertiges Programm zu bieten – durchaus nicht nur für Jazz-Fans.

Die Konzertsituation ist allerdings nicht ganz optimal, denn auf den teureren Sitzplätzen in Bühnennähe diniert man in bequemen Clubsesseln, während es auf den billigen (will sagen: wirklich fair bepreisten) Stehplätzen in Foyer und Treppenaufgang doch recht eng ist. Für Musiker*innen ist diese Konstellation vielleicht auch nicht so optimal – gerade beim Konzert des Delvon Lamarr Organ Trio hätte man sich vielleicht doch etwas mehr tanzbare Nähe zur Band gewünscht. Dafür ist der Sound auch ganz hinten brillant, es gibt Video-Übertragungen in die entlegeneren Ecken der eleganten Location und auch die Getränkeversorgung funktioniert im Gedrängel erstaunlich gut.

Orgel-Wizzard Delvon Lamarr war mit wechselnden Musiker*innen schon mehrfach im Bix zu erleben, Dabeigewesene berichten von ausufernden Sessions – und auch diesmal hatte die Band eine ausgiebige Setlist und teils eskalierende Langversionen vor allem von Coversongs im Programm. Dazu später mehr.

Zur historischen Einordnung: Soul-Jazz mit Hammondorgel war in den 1960ern mal richtig hip. Hard Bop, Rhythm & Blues und Soul wuchsen zu einem ausgesprochen funky tanzbaren Sound zusammen. Dass der ausgerechnet auf der recht unhandlichen Hammond B3 so erfolgreich wurde, mag ein historischer Zufall sein, vielleicht lag es aber auch an Orglern mit so hohem Unterhaltungswert wie Jimmy Smith, Brother Jack McDuff, Jimmy McGriff oder Richard „Groove“ Holmes.

Deren Sound greift Delvon Lamarr ziemlich nahtlos auf. Er spielt ein furniertes Instrument mit rotierendem Leslie-Lautsprecher, der einst speziell für Hammond-Orgeln entwickelt wurde. Er erzeugt seinen typischen, vibrierenden Klang durch zwei sich drehende Elemente: ein Hochtonhorn und einen Bassrotor. Durch die Rotation entsteht der Dopplereffekt, der dem Klang Bewegung, Tiefe und Tremolo verleiht.

Gleich zu Beginn stellt der gutgelaunte, witzige und charmante Leader seine noch recht neuen Bandmitglieder vor – übrigens beide via TikTok gecastet, wie er stolz zum Besten gibt. Gitarrist Brice Calvin wird – wohl wegen hippieeskem Bart, Frisur und Black Sabbath-Shirt – als Wiedergänger von 1974 vorgestellt, Kollegin Ashley Ickes als Rockstar aus den 90ern.

Beide erweisen sich als technisch brillant: Die Gitarre hat mit lässiger Eleganz die coolsten Vintage-Sounds drauf und verleiht dem Auftritt einen angenehmen Daptone-Vibe (man erinnert sich an Sharon Jones &The Dap Kings und Charles Bradley) – von schnittig bis säurehaltig. Drummerin Ickes pflegt einen in diesem Kontext sehr vorteilhaft defensiven Trommelstil – präzise und unaufgeregt funky auf den Punkt.

Denn im Mittelpunkt steht natürlich die Hammond B3 des Meisters. Der ist Showman und Virtuose zugleich, bedient mit den Füßen die Basspedale und entlockt dem Instrument mit seinen flinken Fingern die ausdrucksstärksten Töne. Der Groove kommt dabei nie zu kurz, denn hier gehen Funk & Soul Hand in Hand – so richtig jazzig ist dieser Sound eigentlich gar nicht. Das erkennt man auch an den ausgewählten Coverversionen, die gerne in extralangen Versionen mit raumgreifenden Improvisations-Parts präsentiert werden: „Can’t Hide Love“ von Earth, Wind & Fire, „Move On Up“ von Curtis Mayfield, „Ain’t It Funky Now“ von James Brown und „Papa Was A Rolling Stone“ von den Temptations sind auch hier hypnotischer, teils psychedelischer Funk mit dickem Blaxploitation-Bonus – der eben ein tanzfreudiges Publikum vor der Bühne verdient hätte. So springt der Funke für meinen Geschmack nicht so richtig über – vielleicht räumt das Bix-Team ja beim nächsten Konzert von Devon Lamarr einfach die Möbel raus?
