ALBERT JUNG, LEO SAREIKE, MARIO BATKOVIC, ANDREAS DORAU & MONDO SANGUE, PALES, BEAKS, UNBITE, About Pop Club Festival, 17.05.2025, Div. Locations, Stuttgart

Joe Whirlypop vollbringt am Club-Samstag der About Pop eine logistische und organisatorische Meisterleistung und berichtet von sieben Gigs an sechs Locations.

Albert Jung @ Institut Francais

Keine klassische Konzertlocation: Der kleine Veranstaltungssaal des Institut Français, aussichtsreich über dem Berliner Platz gelegen. Dafür steht ein Bösendorfer Konzertflügel für den französischen Singer/Songwriter Albert Jung bereit. Der präsentiert seine überwiegend traurigen Liebesschmerzlieder ganz allein, an Piano und akustischer Gitarre. Das lässt seine intensive, leicht larmoyante Stimme umso besser zur Geltung kommen. Sein Songwriting ist wesentlich reifer als man dem noch jungen Mann zutraut. So erweist sich die eher nüchterne Location als perfekter Rahmen für intensiv-emotionale Songs, die zweifellos ein größeres Publikum verdienen und garantiert auch finden werden.

Leo Sareike @ Stadtbibliothek

Einer meiner Stuttgarter Lieblingsorte erweist sich auch als Konzertlocation tauglich. Leo Sareike und ihre Band spielen in der Stuttgarter Stadtbibliothek nämlich nicht unten im imposanten Raum der Ruhe, sondern im noch schöneren oberen Atrium, das mit seiner Treppenarchitektur über vier Etagen sogar ein bisschen eschersche Labyrinthik verheißt und dem Publikum viele wechselnde Perspektiven bietet.

Die junge Sängerin ist zwar auch als Techno DJ Leo Tiger unterwegs, spielt hier mit kleiner Band aber eleganten Smooth-Jazz, wie ich ihn aus den 80ern kenne. Ihre klare Stimme überzeugt ebenso wie der gewollt slicke Sound ihrer Band, was im großen Saal angenehm unaufdringlich zur Geltung kommt.

Mario Batkovic @ Stadtbibliothek

Das Akkordeon ist mit seiner oft klischeeschweren Platzierung und weinerlichen Rührseligkeit nicht unbedingt mein Lieblingsinstrument – dachte ich bis jetzt. Was der Schweizer Virtuose Mario Batkovic aus seiner Quetschkommode herausholt, lässt mich dann doch ergriffen staunen. Da steckt fast ein ganzes Sinfonieorchester drin, vor allem die mächtigen Basstöne füllen die Bibliothek mit gravitätischer Tiefe.

Auch die Inszenierung stimmt, Batkovic erweist als verschmitzter Performer, der es schafft, sein Publikum mit rein instrumentaler Musik zu fesseln. Stilistisch oszilliert sein Sound zwischen minimalistischer Neoklassik und cineastischer Opulenz – alles ohne unterstützende Effekte imposant in Szene gesetzt.

Andreas Dorau & Mondo Sangue @ Park der Villa Reitzenstein

Viel idyllischer, aber auch mit politischer Symbolkraft, kann man in Stuttgart wahrscheinlich nicht auftreten. Der lauschige Garten um den Regierungssitz von MP Kretschmann bietet für das Konzert von Andreas Dorau einen ebenso ungewöhnlichen wie stimmungsvollen Rahmen.

Umgeben von Tulpen und Narzissen und in relaxter Picknickatmosphäre präsentiert der jung gebliebene Rheinländer seine poppigen Dancefloorschlager und inszeniert unbefangen seine scheinbar ewige Jugend. Dramaturgisches Highlight ist der kurze Gastauftritt der Stuttgarter Filmmusik-Helden Mondo Sangue – majestätisch auf Kretschmanns Sommerbalkon platziert und von Yvy Pop und Christian Bluthardt mit glamouröser Grandezza zelebriert – was für ein Auftritt!

Pales @ Laboratorium

Am späten Nachmittag ins auch ansonsten ja eher betuliche Laboratorium im Stuttgarter Osten zu einer gänzlich unbekannten Band aus Straßburg? Ob da überhaupt jemand hingeht? Als ich nach knapp verpasstem Start ins Lab komme, kann ich es kaum glauben: Keine Stühle vor der Bühne, schummriges Licht und der Laden brechend voll mit überwiegend jungen Menschen in Partylaune.

Und dann erst diese Band! Pales sind vier junge Typen, zwei Gitarren und eine atemberaubende Sängerin. Ihre expressive, aber nie zu dick aufgetragene Performance beeindruckt mich fast so sehr wie ihre umwerfende Stimme: eher dunkel und kristallklar mit deklamatorisch-coolem Sprechgesang, der dann aber immer wieder in explosivstes Shouting mündet. Die extrem schneidenden Gitarren sekundieren krachend mit splitternden Gang Of Four-Riffs und der Drummer pusht den Beat mit treibendem Disco-Hi-Hat. Wow, was für ein Brett!

Das Publikum geht steil, zum wahrscheinlich ersten Mal gibt es im Lab ein Moshpit. Pales präsentieren sich als radikale  Freestyler zwischen Postpunk, Noiserock, Industrial und DFA-Groove, selten hat mich eine junge Band auf Anhieb so umgehauen, wie auch der gesamte Laden nach dem furiosen Auftritt völlig außer Atem und aus dem Häuschen ist.

Beaks @ Merlin

Wie gut der zweite Festivaltag funktioniert, lässt sich auch daran erkennen, dass fast alle Konzerte bestens besucht, teils brechend voll sind. Auch im Merlin im Stuttgarter Westen drängeln sich überwiegend junge Leute bis ganz hinten an der Theke.

Auf der Bühne dreht sich bei Beaks aus Wien alles um die faszinierende Chanteuse Anna Francesca, deren androgyne Coolness alle Blicke auf sich zieht. Ihr lasziver Gesang erinnert mich an Kim Gordon und Amanda Lear, als Typ vereint sie fast schon Nico und Lou Reed in einer Person.

Dazu spielt ihre Band einen angenehm schlanken Postpunk-Sound, sehr transparent, mit kleinen Cure-Riffs und kompaktem Groove. Gerade als ich beginne, die Songs etwas gleichförmig zu finden, beweist die Band auch explosive Dynamik und Anna Francesca geht souverän in den Shoutermodus über, durchaus in Richtung Amyl & The Sniffers. Beaks könnten durchaus noch deutlich größer werden.

Unbite @ Goldmarks

Leider war unser rasender Reporter schneller als alle Fotografen. Deshalb gibt es bedauerlicherweise keine Fotos von Unbite. :(

Das Finale eines ereignisreichen Festivaltags kann natürlich nur im Goldmarks stattfinden. Draußen füllt sich der DJ-beschallte Biergarten, drinnen drängeln sich schwitzende Menschen in Stuttgarts bestem Gitarrenkrachladen. Local Heroes, die diesen Titel wirklich verdienen, sind Unbite – Stuttgarts Finest in Sachen Noiserock. Ich durfte sie schon oft live erleben und kann garantieren: Sie werden immer noch ein bisschen besser.

Für mich sind sie die schwäbischen Helmet und Jesus Lizard, mit brachialem, aber doch kompaktem Sound. Laut & druckvoll, mit herben Breaks zum Headbangen, fiebrigem Beat und roher Kraft. Der Laden ist brechend voll, alle sind begeistert, die Band hat’s verdient.

Albert Jung

Leo Sareike

Mario Batkovic

Andreas Dorau & Mondo Sangue

Pales

Beaks