GNOME, HOLISTIC HOBOS, 17.10.2024, Goldmark’s, Stuttgart
Die Tradition (seit einer Woche) will es, dass ich mir donnerstags Rockbands mit nicht alltäglichen Kopfbedeckungen anschaue. Letzte Woche polnische Mönchskapuzen, heute belgische Zipfelmützen. Wäre ich ein Verschwörungsdulli würde ich aus diesem Minimuster gleich mal auf größere Zusammenhänge und Verwicklungen schließen. Ich bin aber nur ein simple man, der im knackevollen Goldmark’s an einem lauen Herbstabend erstmal auf die Supportband Holistic Hobos aus yours truly Landeshauptstadt Stuttgart wartet.
Gegen viertel vor Neun beginnt der Vierer so langsam sein Set mit atmosphärischen Gitarrenklängen. Erfreulicherweise sind die Holistic Hobos nicht die zwölftausendste Band, die einfach nur das Master Of Reality Rezept bis zum Erbrechen nachkocht. Die zwei Gitarren verstehen es psychedelische Momente zu erschaffen, während der Bass nicht einfach nur stumpf Gitarrenriffs eins zu eins nachspielt. Es wird mit leiseren Momenten operiert, und sogar harmonischere Akkorde sind zu hören. Die Band kündigt das vor einem Song als „Fahrstuhl-Stoner“ an. So bleibt die Musik immer spannend, und wenn dann mal Walzen-Riffs benutzt werden, entfalten sie viel mehr ihre Wirkung.
Zwei Dinge trüben dann noch den ansonsten positiven Eindruck. Einer hat nichts mit der Band zu tun, sondern einem Nebensteher, der über geschlagene drei Songs lang seinen Nebenmann vollquasselt, ca. 30 cm von meinem Ohr entfernt. Dude, es ist eh schon eng, du nimmst hier Raum ein, um dann auch noch anderen den Höreindruck zu versauen. Der Mitmensch an sich macht’s einem nicht immer leicht, ihn zu mögen. Der andere, die Musik betreffende, negative Aspekt ist, dass der Gesang bei den HH leider etwas schwach auf der Brust ist. Da der Gesang oft gedoppelt wird, deute ich das mal so, dass dies der Band auch durchaus bewusst ist. Aber das ist, zumindest so der Höreindruck beim Konzert, ein echtes Manko. Was umso mehr auffällt, da der instrumentale Teil nämlich tipptopp ist.
Was nach den ersten Sekunden Gnome sofort auffällt: Der Sound ist lauter, alles klingt sehr direkt. Die drei Antwerpener haben eine schwer zu widerstehende Mischung am Start. Die Rhythmen sind so synkopiert funky und auf den Punkt, dass vom ersten Takt an das Publikum mitgeht aka ausrastet. Die Refrains sind gefährlich eingängig. Das Ganze wird aber gewürzt mit kleinen, quirky Einsprengseln, die mich fast schon an Primus oder Zappa denken lassen. Schnell wird klar, dass hier nicht eine Showband mit lustigen Mützen auf der Bühne steht. Richtige Könner zeigen uns eine hochqualifizierte, ziemlich originelle Version harter Rockmusik.
Die Gartenzwergkopfbedeckungen konterkarieren einerseits die recht anspruchsvolle Musik, andererseits passen sie natürlich auch gut zu den erwähnten musikalischen Gimmicks, die immer wieder kurz eingestreut werden. Außerdem, wer würde nicht gerne in einer Welt leben, in der solche Mütze als ein Zeichen höchster Seriosität und Autorität gälten? Ein paar Zuschauer*innen gehen diesbezüglich schon voran und tragen welche. Prima Sache, solange sie nicht direkt vor einem stehen.
Der Gitarrist und Sänger sägt nicht nur prima Stoner-Riffs und Tom Morello artige Rhythmus-Parts aus seiner Flying V, er singt auch ansprechend. Also keine Stimme, die jetzt irgendwie besonders in Sachen Technik oder origineller Klangfarbe wäre. Aber sie passt zur Musik und klingt kräftig genug, um die Energie des Bandsounds zu unterfüttern. Es wird sogar manchmal fast schon gegrowlt. Der Bassist unterstützt mit seiner Stimme vor allem bei den Refrains. Und da es in einem Trio recht viel Raum hat to shine, shinet auch der Bassist mit groovigen Läufen. Vielleicht sollen die Zipfelmützen ja auch nur die Band vor Strebermucken-Vorwürfen schützen?
Während das Publikum bis zum Ende ausrastet, teilweise mit Moshpits, formuliere ich meinen klitzekleinen, einzigen Kritikpunkt. Der aber zu 100 Prozent auch altersbedingt ist. Es gibt zwar auch einige wenige, ruhige Passagen, aber insgesamt spielt die Band schon sehr oft am Anschlag. Auf Konzertlänge fände ich es spannender, wenn das etwas sparsamer, gezielter eingesetzt wäre. Aber wie überzeugend diese Mäkelei sein soll, während das Goldmark’s in einer Art und Weise ausrastet, wie ich es noch nie erlebt habe, das muss ich mich dann doch fragen.