CARPET, TFNRSH, 29.03.2025, Club Zentral, Stuttgart

CARPET, TFNRSH, 29.03.2025, Club Zentral, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Carpet – Foto: Claus Kullak

Viel Weltuntergang aber wenig Konzerte in diesem gottlosen Jahr 2025 nach Christi Geburt, diese aber mit besonderer Musik. Oder wie will man z.B. das Konzert von Soyuz im Februar mit seinem so leichtfüßigen wie avantgardistischen Brazilpop sonst bezeichnen? Die Augsburger Carpet sind auch so eine Band, wo Qualität und Originalität eine Art von Musik hervorbringen, die nach niemand anderem klingt. Seit dem Erscheinen ihres Albums „Secret Box“ 2017 warte ich auf die Gelegenheit, Zeuge eines ihrer rar gesäten Konzerte zu werden.

Der Stuttgarter Konzert- und Eventkalender ist an diesem Samstag proppenvoll. Viel Konkurrenz, und trotzdem ist der Club Zentral angenehm gefüllt. Bestimmt auch ein Verdienst des Supports TFNRSH aka Tiefenrausch aus dem nahen Tübingen, der wohl einige Fans im Schlepptau dabei hat. Dabei bespielt das Trio ein musikalisches Feld, das nicht unbedingt leicht zugänglich ist. Gesungen wird nicht, und die Songs lassen sich Zeit. Für die Zugänglichkeit werden aber die melodischen Gitarrenmotive oft wiederholt, und in Sachen Harmonien bewegt man sich nicht auf komplizierten Prog- oder Jazzniveau. Der Grundakkord ist immer in Griffweite.

CARPET, TFNRSH, 29.03.2025, Club Zentral, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Carpet – Foto: Claus Kullak

Bei bestem Sound kann man festhalten, dass TFNRSH tightest aufeinander eingespielt sind. Keine Unsicherheiten bei Übergängen, bei Laut-Leise-Dynamiken wird an einem Strick gezogen. Der Mix aus Stoner-Rock, Psychedelic floydscher oder eloyscher Natur samt etwas Postrock kommt beim Publikum bestens an. Ich selber tu mich mit rein instrumentaler Musik etwas schwer, und würde mir manchmal etwas mehr disharmonische Ecken und Kanten, etwas mehr Überraschung wünschen. Nach über einer Stunde Spielzeit inklusive Zugabe aber ist klar, dass das eine absolute Minderheitenmeinung ist. Besser so, denn Begeisterung tut einer Konzertstimmung eindeutig besser als spitzfindiges Rumkritteln.

Blog-Kollege Fabian hatte mich vorab darauf aufmerksam gemacht, dass ich den Bassisten von Carpet schon mal als Gitarristen von Instrument gesehen hatte. Ich gab an, dass sei mir nicht erinnerlich. Allerdings hatte ich Unrecht. Das Konzert von Instrument habe ich gesehen und sogar für gut befunden. Nun ja, Bassist Hubert Steiner steht auf jeden Fall mit anderen vier Leuten heute Abend wieder in Stuttgart auf der Bühne. Und sie starten mit „Dead Fingers“ vom neuen Album gleich ungewöhnlich in den Abend. Wobei, jeder Song wäre ein ungewöhnlicher Einstieg, denn Carpet sind ungewöhnlich.

CARPET, TFNRSH, 29.03.2025, Club Zentral, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Carpet – Foto: Claus Kullak

Das harte Riff am Anfang wird alsbald von einem mellowigen Part abgelöst, geprägt von Maximilian Stephans Gesang. Dieser ist einer der besonderen Merkmale des Carpetschen Sounds. Seine weiche, über den Dingen melodische Art zu singen erinnert oft an Adrian Belew, dessen wiederum oftmals an die Beatles erinnernde Gesang bei King Crimson in einem ebenso ungewöhnlichen Klangumfeld stand. Letztendlich wird man in einem fünf Minuten Song nicht nur mit solchen Soundkontrasten konfrontiert, auch auf harmonischer Ebene werden bekannt klingende mit völlig otherwordly klingenden Akkordfolgen kombiniert, dass man gar nicht weiß: War das jetzt nicht eigentlich ein Popsong, oder doch Progrock?

Das flottere „Ghosts“ gibt den Leuten Recht, die Parallelen zu den ebenso einzigartigen Motorpsycho heraushören wollen. Mir gefallen besonders die Akzente, die das Rhodes Piano von Sigmund Perner setzt. Auch nicht unbedingt das erste Instrument, dass einem bei Progrock einfallen würde. Was auf Platte heraussticht, wird auch bestmöglich versucht live herüberzuretten. Die große Lust am feinen Arrangement. Sowohl das Gitarren- und Keyboardspiel, als auch die zweiten Stimmen und Percussionakzente von Maximilian Wörle bereichern die Musik immer um das richtige Maß, ohne alles zuzukleistern.

CARPET, TFNRSH, 29.03.2025, Club Zentral, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Carpet – Foto: Claus Kullak

Pale Limbs“ wird natürlich ohne die Augsburger Philharmoniker dargereicht, aber ein schöner Song bleibt ein schöner Song, auch ohne Streicher. Deutlich experimenteller mit kleinen jazzigen Parts ist „Man Changing The Atoms“. Auch hier schafft es die Band, dass man die fehlenden Soloinstrumente der Albumversion nicht vermisst. Die drängendste Frage, die sich mir schon beim Hören der Alben ständig stellt, kommt auch hier wieder auf. Wie kann es bei der all der Qualität und Originalität sein, dass nur so wenige Leute Carpet kennen? Ist das, was die Fans der Band als große Stärke der Musik empfinden, dieser ganz eigene Sound, eine Schwäche bei der Vermarktung? Für Popliebhaber zu versponnen und manchmal zu rockig, für Progrocker zu poppig, für Stoner-Rock-Fans zu weich und melodisch im Gesang?

Das fantastische „Cosmic Shape Shifter“ wirft diese Frage nochmal auf. Ein episches Stück, das einen auf die Reise nimmt, Halt macht bei tränenmachender Melancholie, um dann in einer apokalyptischen Riffwalze zu enden. Das ist Musik auf dem allerhöchsten Level, welche so viele Bedürfnisse, die man an Musik haben kann, abdeckt. Qualität die einen entgegenspringt. Die zwei Zugaben unterstreichen dies nochmal nachdrücklich. Man nimmt eine Mission als to-do nach Hause mit: Die Ungläubigen müssen zu Carpet bekehrt werden.

TFNRSH

Carpet

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