JAZZANOVA, THE KBCS & FLO MEGA, 16.04.2025, Theaterhaus, Stuttgart

Bin etwas ratlos, weshalb der Gigblog in all den Jahren fast nie bei den Theaterhaus Jazztagen dabei war – findet aktuell doch die bereits 35. Ausgabe statt. Im Gegensatz zu den Jazz Open, dem ebenso sponsorenschweren wie massentauglichen großen Bruder auf dem Schlossplatz, geht es im Theaterhaus zwei Wochen lang tatsächlich um Jazz in unterschiedlichen Facetten. Wobei gerade dieser Abend bei konservativen Jazzheads die Nerven doch ein bisschen strapaziert.

Wie immer eröffnet der langjährige Theaterhaus-Boss Werner Schretzmeier den Abend mit warmen Worten, muss diesmal allerdings das krankheitsbedingte Fernbleiben des Stars mit der mutmaßlich größten Strahlkraft verkünden: Thomas D von den Fantastischen 4 hat’s arg im Kreuz und kann leider nicht auftreten. Sein aktuelles Projekt um die Band The KBCs tritt mit Ersatzpersonal dennoch auf – dazu später mehr.

Denn heute gibt es im großen Saal ein Doppelkonzert mit nicht ganz kongruentem Zielpublikum. Beide Bands sind nicht gerade lupenreiner Traditional-Jazz, das Berliner Kollektiv Jazzanova fusioniert seit bald 30 Jahren unterschiedliche Styles zwischen NuJazz, Soul, Deep House, Brasil, Drum’n’Bass, Hip- und TripHop und was sonst noch lässig grooven kann. Bei Jazzanova fanden und finden DJs und Musiker, Remixer, Produzenten und Gastvokalist*innen zusammen – heute stehen gleich acht kompetente Leute auf der Bühne.

Team Gigblog sitzt – eher unüblich – via Pressetickets erste Reihe Mitte, was sich gerade bei diesem Konzert besonders lohnt – kann man in diesem kristallklar groovenden, crisp-souligen, perfekt ausbalancierten Sound regelrecht baden. Hier sitzt jeder Ton, mit eleganter Präzision werden die erlesensten Sounds ungemein flüssig präsentiert. Die klassische Rockquartett-Besetzung wird mit Tasten und Gebläse aufgefrischt, Gitarrist Christoph Bernewitz steuert auch diskret ein paar digitale Sounds und Samples vom Rechner ein.

Drummer Jan Burkamp gibt auch komplexeren Beats ein funky Fundament, Keyboarder Christoph Adams bedient die edelsten Vintage-Instrumente und entlockt ihnen butterweiche Sounds. Sein Gesang ist klassisch soulig, aber gewollt unaufdringlich – schließlich hat man mit dem jungen Vokalisten Wayne Snow noch ein Show-Ass im Ärmel.

Der Wahlberliner mit nigerianischen Wurzeln erweist sich als versierter Falsett-Souler auf den Spuren von Stevie Wonder und Michael Jackson und bildet einen warmen Kontrast zur reifen Sophistication der Jazzanova-Cracks. Der Sound im großen Saal ist absolute Champions League, die Band bestens aufgelegt und so gehen die 90 Minuten wie im Flug rum – mit den schönsten Referenzen zu „Too Slow To Disco“ und Compost-Produktionen aus den 90ern, zu Kruder & Dorfmeister und Acid Jazz. Das Programm wird um das eigentliche Jazzanova-Debütalbum „In Between“ gestrickt, das vor 23 Jahren erschienen ist – und sich als bestens gealtert erweist.

Kurzer Break, dann geht es mit den mir bis dahin unbekannten KBCs und ihren beiden rappenden Showmännern weiter. Das Fernbleiben von Local Hero Thomas D. scheint das Publikum tapfer hinzunehmen. Sein ebenfalls nicht unprominenter Vokalpartner Flo Mega übernimmt die Chefrolle im Ring. Seit vielen Jahren u.a. bei Four Musik beheimatet, verbindet er Soulgesang mit schnoddrigem Rap – nicht allzu fern von Jan Delay, würde ich sagen.

Die undankbare Zweitbesetzung am Bühnenrand übernimmt der nicht ganz so bekannte Gu, der seine Sache ganz hervorragend macht. Ein wenig Recherche ergibt schnell, dass Gu ein echter Tausendsassa ist. Rapper, Producer, Songwriter, dazu einer der führenden Funk-DJs im Land und Weggefährte des großen Henry Storch mit eigener auf 7-Inch-Vinyl spezialisierten Plattenfirma (Our Label). Auf der Bühne gibt er den coolen Rap-Gegenpart zum etwas prolligen Flo Mega, die beiden ergänzen sich prächtig.

The KBCs sind schon seit einigen Jahren am Start, haben auch ein Album beim Jazzanova-Label Sonar Kollektiv draußen und kollaborierten zuletzt mehrfach mit Thomas D. Auf der Bühne erweisen sie sich als klassische Funkband in angenehm konservativer Besetzung. Das hat ordentlich Schalldruck und reichlich Bass, weshalb sich einige gesetztere Besucher*innen schon früh verabschieden. Von Anfang an wird vor der Bühne im bestuhlten Saal getanzt und von einer harten Fanbase auch entschlossen mitgesungen, so richtig springt der Funke ins etwas träge Festival-Publikum aber dann doch nicht über.

Die HipHop-Nummern haben das kommerzielle Potenzial von Fanta 4, die souligen Vibes erinnern eher an Jan Delay, wie auch eine sehr coole Dancehall-Reggae-Nummer. Einen echten Hit haben die Burschen auch auf Lager: „Arm in Arm“ verbindet souverän Rock’n’Roll mit Northern Soul. Das letzte Konzertdrittel wird mit zu viel Midtempo-Soul statt fettem Mucker-Funk dann allerdings ein wenig zäh – aber vielleicht liegt’s auch nur an den berichterstatterlichen Konditionsschwächen nach zwei kompletten Konzerten hintereinander.
Die Jazztage laufen übrigens noch bis zum 26. April.
