COSMIC PLAYGROUNDS, Tag 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen

AFAR, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Der zweite Tag beim Cosmic Playgrounds-Festival im Esslinger Kulturzentrum Dieselstraße fällt deutlich elektronischer und auch experimenteller aus – ist dafür auch besser besucht als der sehr kurzweilige Freitag. Ein nachmittäglicher Stromausfall im Haus konnte rechtzeitig behoben werden – ein Alptraum für ein Festival mit elektronischer Musik …

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Beim Opening Act im Foyer sind noch ziemlich wenige Konzertbesucher*innen da, was der eher introvertierten Musik nicht schadet. Denn Benoît And The Mandelbrots sind schon speziell. Schon der Bandname spricht für eine gewisse Schrulligkeit, handelt es sich beim Namensgeber doch um den Mathematiker, der als Vater der fraktalen Geometrie gilt.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Die drei jungen Herren aus Karlsruhe sind nicht gerade klassischer Rock’n’Roll, sondern stehen konzentriert um einen Tisch und bedienen fokussiert ihre drei vernetzten Laptops. Kraftwerk oder Informatik AG auf Trip? Sie nutzen zur Erzeugung ihrer eigentümlichen Musik jedoch keine handelsübliche Software, sondern generieren die Sounds durch Programmieren in Echtzeit – was per Beamer auch live übertragen wird.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Das sieht dann nach oldschooliger Matrix-Ästhetik aus, der staunende Laie stolpert im angezeigten Textfluss aber immerhin über auch als Bandnamen bekannte Kürzel wie SuperCollider, PitchShift und WhiteNoise – steckt also doch ein bisschen Rock’n’Roll in der Performance? Klingen tut es jedenfalls toll: spacig blubbernd, kristallklar, rhythmisch mäandernd. Retrofuturistischer SF-Sound für historisches Genrekino? Mir gefällts sehr gut – ein gelungener Einstieg vor sich langsam füllenden Zuschauerreihen.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Schneller Wechsel in den großen Saal mit seinem beeindruckenden Wall Of Sound. Laima Adelaide ist DJ und Producerin, heute teamt sie mit dem Gitarristen Reto Weiche up – eine mutmaßlich einmalige Kollaboration und schon deshalb Daumen hoch fürs Festival-Booking.

Laima Adelaide durfte ich letztes Jahr schon als außergewöhnliche DJ-Künstlerin mit hypnotisch-psychedelischem Elektro-Groove erleben, hier nutzt sie die Gelegenheit für einen deutlich avancierteren Sound. Zwar pumpen die Beats auch mal heftig, der Ansatz scheint mir aber eher so etwas wie Techno-Prog zu sein. Immer in Bewegung, selten gefällig, ständig geht es musikalisch weiter.

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Reto Weiche ist ein versierter Gitarrist mit beeindruckender Vita, der hier aber konsequent klangforschend auftritt. Wie weiland Fred Frith bearbeitet er seine E-Gitarre mit allerlei fachfremden Objekten. Dabei entstehen kratzende und scharrende Geräusche, die wiederum geloopt auf die DJ-Beats treffen. Auch wenn der eine oder die andere wahrscheinlich gerne getanzt hätte, erweist sich dieses Setting als ausgewogen experimentell, was von den Anwesenden mit konzentriertem Staunen belohnt wird.

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Weiter geht es auf der (nicht vorhandenen) Foyer-Bühne: Jochen Keil und Marcus Korb hatte ich beim Vorhören zuhause als subtile Ambient-Künstler wahrgenommen, live entwickelt sich der Auftritt aber anders. Beide bedienen überschaubare Arrangements an mutmaßlich analogem Equipment. Anfangs wabern die gar nicht so schlanken Synthieflächen und -linien noch ein wenig ziellos dahin, tasten sich vorsichtig in Richtung vage rhythmischer Patterns. Dafür nehmen sie sich Zeit, um sich dann doch ganz langsam einzugrooven.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Unaufgeregt, ungehetzt, schält sich ein träger, warmer Beat heraus. Nach dem Einbau einer scheinbar noch fehlenden Kabel-Steckverbinung am oldschooligen Synthie (gleichzeitig das einzige, wahrscheinlich ungewollte Showelement), ist das Publikum gefangen und in der elegant fließenden Musik drin. Ich verliere das Zeitgefühl und finde den Auftritt fast zu kurz.

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Aber schließlich steht mit AFAR der heutige Topact auf der großen Bühne. Deren Song (und Video) „Tell Me More“ hat es mir schon im Vorfeld sehr angetan. Das Girl/Boy-Duo aus Berlin inszeniert sich gekonnt als düster-romantische Elektro-Darkwave-Band mit stylisher Inszenierung. Er liefert die elektronischen Beats, teils mit leichtem Acid-Vibe, sie singt mit sehr präsenter und klarer Stimme. Dazu spielt sie eine coole E-Gitarre mit sonorem Twang, die wiederum per Loop in den Beat eingewebt wird.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Ich fühle mich an Bands wie Lebanon Hanover erinnert, auch Dead Can Dance kommen mir in den Sinn. Erstaunlicherweise verbleiben die Songs fast ausschließlich im untertourigen Midtempo, was den Tanzdrang des jetzt ordentlich gefüllten Saals ausbremst. Ist wohl so intendiert, wobei die teils übermächtige Bassdrum eigentlich purer Clubsound ist.

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Extralob an dieser Stelle wieder an den unermüdlichen Videokünstler Hanno Braun, der dem Auftritt die genau richtige visuelle Atmosphäre verleiht.

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Das Finale des Festivals im Foyer findet dann im kleiner werden Kreis statt. Wobei die Berliner Künstlerin Sophie Schnell aka PYUR wiederum erstaunliche Sounds aus ihrem überschaubaren elektronischen Equipment zaubert. Statt gerader Dancebeats gibt es fragmentierte und kaleidoskopische Sounds von beträchtlicher Dynamik. Für meinen Geschmack ein perfekter Ausklang mit klangforschendem Wagemut – experimentell, aber kein bisschen akademisch.

Vielen Dank an die Cosmic Playgrounds-Veranstalter*innen für zwei großartige Festivaltage, spannendes Booking und horizonterweiternde Konzerte in perfekt organisierter Feelgood-Atmosphäre. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal.

BENOIT AND THE MANDELBROTS, COSMIC PLAYGROUNDS, TAG 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
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Benoît and the Mandelbrots

Laima Adelaide / Reto Weiche

Marcus Korb / Jochen Keil

AFAR

PYUR

Ein Gedanke zu „COSMIC PLAYGROUNDS, Tag 2, 15.03.2025, Dieselstraße, Esslingen

  • 18. März 2025 um 13:05 Uhr
    Permalink

    Ja, so war´s.

    Danke für den Bericht.

    Danke, dass ein so spezielles Festival stattfinden kann.

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