SQUID, 14.04.2025, Manufaktur, Schorndorf

SQUID, 14.04.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
Foto: Steffen Schmid

In einer Rezension ihres 2021 erschienenen Debüt-Albums „Bright Green Field“ wurde die Musik der aus Brighton stammenden Band Squid, als extrem intensiv beschrieben, ja, dass sie sich geradezu nach einem Fieberwahn anfühlen würde. Beim Hören des Albums konnte ich mich diesem Urteil absolut anschließen. Spannend wird es heute Abend also bestimmt werden. Die Frage ist nur, können die fünf Musiker diese flirrende Intensität auch live erzeugen?

Doch zuerst betritt Martha Skye Murphy als Solo-Künstlerin, pünktlich um 20.30 Uhr, die Bühne. Und schon das Betreten ebendieser ist Teil ihrer Performance. Ihre tippelnden Schritte werden von Mikrofonen verstärkt und geloopt, Straßengeräusche und Glockengeläut werden eingespielt. Ein stakkatohaftes E-Piano-Spiel setzt ein und wird durch den ephemeren Gesang Murphys komplettiert, der dann ins theatralisch klagende kippt und mich in diesem Moment an Zola Jesus erinnert, allerdings ohne das zutiefst Treibende, das die Musik von Zola Jesus ausmacht. Das ätherische Schwebende von Martha Sky Murphys Set macht die Darbietung nur schwer fassbar. Dreampop meets Gothic, was dann in einem kurzen Gewitter Soundfile kumuliert. Irgendwie muss ich an den 1847 erschienenen literarischen Klassiker „Wuthering Heights“ von Emily Brontë denken; verzehrende Begierde und flehentliches Leiden in einer nebelverhangenen Landschaft im viktorianischen England.

Stöhnen und exaltiertes, gezwungenes Lachen lässt das Konzert leider zu einer nicht wirklich gelungenen Kunstperformance mutieren, der Auftritt kippt dann ins sehr artifiziell aufgesetzte und der Gesang ist in den hohen Tonlagen sehr strapaziös. Der Supportgig lässt mich recht zwiegespalten zurück, hat er doch gute Passagen, treibende Elemente und ein minimalistisch atmosphärisches E-Piano, aber bedauerlicherweise auch Momente, die in ihrer theatralischen Übertreibung nicht authentisch sind. Nach dreißig Minuten verlässt die Künstlerin grußlos die Bühne.

SQUID, 14.04.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Leider dauert es dann 45 Minuten, bis Squid vor dem zunehmend ungeduldiger werdenden Publikum die Bühne betritt.

Der Gegensatz zum Support könnte kaum größer sein. Von der ersten Sekunde an brandet ein massiv treibender Sound in die Manufaktur, das ganz große musikalische Instrumentarium wird aufgeboten. Hier ist nichts minimalistisch und von Theatralik keine Spur. Die erwartete flirrende Intensität ist sofort da. Schon die ersten Tracks sind von enormer Vielschichtigkeit geprägt. Post-Punk-Elemente verbinden sich mit experimentellen Klängen und jazzigen Versatzstücken. Da komme ich nicht umher, die etwas stark strapazierten Vergleiche mit Krautrockbands wie Neu! und Can heranzuziehen, aber ebenso aktuelle Acts wie zum Beispiel die ebenfalls aus England stammenden Black Country, New Road.

SQUID, 14.04.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Unterschiedliche Trompeten kommen zum Einsatz; Freejazz-Dissonanzen amalgamieren mit Post-Rock und Post-Punk-Rhythmen. Faszinierend, vielschichtig ist das, aber auch ziemlich anstrengend. Groovige Elemente, vibrierende Basslinien übernehmen die musikalische Führung, um nach kurzer Zeit wieder kakofon dekonstruiert zu werden, um dann wieder von hypnotischen Synthesizer-Linien eingefangen zu werden. Als Zuhörer gibt es hier keine Zeit, um mal Luft zu holen, bei all diesen polyphonen Schichtungen. Hier von Eklektizismus zu sprechen, wäre ziemlich untertrieben. Musikalisch ist das großartig, spannend allzumal, aber leider in Teilen auch sehr verkopft. Die Komplexität und die stetigen Tempi-Wechsel etwas zu reduzieren, würden dem Set guttun. Wäre es komprimierter, die Musik mehr verdichtet, könnte man mehr darin aufgehen, sich in den Klangraum fallen lassen. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, künstlerisch und handwerklich sind die fünf Musiker ohne Frage von außerordentlicher Qualität. Harmonien und Wohlklang in dieser Weise zu verbinden ist schon außergewöhnlich; ich bediene mich jetzt mal einer Aporie und beschreibe das als homogenen Eklektizismus.

SQUID, 14.04.2025, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Bei der Zugabe zeigt sich dann, wie mitreißend der gesamte Gig hätte sein können. Beim letzten Song „Narrator“ sind all die differenten Elemente von Squids Stilistik konzentrierter und mit einem einnehmenden Groove unterlegt, dem man sich nicht entziehen kann.

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