ALPHAVILLE, 11.12.2024, CCP, Pforzheim
![ALPHAVILLE, 11.12.2024, CCP, Pforzheim | Foto: Thomas Sommer](https://www.gig-blog.net/wp-content/gallery/2412-alphaville/Alphaville_CCP-Pforzheim_11.12.2024_017.jpg)
Zeitreise ist heute angesagt, Weltflucht in die verklärten Achtziger des letzten Jahrhunderts.
Einige von uns erinnern sich an damals, als irgendwie noch alles besser war und man dachte, für immer jung zu bleiben. Pop und New Wave aus England waren allgegenwärtig und Bands wie Depeche Mode, Erasure und Duran Duran waren ein Mainstream tauglicher Gegenpol zur ins allzu Klamauk hafte abgedrifteten Neuen Deutschen Welle. Und dann tauchten am deutschen Pophimmel plötzlich Gruppen wie die aus der Region stammenden Camouflage – die ja vor kurzem auch mal wieder durch die Republik tourten – und Alphaville auf. Bands, die ambitioniert waren, einen internationalen Sound wollten und sich qualitativ auch nicht hinter ihren angelsächsischen Vorbildern verstecken mussten.
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Wenn ich mir heute diese Alben anhöre, klingen sie zwar definitiv nach dem letzten Jahrhundert, aber paradoxerweise immer noch modern; nach einer Zeit, in der es Utopien gab, die Zukunft weitestgehend Positiv besetzt war, auch wenn das Dystopische sich in der Realität und der Popkultur schon anfing sich einzuschreiben.
Und nun, 40 Jahre nach „Forever Young“, bin ich gespannt, welche Spuren die Zeit hinterlassen hat, sind wir doch irgendwie in Godards bedrohlich wirkendem Alphaville angekommen.
![ALPHAVILLE, 11.12.2024, CCP, Pforzheim | Foto: Thomas Sommer](https://www.gig-blog.net/wp-content/gallery/2412-alphaville/Alphaville_CCP-Pforzheim_11.12.2024_005.jpg)
Als Punkt 20 Uhr Alphaville die Bühne betritt, bin ich augenblicklich irritiert, ziemlich rockige Klänge erfüllen das Pforzheimer CCP, anstatt des von mir erhofften New-Wave-Sounds. Hm, mal abwarten, vielleicht will das musikalische Mastermind Marian Gold das geneigte Publikum, welches die Achtziger-Heroen euphorisch willkommen heißt, erstmal auf eine falsche Fährte locken.
Meine anfängliche Skepsis verfestigt sich nach und nach, ist doch auch nach drei Songs wenig von wavigen Synthie-Flächen zu hören. Das Drumset ist viel zu sehr im Vordergrund und erschlägt den Gesamtsound geradezu. Dies ist besonders bei einem Song wie „Big In Japan“ fatal, die den Track auszeichnende dichte Atmosphäre wird vom Wummern des Schlagzeugs geradezu erstickt.
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Und leider habe ich auch das Gefühl, dass es hier keine wirkliche Band-Chemie gibt, was mit Sicherheit auch daran liegen mag, dass die Musiker doch sehr isoliert voneinander auf der Bühne agieren, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass Schlagzeuger und Bassistin auf Podesten positioniert spielen. Im Gesamten ist das zu sehr Stadion, eine intime, emotionale Stimmung wird durch diese Art der Darbietung unmöglich.
Um mich nicht falsch zu verstehen, handwerklich ist das nicht schlecht, aber eine wohlige Düsternis und Melancholie, in die man sich eskapistisch fallen lassen kann, entsteht bei diesen seltsam verrockten Interpretationen der Alphaville-Klassiker bedauerlicherweise nicht. Diese ruppigen Rockismen werden dem ursprünglichen Sound einfach nicht gerecht. Wo ist nur die Dringlichkeit von damals, wo sind die großen, dichten Klangräume?
![ALPHAVILLE, 11.12.2024, CCP, Pforzheim | Foto: Thomas Sommer](https://www.gig-blog.net/wp-content/gallery/2412-alphaville/Alphaville_CCP-Pforzheim_11.12.2024_013.jpg)
Zwischendurch gibt es, wie es sich bei einem Best-of-Konzertabend so gehört, immer wieder launige Ansagen von Herren Gold. Anekdoten werden zum Besten gegeben, so erzählt er Entstehungsgeschichten, wie zum Beispiel von dem Song „Universal Daddy“ vom 1986er-Album „Afternoons in Utopia“, den Marian Gold für seine Kinder geschrieben hatte, als der heutige, siebenfache Vater, noch keine Kinder hatte.
Sympathisch ist das, besonders als er dieses Lied dann mit einer seiner Töchter singt. Aber zünden will dieses Konzert bei mir auch weiterhin nicht, ist es musikalisch einfach zu gleichförmig und zu glatt.
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Erst als gegen Ende der wohl bekannteste Track „Forever Young“ erklingt, ist es dann endlich etwas stimmiger, wavige Synthieflächen und etwas zurückgenommene Drumpatterns vermögen es dann doch, eine Stimmung zu erzeugen, die diese speziellen Achtziger-Vibes aufkommen lassen und der Großteil des Publikums feiert dies mit stehenden Ovationen. Ein Publikum, das durchaus gespalten reagiert, habe ich doch mitbekommen, wie der ein oder andere Besucher frühzeitig das Konzert verlassen hat.
Nach zwei Stunden begebe ich mich dann leider desillusioniert zurück in die Kälte der Nacht und der Realität.
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Was wollte der Konzertbesucher erleben?
Ein Konzert von Alphaville stilgerecht aus den 80zigern?
Es ist häufig ein Balanceakt für „ältere“ Bands, das Besucher die Vergangenheit hören wollen, und sich einer Transformation verweigern.
Mir ist das Hörerlebnis auch nicht fremd, meine Kopfmelodien zu finden.
Aber das ist halt so und es muss zu keinem Konsens führen.