SALÒ, ULLA SUSPEKT, 28.11.2024, clubCANN, Stuttgart
Für diesen gig-blog-Beitrag habe ich mich eingetragen, um hauptsächlich darüber zu berichten, dass ich im Sommer schon mal bei Salò im clubCANN war. Ende Juni hätte die Band mit den Sportfreunden Stiller auf dem Killesberg spielen sollen, aber dann fiel die Hauptband krankheitsbedingt aus und irgendwie wurde für den Support ein Spontankonzert organisiert und deutlich unter 24 Stunden lang beworben. Was dazu führt, dass wir uns ungefähr zu Achtzigst in dem kleineren Raum oben im Jugendhaus ein komplett geiles Konzert sahen, gegen das eine finnische Sauna ein Scheißdreck war. Frontman Salò musste sich während dem Gig wegen Rutschgefahr seiner weißen Crocs entledigen und schwamm am Ende in seinen Klamotten. Die Glückgefühle bei allen Beteiligten könnten damals eventuell auch durch den Sauerstoffmangel bedingt gewesen sein, aber die Songs hatten natürlich auch gezündet! Jedenfalls war’s one for the (hot) books.
Im Juni stand schon fest, dass Salò Ende November nochmal im clubCANN kommen, jetzt ist es so weit. Als Vorband sehen wir die wunderbare(n) Ulla Suspekt. Das Set beginnt sie mit einer Rückkopplungsperformance mit Bass und orangem Leuchtmittel. Das ist sehr minimalistisch und arty, lediglich beschienen vom einem blauen U-Bahn-U. Das einsame U ist auch zu sehen auf dem Cover von Ulla Suspekts aktueller EP. Ein einzelner Buchstabe steht sehr gut für die minimalistischen, klugen Texte, die immer wieder wiederholten kurze Sätze und nicht zu lockeren, basslastigen Sound. Holger – heute an der Kamera – hört Klaus Johann Grobe-Zitate, ich sehe Cali vor mir, die bei der Sommershow im Schwitzkasten viel zu warm angezogen war und trotzdem den Support gemeistert hatte. Beim Publikum kommt das sehr gut an, auch wenn bei „Peter the Woman Beater“ mit der Bassgitarre auf alle geschossen wird. Mit Tatütata ravet sich Ulla Suspekt dann von der Bühne, der Gitarrist und der kurzfristig eingesprungene Schlagzeuger haben da schon frei.
Diese Bühne ist eine sehr geile, knallbunte Sache heute: Der Backdrop ist über und über mit Kuscheltieren in allen Größen und Farben behängt. Rund ums Schlagzeug türmen sich die Tierchen, vom Mikrofonständer baumeln Mäuse und Seehunde und zu dem großen Dalmatiner am Bühnenrand gesellt sich noch ein riesiger Husky wie ein Hauptpreis von der Losbude am Cannstatter-Wasen (oder in diesem Fall wohl eher vom Wiener Prater). Das Salò-Logo auf der Bassdrum ist von Toys’R’Us geklaut. Es muss heute im stattlich gefüllten großen Saal also nochmal wahnsinnig lieb werden!
… wird es aber nicht! „Staubsaugermann“ ist der erste Song, dann geht erstmal gar nichts mehr, weil „unsere Samples fehlen“. Die Technik streikt, der Frontmann direkt mit. Mini an der Gitarre versucht die Sache zu retten, es entspinnt sich ein kleiner Freestyle zum Thema „Sowas ist uns noch nie passiert“ – auch mal nett auf einem Konzert, bei dem improvisierte Texte eher unüblich sind. Das Publikum hat Bock und Geduld, aber auf der Bühne ist die Laune eher am Boden und es dauert, bis sich alle gemeinsam wieder auf derselben Gefühlshöhe befinden.
Das ist arg schade, weil die Kuscheltiere so niedlich und die Songs so gut und die Texte so smart sind! Zu „Anzeige ist raus“ und „Das Blaue vom Himmel“ vom neuen Album „Problemzone Mensch“ wird auf und vor der Bühne aber getanzt. Der große Salò mit dem Bürstenschnitt ist ein Kicker, ein Mikrofonschleuderer, ein Kabelverwickler und Schwitzer (An dieser Stelle muss jetzt Sebastian Murphy von den Viagra Boys genauso als Referenz erwähnt werden wie Falco, sonst gilt dieser Konzerbericht gar nicht!). Mini an der Gitarre muss auch den Schellenkranz schleudern und auf dem Boden kniend Keyboard spielen. Drummer Max kämpft weiter gegen und für die Technik und Philip am Bass sorgt für den Druck auf der ganzen Sache.
„Ich glaube nicht an Dinosaurier“ ist ein brillant reduzierter Song über einsame Verschwörungstheoretiker. Bei „Von Rot nach Weiß“ geht’s mit Feature von Sofia Portanet „vom Band“ (Sofia ist am kommenden Montag live im Wizemann zu sehen) ums Zähneputzen und die Liebe und endet in einem bezaubernden Katzenchor. So langsam lacht der Frontman auch wieder – oder ist das doch alles eh nur eiskalt gestaged und missmutiger Wiener Schmäh?! – und findet Kraft, den bereits erwähnten, monströsen Plüschhund zu schultern, der dann zu „Glock 17“ nahezu majestätisch über die Crowd surft.
Die Stimmung kocht entsprechend, nach „Geil auf Beton“ labert ein Gast irgendwas von T-Shirt ausziehen und wird daraufhin in aller Schärfe darauf hingewiesen, dass wer sich hier des Laiberls vom Männeroberkörper entledigt, direkt rausfliegt. Trotzdem gibt’s beim nächsten Song dann Sekt aufs Haus und anschließend einen lebendigen Bären auf der Bühne, der ein Glücksrad dabei hat, bei dem man tatsächlich ein Hausverbot für diesen Kindergeburtstag gewinnen kann. Glück für Besucherin Angelina, dass es dann doch nur ein kleiner Stofftierhund wird!
Der neueste Release „Valeria (schieß mich tot)“ wird frenetisch bejubelt. Ich brauche eine kurze Pause und helfe derweil mit Bargeld an der sehr günstigen Bar aus, an der man aber nicht mit Karte bezahlen kann. Wenn ihr das mal hinbekommen könntet, liebe Stuttgarter Jugendhausgesellschaft, die ewige Dankbarkeit der Gäste nicht nur für das tolle Konzertprogramm, wäre euch sicher!
Rechtzeitig zu „Apollonia“ an der Edeka-Kasse bin ich aber zurück, aber zu weit hinten für den Flinta-Moshpit – inspiriert von Team Scheisse, mit denen Salò auch schon auf Tour waren. Nach diesem Hit ist der Saal trotz aller technischen Widrigkeiten für diesen Abend abgerissen und zu „Männergefühle“ gibt’s noch reichlich Band-Verbeugungen für die durchgeschwitzte Menge. Aufguss ist bei Salò also offensichtlich immer!
Wir freuen uns auf die nächste Show in Stuttgart und drücken die Daumen, dass dann wirklich mal alles nach Plan läuft!