PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Es war echt mal wieder Zeit. Nach dem letzten Konzert war es da. Das Gefühl, dass es für das eigene Ying und Yang gut sei, nicht nur Konzerten mit Männerrock beizuwohnen. Perfektes Timing also, dass Parsnip aus Australien heute in der Manufaktur luftigen Retropop spielen werden. Vier junge Frauen aus Australien, die wahrscheinlich ziemlich Bock haben heute Abend aufzutreten, nachdem der gestrige Auftritt anscheinend vom Veranstalter einfach vergessen wurde. Ein Alptraum für jede Band.

Das passiert in der Manufaktur natürlich nicht. Deswegen legen Parsnip gegen viertel vor neun los. Und das fängt gleich gut an, mit mehrstimmigen „Bababa“ (oder isses „Dadada“?) Gesängen und einem starken Sixties-Aroma, das „Lift Off“ durchzieht. Jede in der Band ist über das Konzert hinweg am Gesang beteiligt. Meist ist es Paris Ritchens am, natürlich, Höfner Bass, die den Leadgesang übernimmt. Die Gitarristin Stella Rennex schrammelt und jangelt Akkorde dazu, die gerne mal an frühe The Who oder Kinks erinnern. Rebecca Liston am Keyboard orgelt dazu meist einen Teppich, der alles mit einem Psychedelic-in-the-very-early-days-Sound unterlegt. Carolyn Hawkins trommelt ziemlich verspielt und singt auch ab und zu die Hauptstimme.

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Was nach einigen Songs faszinierend festzustellen ist: Parsnip spielen eigentlich einen ziemlich lo-fi-gen Retropop, der sich trotzdem an gewagte Arrangements wagt und mit großer Verspieltheit glänzt. Faszinierend deswegen, weil jetzt wirklich niemand an ihrem Instrument technisch irgendwie besonders ausgebildet erscheint. Um es anders zu formulieren: Zu einer Steely Dan Studio-Session wird von den Damen niemand so schnell eingeladen. Die Band operiert so gefühlt oft am allerobersten Ende ihrer technischen Fähigkeiten, lässt es sich aber nicht nehmen, komplexe Melodieführungen auf dem Bass und Tempiwechsel in ihre Songs einzuflechten. Man hat oft das Gefühl, dass es gleich schiefgeht, tut es aber nicht. Und das hat immens Charme und funktioniert live tatsächlich toll.

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
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Irgendwie passt zu diesem Konzept dann auch die etwas verschrobene, sehr sich selbst zugewandte Bühnenpräsenz. Ansagen sind nur kurz und schüchtern, man albert eher untereinander herum. Ich empfinde das als ganz sympathisch. Es ist ziemlich sicher nicht hundertprozentig professionell und das Publikum einbeziehend, aber es passt zur leicht dilettantischen Ausstrahlung einer Band, die einfach versucht ihren Ideenreichtum in spielbare Musik zu übersetzen.

Surf-Einflüsse sind durchaus auch zu vernehmen, vor allem, wenn Hall auf die Gitarre kommt. Deswegen, aber nicht nur deswegen, kommt mir auch der ödeste aller öden Vergleiche in den Sinn, nämlich: Parsnip könnte man sich durchaus als Teil eines Tarantino-Soundtracks vorstellen. Öd, aber macht’s irgendwie begreifbarer.

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
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Um es aber auch klar zu sagen: Die Musik ist nicht nur sympathisch, schrullig, charmant, sondern es gibt starke Melodien zuhauf. Vieles bleibt tatsächlich schon beim ersten Mal hängen, trotz manchmal bewusst eingesetzter Verquerheit. Ein Element wäre da der Gesang. Man kann darüber diskutieren, ob diverse Schiefheiten im Vortrag einfach nur fehlendes Können oder ein bewusst eingesetztes Stilmittel sind. Da für mein Ohr die schief klingenden Melodien innerhalb eines Songs immer an derselben Stelle auftauchen und gleich schief klingen, plädiere ich auf Absicht.

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
Foto: Holger Vogt

Warum Australierinnen einen Song haben, der „Dummkopf“ heißt, muss ich nicht verstehen. Was ich mich vielmehr frage: 2017 wurde dieser veröffentlicht. Eine grobe optische Einschätzung ergibt: Die Musikerinnen dürften da so ungefähr 11 Jahre alt gewesen sein, wenn ich meine maths korrekt gegettet hab. Alter Sarrazin-Trick: da niemand was anderes sagt, habe ich wohl recht.

Natürlich ist dann auch das Ende des Konzerts nicht das einer abgezockten Muckerband mit überbordendem Ego. Man ist überrascht von den Zugaberufen, teils ist man schon runter von der Bühne, ein Verstärker wurde schon ausgeschaltet. Man entschließt sich aber dann doch noch einen Song zu spielen. Und obwohl ich schon auch Fan von hochglanzpoduzierter Muckermusik bin, sage ich: Parsnip würde ich mir jederzeit wieder anschauen.

PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Holger Vogt
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2 Gedanken zu „PARSNIP, 23.10.2024, Manufaktur, Schorndorf

  • 24. Oktober 2024 um 12:10 Uhr
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    Sehr schöner Kommentar und schöne Bilder von Holger…. stimmt, manchmal ist man verwirrt, ob der schiefen Töne beim Gesang… Absicht…? Ein liebes Konzert mit lieben Mädels… hätte durchaus auch mehr Publikum verdient… bis zum nächsten Mal. Klaus

  • 24. Oktober 2024 um 17:38 Uhr
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    Vielen Dank, Klaus. Tatsächlich ein unterhaltsamer Abend. (Und ich habe versucht, dir nicht allzu viel vor der Nase rumzulaufen. ;) )

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