MOTIONLESS IN WHITE, FIT FOR A KING, 10.02.2025, LKA, Stuttgart

Motionless In White haben es immer mal wieder in meine Playlist geschafft, in der sonst eher weniger Metalcore vertreten ist. Wenn überhaupt habe ich mich nur mit den „Big Playern“ des Genres befasst, wie As I Lay Dying, Architects und auch Bring Me The Horizon. Eine Stufe härter, wenn’s mal sein muss, auch Lorna Shore. Wer zu „To The Hellfire nicht mit dem Kopf voran in eine Wall Of Death rennen möchte, sollte seinen Puls überprüfen, ob da noch Leben innewohnt.
Um die verfrorenen Knochen auf Betriebstemperatur zu bringen, eröffnen die Deathcore-Rüpel Brand Of Sacrifice den Pit. Sänger/Hüne Kyle Anderson betritt nach dem Pokemon-Titelsong-Intro die Bühne mit den Worten „Do not disappoint me!“ und jeder weiß, was zu tun ist. Binnen Sekunden entstehen zum rabiaten Opener „Dawn“ mehrere Circle Pits und das einsetzende Chaos quittiert Anderson mit einem zufriedenen Grinsen. Auch mit „Lifeblood“ unterstreichen die Kanadier, dass sie am heutigen Abend stilistisch die sperrigste Band sind. Das hat zwar zur Folge, dass der Funke nicht auf die komplette Halle überspringt, die Leute im Pit interessiert das hingegen überhaupt nicht. Die engagierte Performance und die sympathische Bühnenpräsenz von Anderson sorgen für eine kurzweilige Raserei, dass die eventuell einzusetzen drohende Monotonie egalisiert. Die 30 Minuten wurden auf jeden Fall optimal genutzt, um das LKA in die richtige Stimmung zu bringen.

Ich gebe es offen zu, ich musste ein wenig schmunzeln, als ich gelesen habe, dass Fit For A King eine christliche, texanische Metalcore Band sind. Ich würde mich wahrscheinlich an dieser Stelle noch ein wenig ausgiebiger darüber auslassen, wenn mir das Quintett mit „Vendetta“ als Opener nicht direkt einen absoluten Kracher um die Ohren hauen würde. Scheinbar getrieben von der Härte von Brand Of Sacrifice legen FFAK noch eine ordentliche Schippe drauf. Das ist ein absolut kompromissloses Vorgehen und auch das darauffolgende „Technium“ lässt keine Sekunde Zeit, um durchzuatmen. Das LKA ist am Beben und auch die Security bekommt nun ordentlich zu tun, als an allen Ecken Körper in den Bühnengraben angeschwemmt werden.
Ich bin total beeindruckt, wie unbeeindruckt und lässig Sänger Ryan Kirby, eher schmächtig wirkend, von einer Bühnenseite zur anderen spaziert und dabei Growls von sich gibt, die mir binnen weniger Minuten sicherlich eine komplette Tüte Ricola abverlangen würden, um den entstandenen Schaden provisorisch zu flicken. Und selbstverständlich ist Kirby nicht nur mit unglaublichen Growling-Fähigkeiten gesegnet, sondern packt nun zu „End (The Other Side)“ auch noch einen wirklich beeindruckenden cleanen Gesang aus, der durch die Unterstützung von Bassist Tuck O´Leary und Gitarrist Daniel Gailey wunderbar schöne Harmonien entstehen lässt und die Performance auf eine noch höhere Stufe empor hebt. Auch „Keeping Secrets“ entfaltet eine wunderschöne Magie, die zwischen der ganzen Härte des restlichen Songs für Gänsehaut sorgt. Diese wird jedoch mit dem nächsten Song direkt wieder glattgebügelt, denn „Backbreaker“ ist genau wie Vendetta ein brutaler Pit-Öffner, der den entstehenden Circle-Pits das Feuer liefert, um noch chaotischer zu wirbeln.
Der Plan von FFAK scheint es zu sein, verbrannten Bühnenboden nach ihrer Performance zu hinterlassen. Denn so wie sie die Bühne betreten haben, verlassen sie diese auch wieder mit „God Of Fire“, nachdem man seine Knochen auch noch Tage später spüren wird, wenn man sie zu diesem Song in der Mitte des LKA hingehalten hat.

So gerne das LKA noch – den Forderungen nach einer Zugabe her zu urteilen – ein paar gemütliche Minuten mit FFAK verbracht hätte, gibt es natürlich auch keinen Grund sich über die folgende Alternative zu beschweren. Wie bereits Eingangs erwähnt, ist das LKA restlos ausverkauft, wie auch die gesamte Tour. Und so verwundert es nicht, dass mit Beginn des Intros durch eine aufheulende Sirene ein ohrenbetäubendes, ehrlicherweise mit mehr weiblichen Stimmen beteiligtes Kreischen anschwillt. Es braucht nur die ersten paar Takte des Openers „Meltdown“ und selbiger bricht über das gesamte LKA herein. Wie aus unterschiedlichen Horrorfilmen entsprungen, wirkt jedes Bandmitglied wie ein für sich stehender Killer. Sänger Chris Motionless wirkt dabei eher etwas zurückhaltend, im hochgeschlossenen, schwarzen Mantel. Auch bei „Sign Of Life“ zeigt er, dass er nicht nur ausgezeichnete Growling-Fähigkeiten, sondern auch die ruhigeren Töne einwandfrei beherrscht.

Zur Unterstützung der Bühnenshow, die durch die drei riesigen LED-Wände bereits bombastisch und headliner-würdig wirkt, stürmen auch noch vier Tänzerinnen, genannt „The Cherrybombs“, die Bühne im jeweils zum Song passenden Kostüm. Wir bekommen Werwölfe und Cheerleader, Zombies und Maskenkiller mit überdimensionalen Wasserpistolen zu sehen. Die Show bewegt sich dabei messerscharf an der Grenze zum Kitsch. Es dürfte nicht mehr sein, um der Show nicht vollends eine gewisse, nötige Spontanität völlig zu entreißen. Beinahe nach jedem Song bedankt sich Chris für die ausverkaufte Show und den nicht abreißenden Support der Fans, die es der Band ermöglichen, uns heute die komplette, auf US-Touren übliche Show-Produktion zu präsentiert.
Für „Slaughterhouse“ darf Chris seine Stimme ein wenig erholen, denn FFAK-Sänger Kirby darf nochmal ran und alles zusammenbrüllen, während er sich auf die cleanen Parts konzentriert. Auch Kyle Anderson bekommt nochmal die Gelegenheit, das LKA anzubrüllen, als er zum Duette für „Reincarnate“ auf die Bühne kommt. Für die letzten beiden Songs weicht nun die Horror-Thematik einem anderen, gewichtigen Inhalt von MIW-Songs. Ähnlich wie Bring Me The Horizon und auch My Chemical Romance liefern Motionless In White in ähnlicher Qualität Songs, die den Soundtrack der Jugend für die jüngeren Fans bilden. Chris Motionless ist dabei ebenfalls zu einer Ikone aufgestiegen, wie Oli Sykes oder Gerard Way, der den Ängsten, Sorgen und Problemen seiner Fans einen Songtext schenkt, um mit diesen umzugehen.
Zum letzten Song kommen noch einmal die Cherrybombs auf die Bühne und während MIW mit „Eternally Yours“ ihre Fans verabschieden, werfen diese rote Rosen ins Publikum. Ein wirklich schöner wie auch kitschiger Schlussakt, wenn man nach der Show wieder hinaus in den kalten Regen muss und dabei glückliche Fans sieht, mit zerlaufenem Make-up und roten Rosen in der Hand.