MARK FOGGO’S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
Foto: Martin Schniz

Hand aufs Herz. Immer nur musikalische Feinkost ist auch nix. Hin und wieder darf’s auch ein derber Sattmacher sein. Womit wir direkt beim Ska wären. Genau genommen bei der Variante, die bisher wohl am schlechtesten gealtert ist. Dem „Third-Wave-Ska“ aus den späten 1980ern und 1990ern. Während der Original Jamaika Ska und der zweite Aufguss namens 2-Tone schon fast Kulturerbe-Status haben, wird die dritte Welle – zusammen mit ihrem noch grobschlächtigeren Bruder Ska-Punk – von Connaisseuren nur mit Schaudern betrachtet. Nicht ganz zu Unrecht.

Was aber zu allen Spielarten des Ska gehört, ist Bier. Was läge es da näher, als vorher bei der Eröffnung des Kraftpaule-Ablegers „Tempus“ vorbeizuschauen, dem mitteles Craftbeer wiederbelebten Café des Geschichtsmuseums. Glückliche Fügung: Der DJ, der Café und Innenhof beschallt, hat sich ebenfalls Reggae und Ska verschrieben. Warm-up gelungen, würde ich sagen. Erster Eindruck: Die Location hat Potenzial, der Innenhof schreit geradezu nach Kultur- und Bierprogramm.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
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Vor dem Schlesinger hat sich derweil eine ansehnliche Menschentraube versammelt. Allen Unkenrufen zum Trotz scheint Ska doch noch nicht ganz tot zu sein. Und selbst in Stuttgart, das mal eine Offbeat-Hochburg war, um das internationale Größen wie The Slackers aber seit Jahren einen großen Bogen machen, gibt es offensichtlich genug Leute, um das Konzert von Mark Foggo’s Skasters mal eben auszuverkaufen. Es ist aber nicht zu übersehen: Ein junges Publikum zieht diese Art von Musik nicht unbedingt an.

Enorm, mit welchem Aufwand sich die Kultkneipe für einen Abend in einen Club verwandelt wird. Wo sonst leckere Küche und vielfältige Bierspezialitäten kredenzt werden, befindet sich heute eine Bühne, ein improvisierter Backstage-Bereich wurde daneben aufgebaut und das gesamte Mobiliar entfernt. Wahnsinn.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
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Die Lokalmatadoren No Sports eröffnen den Abend. Ganz zielgruppengerecht konzentrieren Sie sich auf Ihr Frühwerk, was auch binnen kürzester Zeit zu ausgelassener Partystimmung führt. Spätestens ihre unkaputtbaren Hits „Stay Rude, Stay Rebel“ und „King Kong“ sorgen dafür, dass Publikum und Location bereits nach dem Support deutlich über Wohlfühl-Temperatur sind. Der Auftritt endet etwas emotional mit dem Ween-Cover „Buenas Tardes Amigo“ als Verneigung vor dem legendären und viel zu früh verstorbenen Schlesinger-Wirt und No-Sports-Drummer Tschelle.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
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Nach einem relativ späten Konzertbeginn und einem ausgiebigen Support-Auftritt ist es bereits 22:45 Uhr, als Mark Foggo mit seinen Skasters die Bühne betritt. Der fast 74-Jährige ist mit Tanktop und kurzen Hosen nicht wirklich altersgemäß gekleidet, aber was schert es diesen kauzigen Typ, der zeitlebens auf der Bühne mit rollenden Augen und Grimassen den Kasper gegeben hat? Für mich und sicher auch für viele der Anwesenden beginnt eine Zeitreise. 1991 habe ich Mark Foggo zum ersten Mal im alten Feuerwehrhaus beim Stuttgart Skafestival gesehen. Ein Event, das er auch erwähnt, denn dort sei Ihnen angeblich ihre aufblasbare Sexpuppe entwendet worden, mit der sie den Song „Two Legs“ illustriert haben. Und das ist gut so. Denn man muss schon ganz bewusst über die Lyrics hinweg hören, um nicht vor Scham über den unverhohlenen Sexismus zu erröten, an dem sich damals niemand störte. Da braucht es wirklich nicht noch eine peinliche gestische Untermalung. Jetzt sind wir zwar noch weit entfernt von einem Alter-Weißer-Mann-Thomas-Gottschalk-Moment, aber diesen Song könnte der Brite dennoch ruhig aus dem Repertoire nehmen.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
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Der Rest ist glücklicherweise unverfänglich bis albern. „Ska Pig“, „Ska Town“, „Skadansk“ kommen eher monothematisch daher. Und sie repräsentieren exakt das, was den Ska der Dritten Welle zum einen so unfassbar partytauglich macht, aber auch so monoton. Das Tempo ist einheitlich hoch bis sehr hoch, der Offbeat immer derselbe. Da hilft es, dass die Band, die bis auf Saxofonist Paul Berding komplett runderneuert ist, dies wenigstens spielfreudig, präzis und druckvoll über die Rampe schiebt. Wenn man es aber mit Bands wie den zitierten Slackers oder den Aggrolites vergleicht, die mit Funk oder Early Reggae Varianz in ihr Repertoire bringen, ist dies halt doch musikalisch sehr simpel gestrickt.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
Foto: Martin Schniz

Aber was soll die Nörgelei. Alle sind glücklich, der gesamte Saal tanzt, das Bier fließt in Strömen. Kurzum, für einen Abend fühlen sich alle wieder jung, oder um es mit einem weiteren seiner Hits zu sagen: „Lucky To Be Alive“. Publikum und Band stacheln sich gegenseitig zu immer neuen Höchstleistungen an und Mark Foggo scheint nicht totzukriegen zu sein. Zwei Zugabenrunden klatscht das Publikum heraus und selbst, als die Band bereits alle mit ihrem Hit „Goodbye, Ska People“ verabschiedet hat, muss sie noch ein drittes Mal antreten. Mit einer schrägen Ska-Version von Chris Isaaks „Blue Hotel“ krönt sie die Rausschmeißer-Runde und so endet der Abend – wenig seniorengerecht – um 0:45 Uhr.

MARK FOGGO'S SKASTERS, 19.10.2024, Schlesinger, Stuttgart | Foto: Martin Schniz
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Mark Foggo’s Skasters

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