COSMIC PLAYGROUNDS, Tag 1, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, SIRI THIERMANN, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Unter fleißigen Konzertgänger*innen häufig ventilierte Themen: Eintritts- und Getränkepreise, Sound & Licht, Erreichbarkeit der Location – nur bei Letzterem hat es das Kulturzentrum Dieselstraße auf der anderen Neckarseite in Esslingen nicht perfekt erwischt. Team Gig-Blog schwört mittlerweile aber auf die Bike+Bahn-Kombination, da ist man in Nullkommanichts beim mittlerweile vierten Cosmic-Playgrounds-Festival.

Und das sollte man keinesfalls verpassen. Denn (siehe oben) bei allerbesten Bedingungen kann man sich musikalisch auf Neues, Spannendes, teils auch Abenteuerliches einlassen. Und das zu mehr als fairen Eintrittspreisen, mit bester Getränkeversorgung, aufwändiger Lightshow und höchstklassigem Sounddesign. Alles ist tiptop organisiert, in fliegendem Wechsel pendelt man zwischen der kleinen Bühne im Foyer und dem großen Saal mit seiner prächtigen Akustik.

Warum der erste Abend des Festivals nicht restlos ausverkauft ist, bleibt ein Rätsel.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, SIRI THIERMANN, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Das empfehlenswerte Event wird von der Dieselstraße als Collab mit PODIUM Esslingen und dem Pop-Büro Region Stuttgart veranstaltet und widmet sich der vage als kosmisch definierten Musik in eher elektronischer Ausprägung. Viel mehr scheint aber nicht definiert zu sein und das ist auch gut so.

Denn letztlich geht es um zelebrierte Openmindedness, um Experiment und Innovation und vielleicht auch um die Möglichkeit, aufregenden Künstler*innen ein Podium für angemessene Auftritte zu bieten. Denn bei allen heutigen Acts fragt man sich als Konzertroutinier schon, wo diese Leute eigentlich sonst auftreten. Schon dafür muss man den Veranstalter*innen herzlich danken.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, SIRI THIERMANN, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Der Abend beginnt pünktlich um 20 Uhr im Foyer. Siri Thiermann steht hinter einem großen Tisch mit aufgeräumtem elektronischem Equipment, von dem ich keine Ahnung habe, woher genau die folgenden Sounds stammen. Aus analogen Synthesizern und Hardware-Geräten zaubert sie zunächst flauschig schwebend, im Verlauf dann aber auch nachdrücklicher pumpende Sounds. Stilistisch höre ich Minimal Techno ohne aufdringliche Härte, mit ganz viel Gespür für Raum, Atmosphären und hypnotischen Groove.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, SIRI THIERMANN, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Der 50-minütige Auftritt vergeht wie im Flug – ich fühle mich an die eleganten Linien von Derrick May und Plastikman erinnert, die kleinen, dubbigen Filtereffekte schmecken nach Berliner Minimal Dub von Rhythm & Sound. Das Ganze klingt und wirkt wie ein DJ-Set, wird aber live mit eigener Musik generiert.

Das sieht bewundernswert strukturiert und kontrolliert aus. Als Zuschauer bekommt man richtig Lust, auch mal diesen einen kleinen Filterknopf zu drehen, was zumindest bei mir mangels rhythmischem Timing zum Scheitern verurteilt wäre.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, EXOTICA LUNATICA, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Nach diesem perfekten Festival-Einstieg geht es nahtlos im großen Saal weiter. Stilistisch und inszenatorisch eröffnet sich eine ganz andere Welt, denn die beiden Protagonistinnen von Exotica Lunatica brauchen und genießen die große Bühne. Die beiden Frauen beeindrucken mit spektakulärer Stimmgewalt und expressiver Performance. Die beiden kommen aus Frankreich und Griechenland und ihr Sound ist ein epischer Trip ins südöstliche Europa, überwiegend griechisch gesungen (soweit ich das beurteilen) kann.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, EXOTICA LUNATICA, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Und was sind das für Stimmen! Irgendwo zwischen tiefstem Greek-Folk, sakraler Gregorianik und opulenter Oper – was für eine Klangwucht. Dazu sind Exotica Lunatica virtuose Multiinstrumentalistinnen und bedienen souverän Gitarren und Elektronik, dazu auch noch wuchtige Percussion inklusive einer Riesen-Tom mit Paukenwumms. Das klingt im großen Saal einfach nur beeindruckend und wird vom Video-Künstler Hanno Braun / Agentur Netzhaut mit aufwändigen elektronischen Live-Visuals kongenial illuminiert. Der esoterische Anstrich und die zunächst bierernst-schamanische Performance entsprechen eigentlich gar nicht meinem musikalischen Beuteschema, aber der Auftritt ist komplett fesselnd und extrem intensiv.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, EXOTICA LUNATICA, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Zum Glück wenden sich die beiden dann gutgelaunt und nahbar ans Publikum und freuen sich über ihren allerersten Auftritt in Deutschland. Bin schwer beeindruckt und frage mich, wo in aller Welt eine solche Band sonst auftritt – mit dieser staunenswerten Professionalität, technischen Präzision und einem ganz und gar eigenwilligen Bandsound? Vielleicht liest hier jemand vom Sommerfestival der Kulturen mit – Exotica Lunatica sind ein ganz heißer Tipp.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, OH NO NOH, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Und schon folgt der nächste radikale Stilbruch, denn im Foyer tritt Markus Rom aka Oh No Noh auf. Er zelebriert einen ausgesprochen nerdigen Frickel-Core. Alleinstellungsmerkmal: Die polyrhythmischen Beatstrukturen werden zwar elektronisch gesteuert, aber mechanisch erzeugt. Dazu hat er auf zwei Tischchen ein beeindruckendes Miniaturarsenal an Percussion aufgebaut, die von Holzklöppeln an Mikromotoren angeschlagen wird. So wird auf Soundpads, Klangschalen und Winztrommeln geklopft und geklöppelt – und zwar in komplexen Rhythmus-Patterns.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, OH NO NOH, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Am Bühnenboden ist eine wilde Apparatur mit Unmengen kleinster Schalter und Knöpfe aufgebaut, die der Künstler virtuos mit den Füßen bedient – eine fast schon akrobatische Höchstleistung, die völlig unaufgeregt absolviert wird. Ebenso gelassen spielt er eine milde krautige halbakustische Gitarre. So entsteht ein sanfter Fluss organisch-psychedelischer Klänge, dezent groovend und angenehm einlullend.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, MAIER-HAUFF/DERUNGS, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Deutlich lauter wird es dann wieder auf der großen Bühne. Das etwas sperrig benannte Duo Maier-Hauff//DeRungs verbindet elektronischen Clubsound mit eher jazzigen Instrumenten wie Klavier, Tenorsax und Trompete. Das beginnt mit einer smoothen Parovstelarhaftigkeit, steigert sich dann aber zunehmend zu einem hypnotischen Clubsound mit mächtig pumpender Bassdrum zu jazzigen Einlagen. Ich imaginiere Underworld bei den Stuttgarter Jazz Open und begebe mich mit herrlich kontrastreichen Eindrücken zufrieden auf den Heimweg.

Das Beste: Das war nur der erste Festivaltag. Auch der zweite verspricht musikalische Aufregungen, auch wenn man wie ich keinen einzigen Namen der Teilnehmenden kennt. Dem Booking darf man aber getrost vertrauen. Also nichts wie hin, zum zweiten Tag der Cosmic Playgrounds.

COSMIC PLAYGROUNDS TAG 1, MAIER-HAUFF/DERUNGS, 14.03.2025, Dieselstraße, Esslingen | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Siri Thiermann

Exotica Lunatica

Oh No Noh

Maier-Hauff/DeRungs

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..