BADMOMZJAY, FLORENTINA, 26.11.2024, Liederhalle, Stuttgart
Gerade noch rechtzeitig sehe ich die Insta-Story für die weit über 500.000 Follower von Badmómzjay, dass es einen Dresscode für die Survival Tour 2024 gibt: In Rot und Schwarz sollen die Fans zu den Konzerten kommen („Bei Nina Chuba gab’s nur eine Frisuren-Vorgabe“, sagt Fotograf X-tof und meint den mehrfach unterteilten Zopf der Konkurrentin um den deutschen Rap-Königinnen-Thron.)
Und sie tun es: Junge Frauen samt männlicher Begleitung, Mädchen und Mütter strömen aufgehübscht in die Liederhalle (Einige haben schon ab dem Vormittag vor dem Eingang gewartet, um in die ersten Reihen zu kommen.) Nicht zu schick, eher sporty gestylt, aber jede*r Einzelne hat sich für dieses Event Mühe gegeben und Zeit vor dem Spiegel verbracht.
Support-Act Florentina tritt lieber in Grün und Schwarz auf und besingt die Hürden zum Erreichen der perfekten romantischen Zweierbeziehung. Das gelingt ihr solo vor dem schwarzen Vorhang, der die Bühne verbirgt, sehr gut. Das Publikum ist äußerst textsicher dabei. Im Februar wird Florentina mit ihren RnB-Songs nochmal in der Schräglage zu sehen sein.
Zurück zu Rot und Schwarz: Badmómzjay mit den feuerroten Haaren rappt ihre ersten Zeilen vor dem riesigen Survival Mode-Banner, dann werden zwei leicht versetzt aufgehängte Videoleinwände enthüllt, vier Tänzer*innen treten in der Show mit auf. Schwarze Anzüge, weiße Hemden und schwarze Krawatten geben allen einen androgynen Look. Jordy – so lautet Badmómzjays Rufname – hat nicht nur ein mit Strass und Glitzer besetztes Mikrofon, sondern auch einen funkelnden Gehstock, wie ein Snoop Dogg-mäßiger Westcoast-Pimp. Und so rappt sie auch: Deftig in der Wortwahl, kantig in den Reimen – ihre Songs haben auf den Musikplattformen das große E für „Explizit“. Die Texte in Kombination mit den poppigen Beats sind trotzdem wie gemacht für die Top Ten der deutschen Charts: Beide Alben der Künstlerin haben es dorthin geschafft, auf Spotify hat sie 1,4 Millionen monatliche Hörer*innen.
Ganz unvirtuell packt Jordy das Publikum im altehrwürdigen Beethoven-Saal jetzt mit „Tu nicht so“. Jede*r kennt die Texte und rappt Wort für Wort mit. Die Choreografien auf der Bühne sitzen perfekt und zu „Ice Cube“ verschwindet Badmómzjays Anzug wie bei einer Zaubershow und sie trägt nur noch Korsage und ein kurzes weißes Hemdkleid.
Badmómzjays Vorbilder sind Nicki Minaj und Cardi B und so hoch hängt bei diesem Show-Feuerwerk auch die Messlatte, für eine 22jährige Künstlerin ist das sehr ehrgeizig. Sie habe ein schweres Jahr hinter sich und ist logischerweise aufgeregt, aber umso glücklicher, dass die Tour nun startet. Dass bei der Premiere ab und an was hakt – ein Kostümwechsel zu lang dauert oder ein Einspieler nicht rechtzeitig kommt – ist deshalb völlig geschenkt.
Im roten, über und über mit Glitzersteinen besetzten Kleid, performt sie ganz alleine auf der Bühne ihre langsameren, sehr persönlichen Songs – über ihren Vater, den sie nicht kennt und dass sie nicht vielen Menschen vertraut. Trotzdem traut sie sich, spontan eine Besucherin auf die Bühne zu holen, um gemeinsam „Airplanes“ zu singen. Alessia aus dem Publikum meistert diese Aufgabe perfekt.
Die Kamera fängt derweil alles für die zwei großen Leinwände ein, auf denen auch zu den Songs passende Projektionen laufen. Ein schöner Effekt ist dabei die Draufsicht von oben, damit man auch die Formationen der Dance Crew sehen kann. Filmt die Kamera dagegen genau am Bühnenrand, kann es schon passieren, dass ein Smartphone-Bildschirm ins Bild gerät, denn die Telefone sind beim Publikum konstant in der Höhe.
Eines der Bühnenbilder mit drei Spiegeln, erinnert Begleitung @letteredsheets zurecht sehr stark an „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur, eine Referenz, die den wenigsten der sehr jungen Menschen im Saal etwas sagen dürfte. Bei „Alles glänzt“ könnte das Original von Peter Fox schon eher bekannt sein. Takt 32 und Vito kommen kurz als Feature-Gäste auf die Bühne und ich habe das Gefühl, dass in diesem Moment Anspannung von Jordy abfällt und sie ihre eigene Show etwas mehr genießen kann. Das ist schön zu sehen, aber auch ein bisschen schade, weil sie mit ihrer Bühnenpräsenz eigentlich gar keine männliche Unterstützung nötig hat.
Was diese junge Künstlerin über fast zwei Stunden ihren Fans bietet, ist eine Wahnsinnsleistung. Es steckt viel Wille einer Einzelkämpferin darin, die schon viel erlebt und es weit gebracht hat. Am Ende, nach „Keine Tränen“, zeigt sie sich trotzdem als kleines Mädchen, das in Armut aufgewachsen ist, auf der Videoleinwand. Wie sie den schmalen Grat zwischen alles und nichts haben, zwischen Introvertiertheit und Star sein meistert, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft in Texte und Musik packt und auf die Bühne bringt, das macht Jordy zum Rap-Superstar Badmómzjay.