CHRIS IMLER, NEPTUNA, ANDREAS SPECHTL, 14.03.2025, Merlin, Stuttgart

Chris Imler, der unter anderem schon mit Die Türen, Peaches, Maximilian Hecker und Jens Friebe gespielt hat, ist mit seinem aktuellen Album „The Internet Will Break My Heart“ auf Tour und gastiert heute Abend gemeinsam mit Neptuna und Andreas Spechtl im Merlin.

Spechtl, Mitglied der Wiener Post-Punk Band „Ja, Panik“, eröffnet den heutigen Konzertabend. Sein Solo-Set beginnt unvermittelt mit minimalistischen und doch sehr massiven Beats aus dem Drum-Computer und die Gitarre erzeugt perfekte, noisige Klangflächen. Das geht schon mal mit einer ordentlichen Portion Intensität los und doch ist da auch eine unglaubliche Lässigkeit, bedingt auch durch den Wiener Akzent und, auch wenn ich jetzt ein Klischee bemühe, dem Schmäh. Von einer lakonischen, beiläufigen Eleganz ist Andreas Spechtls gesangliche Performance, die mich streckenweise an den immer wieder gleichgültigen und doch zornigen Gesangsstil von Mark E. Smith erinnert; ein moderat wütender Vortrag. Musikalisch treffen Discobeats, frühe Neue Deutsche Welle à la Xmal Deutschland und britischer Punk aufeinander. Melancholische Klangflächen werden von lärmigen Gitarrenpatterns durchbrochen, ein Sound, der wahrlich perfekt in diese bleierne Zeit passt. Eine Zeit, die uns zwischen Angst, Apathie und Wut verunsichert zurücklässt, aber vielleicht haben wir ja die Wahl, singt Spechtl doch, „Apokalypse Or Revolution“.

Weiter geht es mit Neptuna aus Guadalajara/Mexico, die im Merlin ihren letzten Gig ihrer kleinen Deutschlandtour spielen. Bevor es losgeht, gönnen sich Schlagzeugerin und Bassistin erstmal einen Schluck Mescal aus dem stylishen, silbernen Flachmann in Form eines Fisches (so einen hätte ich auch gerne!). So aufgewärmt geht es dann auch gleich richtig zur Sache. Energische Gitarren-Riffs gehen mit einem ziemlichen Energielevel nach vorne, eingebettet in präzise Drum-Patterns und Bass Licks und ergänzt durch mehrstimmigen Harmoniegesang. Grunge Riot Grrrl mit einem ordentlichen Fundament aus Stoner-Rock, bei dem immer wieder Bezüge zu Kyuss und dem Projekt „Dessert Sessions“ herauszuhören sind.

Das ist im gesamten ein sehr geerdeter Sound mit einer gleichzeitigen Leichtigkeit, die mich an Siebziger B-Movie Soundtracks erinnern lässt. Beim vorletzten Track „Gira“ schwere, geradezu bleierne Kopfnicker-Riffs über die Bühne. Das ist schon sehr stark! Wären wir in den Neunzigern, dann wären Neptuna definitiv groß.

Nach kurzem Umarrangieren der Bühne, Chris Imlers Drumset wird am Bühnenrand platziert, betritt der Musiker die Bühne. Statt Mescal gibt’s bei Imler Rotwein. Kommen wir nun zum gediegenen Teil des Unterhaltungsprogramms? Diese Befürchtung ist schnell ausgeräumt! Monotone, fast schon tribalistische Beats branden in den Raum, der autotunige Gesang ist hallig und ziemlich schräg, ein oder zwei Takte neben der Spur, das hat schon was von einer Kunstperformance.
Conférencier und Dada-Pop, Radio Gaga im Technoclub mit treibenden Drums und Bedroom-Recordings. „Fuck you all“, „nein, ihr seid nicht gemeint, obwohl … Na ja, ist halt ein Songtitel.“ Die Trompete wird gezückt, „ihr habt es nicht anders verdient“, geloopt und es wird lärmig. Treibende Rhythmen, tanzbare Ekstase und Beatnik-Lyrik, Collagen-Kunst.

„Frag nicht, was ich tu, frag, was du tun kannst, dass ich dir nichts tu.“
Fragen zur Zeit!
„Ihr wollt frei wie Vögel sein, dann müsst ihr mit einer Stimme schreien.“
Und Sound und Licht flackern irritierend. Doomig ist es, auch Industrial! William S. Burroughs und Trent Reznor würden dazu tanzen. „Let’s talk about war“, wir tanzen am Abgrund. Nach zweieinhalb Stunden ist dann dieser großartige Konzertabend vorüber. Das war perfekte Unterhaltung, herausfordernde Kunst. Spaß und Ernst als Einheit, die tanzbare Reflexion des Absurden.
War ein wirklich cooler „Tanzabend“…Chris Imler live ist echt ein Mega-Erlebnis !