SANTIANO, 09.10.2024, Porsche-Arena, Stuttgart
„Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste, – Ho Ho Ho und´ne Buddel mit Rum!
Fünfzehn Mann schrieb der Teufel auf die Liste – Schnaps und Teufel brachten alle um!“
Nö. Heute mehr Politik als Seemannsgarn.
So, oder so ähnlich habe ich mir den Abend mit Santiano vorgestellt. Ich gebe vorab zu, dass ich mich über die Diskografie und Historie der Band überhaupt nicht informiert habe. Mir haben lustige Auftritte bei Florian Silbereisen gereicht, um mir auszumalen, dass ich mich mit einem Bier hinsetzen und lustige Lieder über das Piraten- und Seemannsleben zu hören bekomme. Über weite Strecken weit gefehlt. Es sollte alles ganz anders und vor allem eine ganze Schippe seriöser daher kommen. Allem voran – Es ist Shantyrock vom Feinsten. Das kann ich auch ob der Enttäuschung über die fehlende Seeräuber-Dekadenz ehrlich zugeben.
Doch bevor Santiano die wahrscheinlich gebügelten Segel setzen, darf das Folk Pop/Rock Duo LinaBo den Wasserstand checken. Eine persönliche Ankündigung und Empfehlung von Santiano kündigt den Auftritt an. Im Nachgang finde ich die Geschichten von LinaBo abenteuerlicher und authentischer präsentiert, als von den darauf folgenden alternden Seebären. Auch das Publikum nimmt die überzeugend von Herzen kommenden Songs freudig und enthusiastisch auf und entfachen schon mal den Wind, der die Segel Santianos befüllen soll, auf dem Weg nach … nun ja, nicht wie von mir gedacht Tortuga, sondern eher Eckernförde.
Sitzplätze bei „Rockkonzerten“ habe ich schon diverse Male angeprangert und auch heute stellen sich diese als mehr als sinnlos heraus. Schon mit Erklingen der ersten Nebelhörner hält es niemanden mehr in seiner Kajüte und das ein oder andere Holzbein wird geschwungen.
„Es klingt nach Freiheit“ gibt den Kurs für den gesamten Abend vor. Santiano besingen nicht das Leben der Freibeuter, Tunichtgute und Halunken, sondern die eigentliche Sehnsucht eben beschriebener Kollegen an sich. Der innere Wunsch und Trieb nach Freiheit, den in Santianos Augen als letzter Ausweg das Meer bietet. In eben diesem tiefen Meeresblau gestaltet sich auch das Bühnenbild und die tosende See breitet sich über die LED-Wände aus. Der Schiffsrumpf von vor ein paar Jahren ist endgültig auf den Meeresgrund abgesunken und eine schlankere, simplere Bühnengestaltung, die sich dennoch durch die eindrucksvollen Videos perfekt in die erzählten Geschichten einfügt, untermalt die präsentierten Geschichten einwandfrei. Wie schon zu Anfangs erwähnt, habe ich zwar etwas komplett anderes erwartet, kann mich aber dennoch mit der Musik und den Texten anfreunden.
Es geht hier schließlich um all jenes, was doch ein jeder von uns im Leben erreichen möchte. Unabhängigkeit, Freiheit und eine perfekte Zeit mit unseren Besten haben. Auch der politische Einwurf passt vollkommen in die ins maritime Gewand gehüllte Message Santianos. Es macht keinen Unterschied, woher du kommst. Es macht keinen Unterschied, welche Farbe deine Haut hat oder an welchen Gott du glaubst oder welchen du verschmähst. Am Ende haben wir alle das gleiche Ziel und der Kompass des Lebens zeigt für uns alle in dieselbe Richtung. Wir wollen frei sein. Wir wollen Freude im Leben erfahren und diese Freude mit den Menschen teilen, die wir lieben. Und nicht mehr und nicht weniger wollen Santiano an diesem Abend vermitteln. Auch wenn ich es an mancher Stelle etwas geschwollen finde oder in mich hineingrinse, weil es doch gewollt „cool“ rüberkommen soll – den Kern, den Santiano in ihren Stil des Shantyrock hüllen, hat absolut seine Daseinsberechtigung und die gesamte Crew in der Porsche Arena ist derselben Meinung und feiert die Band für jede Ode an die Freiheit.
Man könnte die Kanonen der Kritik auf Santiano richten, doch das scheinbar einfache, leicht versenkbare Ziel wäre im gesamten Kontext gesehen das Falsche, denn Santiano vermitteln das Richtige, auch wenn sie durchaus des Öfteren über die besagte Buddel voll Rum singen könnten.
In diesem Sinne,
„Leinen los – Volle Fahrt – Santiano!“
Santiano
LinaBo
