TANITH, GRENDEL’S SŸSTER, 06.11.2024, Schwarzer Keiler, Stuttgart
Auch für mich selbst eine unerwartete Entwicklung: Eigentlich war meine Metal-Phase mit Ende des Teenager-Daseins weitgehend beendet. Denn dann kam alles andere Interessante, Indie & Punk, Soul & HipHop, Country & Jazz. Ab und zu gab es eher nostalgische Konzerterlebnisse mit alten Helden, wo ich mich aber doch eher als Tourist fühlte.
Aber die Vergangenheit holt mich zunehmend wieder ein, mit Plattenkäufen und sich häufenden Keiler-Besuchen – zuletzt gleich dreimal in acht Tagen im Stuttgarter Metal-Club. Auch wegen des enorm sympathischen Ladens und dem motivierten Team – in erster Linie aber wegen der Musik. Denn bei Liveauftritten aktueller Bands wie zuletzt Hellripper und Bewitcher darf ich erkennen, dass auch so credible Bands wie Motörhead, Judas Priest oder Slayer eben schon lange alte Säcke sind – aller Ehren wert, aber von der Gegenwart vielleicht doch ein wenig überholt.
Der Auftritt der New Yorker Tanith versprach so ein Mittelding zwischen diesen beiden Metal-Epochen: noch nicht ganz so alt, aber doch schon viele Jahre dabei und auch musikalisch eher traditionell als allzu satanisch, hyperschnell oder metalcorig.
Gutgelaunt und motiviert treffe ich im Keiler ein und kenne dort inzwischen auch einige Gesichter, manche*n auch aus weit weniger metallischen Clubs und Kneipen – der Laden scheint zu wachsen.
Die Stuttgarter Local Heroes Grendel’s Sÿster eröffnen den Abend. Ihr Sound bewegt sich irgendwo zwischen Ougenweide und den frühen Manowar, ist also sowas wie Folk-Metal, teils mit deutschen Texten und dann irgendwie in Richtung hart rockender Seemanns-Shanties wegsegelnd. Eigentlich nicht meine Tasse Tee, finde ich ihr 45-minütiges Support-Set (erst ihr vierter Liveauftritt überhaupt) aber doch gelungen und kurzweilig – mal was anderes.
Während der Umbaupause belausche ich ein Fachgespräch zwischen Keiler-Boss Frank Drake und dem Gigblog-Metallurgen Lino über Gitarrist Russ Tippins und dessen bewegter Vergangenheit bei semi-legendären Bands wie Satan, Blind Fury oder Pariah. Auf der Bühne erweist er sich optisch als Wiedergänger des jungen Captain Beefheart (oder Grant Hart?), ähnlich gut aussehend wie der Rest der Band.
Sängerin und Bassistin Cindy Maynard teilt sich den Gesang mit Tippins, der wiederum die Gitarrenparts mit Dino Destroyer (ein Künstlername?), dem Kollegen mit dem „Big Hair“ ausmacht. Und aus dieser doppelten Zusammenarbeit entsteht auch der besondere Sound von Tanith. Der ist oldschoolig-metallisch. Oft fast schon klassischer Hardrock der 70er, teils auch mal ganz leicht angeprogt. Dazu passen auch zumindest manche Shirts von Keiler-Gästen (Thin Lizzy, Ace Frehley, zweimal frühe Rush).
Die Vocals werden entweder abwechselnd oder zweistimmig vorgetragen, die Gitarren machen dasselbe. Dabei entstehen oft elegante Twin-Guitar-Läufe (mal unisono, mal leicht versetzt), wie man sie vor allem von Thin Lizzy, aber auch von Iron Maiden kennt. Was mich bei manchen Retro-Bands oft sehr stört, ist die scheinbar zementierte Verwurzelung im Blues. Nichts gegen historische Genre-Pioniere, aber wenn Hardrocker den Blues kriegen, wird es halt oft arg zäh.
Bei Tanith droht diesbezüglich keine Gefahr, denn sie bedienen sich ausschließlich bei den coolen Elementen von Hardrock und meinetwegen auch NWOBHM. Dabei bleiben sie aber immer melodisch und songorientiert. Die Soli sind kurz, kompakte Teamarbeit bestimmt den trockenen Sound. Auf den beiden bei Metal Blade Records erschienen Alben klingt das sehr rund, sauber und ausgefeilt, live kommen Tanith natürlich deutlich druckvoller rüber. So gestalten sich die 75 Konzertminuten extrem kurzweilig, die Band hat Spaß, das sachkundige Publikum ist schwer begeistert – wie auch ich, allein schon deswegen, Hardrockkonzerte im kleinen, familiären Rahmen mit geschätzt hundert Leuten erleben zu können.