WHISPERING SONS, SWIRLPOOL, 25.10.2024, Manufaktur, Schorndorf

Schon seit einiger Zeit höre ich aus meiner Musikblase, was für eine außergewöhnliche Live-Band Whispering Sons doch seien und man sie unbedingt gesehen haben müsse. Nun habe ich heute Abend also die Gelegenheit, meine Konzertbildungslücke endlich zu schließen, da die Band aus Belgien mit ihrem aktuellen, selbst produzierten Album „The Great Calm“ auf Tour ist und in der Manufaktur gastiert. Ein Album, das nicht ganz so düster ausgefallen ist wie seine beiden Vorgänger, aber trotzdem nichts an Energie und Intensität eingebüßt hat.

Doch bevor ich endlich die fünf Musiker*innen aus Brüssel sehen darf, betreten Swirlpool aus Regensburg die Bühne und bereits nach den ersten Sekunden ist klar, es wird laut werden. Sphärische Distortion erklingt, ein Gitarrengewitter, das an Industrial Bands wie zum Beispiel „Swans“ denken lässt, gepaart mit Postpunk und dichten, schwer zu durchdringenden Shoegaze Soundschichtungen, die eine, nicht unerhebliche Metal-Klangfärbung aufweisen. Mir kommen da Genregrößen wie „Hum“ und „DIIV“ in den Sinn. Wuchtig ist das, ja, geradezu eine körperliche Erfahrung. Doch der Sound Swirlpools erschöpft sich nicht in diesem Wall of Sound, er ist immer auch introvertiert und hat, wie beim Song „Cinnamon Sun“ Dream Pop Qualitäten.
Mir gefällt das ausgesprochen gut. Für mich sind Swirlpool eine echte Entdeckung, auch wenn es die Band schon seit 2017 gibt. Hier schon mal meinen Dank an das exzellente Booking!

Auftritt Whispering Sons, Störgeräusche ertönen, das E-Piano setzt ein und der tiefe, narrative Gesang von Fenne Kuppens erzeugt bei mir schon nach wenigen Sekunden eine Gänsehaut. Wow! Pause; ehrfurchtsvolle, gespannte Stille herrscht im Publikum. Das Schlagzeug von Tuur Vanderborne setzt mit einer gewaltigen Rhythmik ein, die durch das zwingende Bassspiel von Bert Vliegen erweitert und vertieft wird. In der Kombination aus Sander Pelsmaekers Synthesizer und Kobe Lijnens Gitarre entsteht eine flirrende, düster dräuende Form des Postpunks. Es ist klar, heute Abend darf man Großem beiwohnen!

Geradezu unglaublich ist die überwältigende Bühnenpräsenz von Kuppen, nicht nur ihre dunkle, geheimnisvolle Stimme ist es, auch ihre physische Gegenwärtigkeit wirkt magisch und fordernd. Ihre Haltung ist lauernd, um dann in exaltierte und geschmeidige Bewegungen überzugehen. Ein Kontakt zum Publikum entsteht, wie er intensiver nicht sein könnte. Mimik, die theatrale Gestik, der direkte Blick in die Menge, das nimmt gefangen. Was für eine Energie, ganz großes Kino ist das, entsteht doch durch diesen flirrenden, verstörenden und gleichzeitig schönen Sound eine fast schon synästhetisch erfahrbare, monochrome Atmosphäre, die mich an die Ästhetik des Film Noir denken lässt um dann wieder, nicht nur vor meinem inneren Auge (Dank der stimmungsvollen Lichtregie), in ein lyncheskes Rot zu wechseln, das in die surrealen Welten David Lynchs entführt. Man wähnt sich in der schwarzen Hütte aus Twin Peaks, in der die Protagonisten mit den (Un-)Tiefen ihrer Psychen konfrontiert werden. Hier drängen sich dann schon Bezüge zur großen Geschichte des belgischen Surrealismus auf, kommen mir doch auch die teils verstörenden Bilder, die es verstehen, das Menschsein zu sezieren, von James Ensor in den Sinn.

Ein magischer Realismus von großer existenzieller Dringlichkeit wird hier dargeboten. Pure Passion an den Moment, in dem es nicht anderes gibt als die reine Hingabe an die Kunst. Und ob der Tiefe und des Dunkels hat dieses Konzert, nein, diese Performance, etwas Erhebendes. Ein mystisches Hochamt der Musik.
Hier erlebt man, was Livemusik sein kann, eine wirkliche Erfahrung. Etwas, das nur direkt erlebbar ist, was kein Video und kein Album zu vermitteln vermag. Und wer glaubt, dies wäre zu euphorisch geschrieben, dem empfehle ich dringendst den Besuch eines Konzerts der Whispering Sons!
