THE NOTWIST, 31.01.2025, Manufaktur, Schorndorf

Yeah! The Notwist endlich mal wieder live in der Manufaktur, das wird ein Fest! Es ist nun doch schon ein Weilchen her, dass ich sie in Schorndorf gesehen habe, 2015 war das, um genau zu sein (der Gig-Blog berichtete). Für mich gehört die Band aus Weilheim ja zu den besten Live-Acts überhaupt. Nicht dass sie auch großartige Platten veröffentlicht hätten, wie zum Beispiel 2002 das Meilensteinalbum „Neon Golden“, aber auf der Bühne entfaltet sich noch mal auf eine ganz besondere Weise ihre unglaubliche musikalische Qualität, die ihresgleichen sucht.
Es ging wohl nicht nur mir so mit der Vorfreude, schon seit geraumer Zeit ist die Manufaktur ausverkauft. Der Altersschnitt ist heute Abend etwas höher als gewohnt, aber The Notwist sind ja auch nicht erst seit gestern im Geschäft. Seit 1989 prägen sie die Musiklandschaft wie kaum eine andere Band aus dem deutschsprachigen Raum.

Kurz nach 20.30 Uhr betritt die Band heute in siebenköpfiger Besetzung unter tosendem Applaus die Bühne, um unvermittelt loszulegen. Synthie-Ambient-Flächen wabern durch den Konzertraum, Markus Achers zurückhaltender Gesang erklingt und das Schlagzeug setzt mit einer massiven Dynamik ein, um in mitreißendem Post-Punk zu münden. Wow, so viel Vielschichtigkeit und Komplexität gleich beim Opener, das verlangt Respekt!
Schwer in Worte zu fassen ist es, was hier passiert, Klangwelten werden gebaut, eingerissen, um in anderer Ausführung neu zu entstehen. Das mag jetzt ziemlich unzugänglich und verkopft klingen, unglaublich intelligent gemacht ist es zwar, aber trotzdem berührt es einen durch und durch, zwingt einen, sich in die Klangschichtungen fallen zu lassen, sich zu bewegen, mitzugehen. Musik für Kopf und Körper.

Jazz trifft Punk und Kraftwerk; klassische Songstrukturen und Experimentelles gehen eine Symbiose ein, alles zusammengehalten von einer unfassbaren Rhythmik, die das Publikum zum Tanzen bringt. Euphorie und glückliche Gesichter.
Noise und knarzende Elektrosounds ertönen, Beats die an Neunziger Big Beat erinnern, fast wähnt man sich im Club, Musik zum ekstatischen Bewegungsdrang. Danach leichtes Innehalten, Durchatmen, die Instrumentierung wird zurückhaltender, die Dynamikkurve nimmt etwas ab, sensible Singer-Songwriter Vibes erfüllen die Bühne, um danach die Möglichkeiten des Pop auszuloten.

Punkrock, Noise, Freejazz mit grandiosen Saxophonpassagen, Krautrock und Kakofonie; was für eine Mischung, ganz große Kunst ist das!
Wie machen The Notwist das, diese völlig unterschiedlichen Musikstile so selbstverständlich homogen wirken zu lassen? Auf einzelne Songs will ich daher erst gar nicht eingehen, was hier geboten wird, ist ein live musikalisches Gesamtkunstwerk. Auch über die handwerklichen Qualitäten ist die Band über jeden Zweifel erhaben. Das mag von mir jetzt etwas arg euphorisch klingen, aber es ist einfach so, The Notwist gehören zum Besten, was man live erleben kann.

Gegen Ende unternimmt die Band dann noch eine Reise zurück zu ihren Punk-Wurzeln. Reduziert auf Gitarre, Bass und Schlagzeug wird es richtig moshpit-tauglich, die Energie ist am Siedepunkt angelangt. Nach drei Zugaben und einer Spielzeit von knapp zwei Stunden verabschieden sich die verausgabten Musiker und hinterlassen ein zutiefst glückliches Publikum.
Was für ein Konzertabend!
