CHARLES DE GOAL, 02.11.2024, Kulturbunker, Stuttgart
Das entwickelt sich ganz prächtig, was der Verein Transmission im Kulturbunker am Stuttgarter Diakonissenplatz etabliert hat. Mit Leidenschaft und Ehrenamt werden hier Konzert- und Partyabende veranstaltet, für die es ansonsten keine angemessenen Locations gibt. So auch an diesem herbstlichen Samstagabend, wo sich der Bunker trotz beachtlicher Konzertkonkurrenz schon früh füllt – mit überwiegend reiferen Menschen in selbstredend ausnahmslos schwarzen Klamotten. Denn heute spielt eine zumindest in Fachkreisen legendäre französische Band, die die düsteren 80er mit Wave-Rock und Synth-Punk reanimiert.
Zunächst entfalten die Local Heroes Vague Phonique mit ihrem einstündigen Support-Set den passenden Vibe zum düsterlichen Retrotrip. Zu Computerbeat und Synthiesound gibt es unterkühlten Frauengesang und – Überraschung! – den geschätzten Drummer der Sixties-Helden The Recalls an der Stromgitarre. Zu dritt haben sie einen üppigen Sound mit darkwavigen Melodien in zartem Moll; Gothic-Pop im Retro-Modus hat offensichtlich eine Zukunft.
Der (kleine) Kult um Charles De Goal ist letztlich dem ersten Song auf ihrem ersten Album von 1980 zu verdanken: „Exposition“ ist bis heute ein Hit in der Düsterdisco und wird auch 44 Jahre später für kleinere Ekstasen im proppevollen Konzertraum sorgen.
Bei Discogs firmieren Charles De Goal noch unter Minimal Synth, erweisen sich heute aber als überwiegend hart rockende Postpunk-Band mit harscher Gitarrenpower. Mastermind Patrick Blain veröffentliche in den 80ern mehrere Alben beim verblichenen New Rose-Label, um dann nach zwanzig Jahren Pause doch noch zwei weitere Alben zu veröffentlichen.
Heute steht der alterslose Pariser mit seiner seit Jahren stabilen Band auf der Bunkerbühne und haut von Anfang an entschlossen in die Saiten. Charles De Goal klingen kantig und schneidend, haben dazu einen richtig fetten Groove. Fast alle Songs beginnen mit treibendem Maschinenbeat, dann steigt der hart arbeitende Drummer ein. Der Bass pumpt dazu klassische Joy Division-Riffs.
Wenn dann die beiden noisigen Postpunk-Gitarren loslegen, ist das für mich oft lupenreine Gang Of Four-Magie: fiebrig, messerscharf, extrem dynamisch und absolut mitreißend. Auch der parolenhaft geshoutete Gesang trägt zur kraftvollen Performance bei. Der Funke springt schnell zum Publikum über, viele scheinen die Band zu kennen und es wird mit Grinsen im Gesicht getanzt.
Coldwaviges beschränkt sich meistens auf die kurzen Intros, schnell wird dann so richtig auf die düsterpunkige Kacke gehauen, die dominanten Gitarren durchpflügen den treibenden Beat. Dazu erweisen sich die reifen Herren als charmant und grundsympathisch – offensichtlich haben sie im Karriereherbst richtig Spaß am eskalierenden Postpunk. Gut gealtert wäre für Charles De Goal wirklich maßlos untertrieben, ich hoffe sehr auf weitere Auftritte im Kulturbunker. Als ich mich erschöpft auf den Heimweg mache, fängt die Aftershowparty mit Resident-DJ Zorn und Bleakphil (Slowclub Freiburg) gerade vielversprechend an – nächstes Mal halte ich garantiert länger durch.