MATCHING OUTFITS, THE SIMPLE PRESENT, 01.02.2025, Merlin, Stuttgart
Es gibt Tage, da braucht es ganz dringend ein Konzert. Heute ist einer davon. Nach dieser Woche, in der skrupel- und gewissenlose Polit-Horror-Clowns die deutschen Rechtsradikalen in neue Höhen befördert haben. Und direkt nach einer durchaus Hoffnung machenden, aber leider auch saukalten Demo gegen exakt diese Widerwärtigkeiten der sogenannten „Konservativen“. Da braucht es etwas Wärmendes und Erfreuliches, etwas, das einem neue Energie für die vermutlich nicht freundlicher werdende Zukunft gibt.
Da kommt das Abschlusskonzert des diesjährigen Pop-Freaks-Festivals genau richtig. Dort steht am Abschlusstag nicht nur das etwas schrullige Trio Matching Outfits auf der Bühne, als Support tauschen heute Abend zwei Gig-Blog-Autorinnen Notizblock und Beistift gegen Gitarre, Keyboard und Mikrofon. The Simple Present heißt das brandneue Projekt von Sabine und Cathrin, und das erste Konzert in der Heimatstadt zieht natürlich eine beachtliche Menge an Freund:innen, Kolleg:innen und Gig-Blogger:innen an. (Dass hier kein objektiv-sachlicher Bericht zu erwarten ist, dürfte ja wohl allen klar sein. Gibt es bei mir aber eh nie.)
Das ungewohnte Rampenlicht macht die beiden sichtlich verlegen. Doch nach einem aufmunternden Applaus legen sie los mit ihrem durch und durch anglophilen Jangle-Pop. Das ist fröhlich und durchaus leichtfüßig, wenn auch noch ein bisschen unsicher. Dabei ergänzen sie die beiden Stimmlagen harmonisch und die Band aus Routiniers legt ein solides Fundament. Und so gestaltet sich der Vortrag mit jedem Song sicherer, da kommt ein Querflöten-Solo und frische Keyboard-Sounds dazu, der sommerlich-leicht klingende Indie-Pop erwärmt Publikum und Band. Die Stimmung ist prächtig. Mitten im Saal, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht, der Chef des Auskenner-Labels Kleine Untergrund Schallplatten, bei dem die erste EP von The Simple Present erscheinen wird.
Der nächste Live-Auftritt ist am 5. April auf dem Cologne Popfest, diesem liebevoll gestalten Indiepop-Nerd-Festival, für das The Simple Present wie gemacht zu sein scheinen. Und derweil – die Pädagoginnen werden es schätzen – üben wir den korrekten Gebrauch der einfachen Gegenwartsform, z.B. an einer „allgemeinen Tatsache“: „Pop concerts make you happy.“
Ganz ehrlich: Angesichts der Vorfreude auf die Premiere der beiden Kolleginnen hatte ich mich mit der Hauptband Matching Outfits überhaupt nicht beschäftigt. Umso erfreulicher die Überraschung, als das Trio mit seinem schrägen Humor (und absolut unpassenden Outfits) schon nach wenigen Takten erkennen lässt, dass hier eine ganz besondere Spielart von Popsongs präsentiert wird. Was mit Linnea Mårtenssons lieblichem Gesang scheinbar gefällig daherkommt, nimmt immer wieder höchst überraschende Wendungen. Mitten im Halbsatz wird von lieblichem Geträller in lakonischen Sprechgesang gewechselt. Der minimalistische Twee-Pop biegt immer wieder überraschend ab, Rhythmus-Wechsel gehören zum Programm. Das ist deutlich eckiger als die zuckersüße Oberfläche erkennen lässt. Leah Corper am Bass und Drummerin Rachel Glassberg agieren meist sehr sparsam, steuern aber auch gerne mal Backing-Vocals bei, die schon fast an Country-Songs erinnern.
Um den ganzen Spaß zu haben, muss man sich auf die Texte konzentrieren. Die sind nämlich ähnlich clever wie die Musik und sind meist skurrile Alltags-Miniaturen. Das kommt zwar teilweise etwas „arty“ rüber, aber die feine Selbstironie macht alles wieder gut. Als Referenz raunen mir die Kollegen Mary Ocher oder Amanda Palmer zu, ich erinnere mich an die raffinierten Texte der Indelicates oder von The Burning Hell.
Dass dieses Konzert zu einem solchen Genuss wird, liegt auch daran, dass das Publikum äußerst aufmerksam und sehr still ist. Da hat man guten Chancen, von Mårtenssons Text-Kaskaden das meiste zu verstehen. Die in „Band Made Out of Sand“ besungene Bandgründung scheint jedenfalls gründlich gescheitert, was auf der Bühne auch prompt in eine noisige Kakophonie mündet.
We decided to start a band
We wrote each other letters with lyrics in them
But we were seven and the lyrics, they obviously sucked
We never had any intention to ever meet up and play, not even once
Keine Frage, Matching Outfits sind auf jeden Fall ein würdiger Abschluss für ein Festival, das ausgewiesenen Pop Freaks eine Bühne bieten will. Und wenn man unsere recht umfassende Berichterstattung der letzten Tage Revue passieren lässt, darf man guten Gewissens konstatieren: Ein Mangel an guten, intelligenten Popbands besteht nicht. Die Chance, sich auch zukünftig mit feinen Konzerten gegen die Unbilden des Alltags zu wappnen, stehen jedenfalls gut!
Matching Outfits
The Simple Present
