BEWITCHER, MOUNTAIN THRONE, 04.11.2024, Schwarzer Keiler, Stuttgart
Könnte sein, dass ich aus dem November mit ca. 40 % weniger Hörvermögen rauskomme, als ich in ihn reingegangen bin. Viele Konzerte, viel Metal, viel Dezibel stehen parat diesen Monat. Sich mit Lautstärke zu betäuben ist angesichts Weltlage – spezifischer: anstehender US-Wahlen – auch nicht das Verkehrteste. Nun denn, Bewitcher aus Oregon machen uns heute Abend ein satanisches Rock ’n‘ Roll Angebot, das wir trotz Montagabend nicht ausschlagen können.
Meine Keiler-Konzerte waren bisher u.a. dadurch gekennzeichnet, dass der Support-Slot von Bands aus der Region bespielt wurde, die immer sehr gut waren. Mountain Throne aus Baden-Baden übernehmen heute diese Rolle, und Mann oh Mann, das ist tatsächlich wieder ein Volltreffer. Der Vierer trifft nicht nur stilistisch einen Sweetspot bei mir. Epischer Doom reicht die Hand dem frühem 80er Metal, der mal vom NWOBHM, mal vom US-Metal Bands wie Manilla Road, Omen oder Savatage beeinflusst scheint. Dazu gesellen sich starke Kompositionen, gute Melodien. Alles eingebettet in einem wohligen, oldschooligen Bandsound, mit dem Bass schön weit vorne im Mix.
Der Sänger trägt nicht nur ein Iron Maiden Shirt mit dem Killers-Motiv, er erinnert mich bei seinem Vibrato tatsächlich auch etwas an den kürzlich verstorbenen Paul Di Anno. Die Musik klingt aber nur in ihren schnelleren Momenten an die frühen, räudigen Maiden minus zweiter Gitarre. Das fantastische „Thunderstorm Nights“ hingegen erhebt sich sogar in Candlemass-artige Sphären der Doom-Güte. Beeindruckend gut!
Charmant finde ich, dass MT nicht steril perfekt klingen. Miniwackler hier und da, vielleicht nicht immer supertight, aber genau das unterstreicht diesen organischen Klang, wie man ihn auf alten Hardrock-/Metal-Platten wiederfindet, und in meinem Fall liebt. Wenn ich an dem Auftritt irgendetwas bekritteln mag, dann, dass er für eine Vorband etwas lang geraten ist. Und als Zugabe wird ein straighter Rocker gespielt, der mir als einziger Song eines ansonsten tipptoppigen Sets nicht gefällt. Ansonsten hält die Tradition beeindruckend guter Vorbands im Keiler weiterhin an.
Wir verbleiben bei der Hauptband im Bereich von Bands, die sich an den Sound älterer Metal-Epochen orientieren. Das Trio von Bewitcher beackert ein ähnliches Terrain wie – die im Keiler mittlerweile legendären – Hellripper. Soll heißen: satanische Imagery wird gekoppelt mit dem rohen, gemeinen Sound von First Wave Of Black Metal Bands wie Venom und Bathory, das Ganze mit einem Schuss Motörhead. Bei Bewitcher muss man sagen: einem sehr großen Schuss Motörhead.
Im Gegensatz zu Hellripper schlagen Bewitcher, man muss fast schon sagen Gott-(oder whomever)seidank, nicht so ein geisteskrankes Höllentempo an. Also speedig ist es schon, und das fast durchgängig, aber die Geschwindigkeit der Musik bewegt sich in einem Bereich, in dem es einfacher fällt, etwaige Melodien und sonstige Strukturen rauszufiltern. So kann man einigen Songs durchaus eine Art Catchiness attestieren.
Der Gesang ist für das Genre typisch rauh, irgendwo zwischen gekeift und heiser gebrüllt. Unterstützend übernimmt der Bassist ein paar Stellen, und er klingt tatsächlich noch gemeiner und bösartiger als der eigentliche Leadvokalist. Natürlich sind die Liedlängen nicht groß der Rede wert, meistens nur ein paar Minuten. Man kommt schnell zur Sache und lässt sie auch wieder hinter sich.
Optisch macht das Trio einiges her. Der Bassist schaut fies und böse, der Schlagzeuger ist eine Wand aus sich bewegenden Haaren, und der Sänger reißt expressiv die Augen auf und wirft Plektren ins Publikum. Bewitcher sind also vom Look her eindeutig Metal. Ebenso sprechen die Texte mit schönen Titeln wie „Too Fast For The Flames“ oder „Satanic Magic Attack“ eine eindeutige Sprache. Würde man allerdings von der Musik etwas Tempo und Lautstärke herausnehmen, wäre es oftmals der gute, alte Rock’n Roll mit Punk-Einschlag, den man hier zu hören bekommt. Dazu passen dann natürlich die durchaus bluesigen Gitarrensoli. Gitarrist und Sänger M. beweist bei diesen, dass er neben einer guten Technik auch einen guten Ton aus seiner Flying V herausholt.
Das Set ist mit knapp 60 Minuten für diese Art von Musik angemessen lang. Mehr kann weder für die Band noch für das Publikum gesund sein. Passender gewählt kann auch die Zugabe nicht sein. „We Are The Roadcrew“ von, natürlich, Motörhead. Ein Auftritt wie ein sonorisches Unwetter. Kurz, heftig und ein physisches Erlebnis, das einen zeichnet. Dass das Publikum so etwas an einem Montagabend feiernd bejubelt, das ist wohl the magic of Rock’n Roll.