SEDLMEIR, 19.04.2025, clubCANN, Stuttgart

Seit meinem ersten Sedlmeir-Konzert sind sage und schreibe elf Jahre vergangen. Damals habe ich ihn bei einem Kinderzimmer-Konzert einer Stuttgarter Konzertveranstalterin gesehen, dazwischen mehrfach in der Bar in der Augustenstraße, im Galao und in anderen Wohnzimmern. Und wenn ich eines gelernt habe: Je herausfordernder die Rahmenbedingungen sind, umso mehr dreht der Berliner Alleinunterhalter auf.

Insofern wäre im Backstage-Club des clubCANN, der Wohnzimmer-Atmosphäre mit Hammer-Bühnentechnik kombiniert, wohl eher ein flauerer Gig zu erwarten. Zumal der Künstler ankündigt, wenn der Gig-Blog da sei, werde er extra schlecht spielen.

Während vor dem Jugendhaus die Frühlingsfest-Massen vorbeitorkeln, füllt sich der Club zu etwa einem Drittel. Darunter allerdings einige beinharte Sedlmeir-Fans, die er mit unermüdlichem Touren um sich gesammelt hat. Für seine Show benötigt Sedlmeir nur eine Gitarre, einen Laptop für Playback und Videos, einen Minibeamer und einen Schellenkranz. Das Mini-Setup kontrastiert er wie immer mit übertrieben großen Rock’n’Roll-Posen, großmäuligen Ansagen und seinem schon fast zur Marke gewordenen roten Hemd mit schwarzer Krawatte.

Sein nagelneues Album Befehl aus dem Weltraum I & II, erschienen beim Kult-Label „Grand Hotel van Cleef“, macht einen guten Teil der Setlist aus. Und das ist gut so, denn es beinhaltet einige Songs, die sich mühelos bei meinen Sedlmeir-Lieblingssongs einreihen können. „Lupen-Rainer“ oder „5000 Hüte“ sind skurrile Miniaturen, die mich in ihrer liebevoll verschrobenen Themenwahl an die der Liga der Gewöhnlichen Gentlemen erinnern.

Aber natürlich hat er auch viele ältere Hits aus seinem inzwischen recht opulenten Œuvre im Programm. Immerhin zehn Alben hat er in den letzten zwanzig Jahren herausgebracht. Das punkige „Schande“ befindet sich eindeutig am härteren Ende seiner Skala von Punkrock über Pop zu Schlager; und Sedlmeir lädt nicht freundlich zur Interaktion ein, er pflaumt das Publikum an, jetzt mal gefälligst den Refrain mitzusingen. Dabei braucht es diesen Impuls überhaupt nicht, die treuen Fans wissen ohnehin, was zu tun ist.

Weiteres Highlight im Programm: „Richtlinien für junge Männer“.

So müssen junge Männer sein
Eisgekühlt im Sonnenschein
Maßlos, aber gut gekleidet
‚Nen inneren Blumenstrauß dabei
Immer nie was unterschreiben
Gerade bleiben
Leben ohne CDU
Niemals bei den Rechten sein, dann lieber allein

Zu meinem Bedauern hat er seine Hits „Senioren gegen Faschismus“ und „Sommer im Berlin“ heute nicht auf dem Programm, aber glücklicherweise gibt es bald eine Gelegenheit, diese Lücke zu schließen. Denn Sedlmeir wäre nicht Sedlmeir, wenn er nicht mindestens zweimal im Jahr vorbeischauen würde. Am 27. September ist er zu Gast in der Kulturwirtschaft HamburgSüD in Kemnat, die mit ihrem beeindruckenden Booking ohnehin auf unserer Liste der unbedingt mal zu besuchenden Locations steht. Tipp: Am nächsten Freitag, 25. April ist dort übrigens die Hamburger-Schule-Legende Bernadette La Hengst zu Gast!

Sämtliche Befürchtungen, dass der Gig unter den gerade perfekten Bedingungen im clubCANN nicht den typischen Sedlmeir-DIY-Charme entwickeln könnte, waren übrigens gänzlich unbegründet. Künstler und Publikum befeuern sich gegenseitig und die Stimmung ist bombe. Und vor allem beweist Sedlmeir mal wieder, dass Humor in der Popmusik doch funktionieren kann. Zumindest dann, wenn er – wie bei ihm – knochentrocken und clever ist.