BATUSHKA bzw. PATRIARKH, VLTIMAS, GOD DETHRONED, ATER, 10.10.2024, MS Connexion, Mannheim

Selten so verwirrt gewesen. Könnte das Alter, evtl. auch Nachwirkungen der Coronaerkrankung der Woche davor sein. Einerseits die falsche Platte am Merch gekauft, dann stundenlange Recherche, welche Batushka, und ob ich überhaupt Batushka gesehen habe. Das Konzept des unvorbereitet auf ein Konzert gehen, um quasi das leere Blatt unverfälscht von Vorabeindrücken zu beschreiben, stößt heute an seine Grenzen. Doch der Reihe nach.
Recht pünktlich um kurz nach 19 Uhr betrete ich das erste Mal das MS Connexion. Ein Quartett mit Mönchskutten bespielt schon den noch recht leeren Saal. Der creepy klingende Hybrid aus Black- und Death-Metal gefällt mir auf Anhieb gut. Sehr stimmungsvoll und abwechslungsreich schleppen sich die Songs mal doomig daher, mal fliegen sie in wilder Raserei einem um die Ohren. Dickes Lob an den Tonmenschen, denn der Sound ist für Extreme-Metal Verhältnisse sehr gut. Bei der Dichte und Lautstärke des Sounds den Durchblick die Durchhöre zu behalten, dünkt mir nicht einfach. Beim letzten Song werden die Kapuzen entfernt. Dramaturgischer Kniff oder es ist doch einfach nur zu warm an der Fontanelle geworden. Egal wie, ich renne gleich zum Merch, und da VLTIMAS auf dem Schlagzeug draufstand, kaufe ich mir von denen ein Album. Nachdem ich zwei der Band dann zwei Bands später Vltimas bejubeln sehe, frage ich mal vorsichtig nach. Ater heißt die Band und sie kommen aus Chile. Also vier Bands heute Abend und nicht drei.

Warum so viele interessante Metal-Acts eher in Mannheim oder Karlsruhe spielen statt in Stuttgart? Hat es was mit dem Rhein zu tun? Aber auffällig ist das schon, wenn man sich den Konzertkalender so anschaut. Zweiter Auftritt des Abends: God Dethroned. Die Niederländer gibt es mittlerweile auch schon seit 30 Jahren und damit dreimal länger als die Beatles. Musikalisch merkt man ihnen die Erfahrung an, im positiven Sinne. Bei weiterhin bestem Sound werden hier erfreulich abwechslungsreich einige Extreme-Metal Genres durchexerziert. „The Hanged Man“ prügelt als oldschool Death Metal los, um zwischendurch mit ein paar Thrash-Riffs aufzuwarten und dann ein sehr melodisches Gitarrensolo darzubieten. Erfreulich locker auch das Auftreten der Band, die sichtlich Spaß zu haben scheinen.
„Boiling Blood“ paart ein Slayer artiges Riff mit einem durch Blast Beats unterlegten Epic Black Metal Refrain. „Rat Kingdom“ wiederum ist ein melodischer Black Metal Song vom neuen Album, während der Titeltrack „The Judas Paradox“ auch von Paradise Lost stammen könnte. Manchmal kann viel Eklektik auch zu viel sein, aber God Dethroned haben für mich ziemlich gut den Sweet Spot getroffen, wie man ein musikalisch abwechslungsreiches Set bieten kann, ohne dabei orientierungslos zu wirken.

Nun also tatsächlich zu Vltimas, deren Set originellerweise von „Trashed“ angekündigt wird. Hätte ich mich vorab informiert, wüsste ich, dass hier Metal-Prominenz auf der Bühne stehen wird. Mit David Vincent (ex-Morbid Angel) an den Vocals und Rune Eriksen (Ex-Mayhem) an der Gitarre bekommen wir hier einen störrischen Bastard aus Black-, Death- und Doom-Metal präsentiert. „Epic“ und „Manifesto“ kommen in ihrer so reduzierten wie dissonanten Verschlepptheit ziemlich eindringlich daher. Blickfang ist dabei Mr. Vincent, der wie ein nihilistischer Wild West Wanderprediger auch einen Ausflug ins Publikum wagt und auf die Leute einteufelt. Im Gegensatz zu God Dethroned empfinde ich bei Vltimas‘ Set die eine oder andere Länge. Aber ich hab ja jetzt deren Album, und nicht das von Ater, um zu sehen, ob dies auch daheim der Fall ist.
Kommen wir nun zum Hauptact und ihrer verwirrenden Vergangenheit und Gegenwart. Batushka aus Polen waren vom Debütalbum „Litourgiya“ weg eine kleine Sensation im Extreme-Metal Bereich. Die Vermischung aus osteuropäischer, christlicher Orthodoxie mit Black Metal sowohl in Sound als auch Image, schlug ein wie eine Bombe. Gute Idee, gut umgesetzt. Fotograf Alex sah Batushka damals, die reine, unverfälschte Lehre also, live mit 10-köpfigem Chor und es war wohl ein ziemlicher Hammer. Danach wurde es unschön. Der Gitarrist und der Sänger trennten sich, jeder beanspruchte Batushka zu sein. Details kann man im Internet nachlesen. Auf jeden Fall scheint es jetzt so zu sein, dass der Gitarrist Krzysztof Drabikowski den Bandnamen weiterführen darf. Wir sehen heute Abend also die Version des Sängers Bartłomiej Krysiuk, die nun (oder ab demnächst) unter Patriarkh firmieren wird. Oder, um es mit Alex und vielen Musikkritikern zu sagen: Wir sind heute Abend nicht bei den richtigen Batushka. Heretiker sprechen auch von Faketushka.

Egal! Der Stil „religiöse Mystik mit creepy Black Metal“ zu vermischen wird auch hier gewahrt, und nach anfänglicher Kritik an der Musik, scheint sich diese Bandversion nach der Trennung dem Schisma musikalisch etwas gefangen zu haben. In der Umbaupause dürfen wir zuschauen, wie die Bühne in eine spooky orthodoxe Kapelle verwandelt wird. Wie Alex richtig bemerkt, wäre es aus Gründen der Mysteriums-Erzeugung evtl. besser gewesen, dies hinter einem Vorhang zu verbergen. Da es zudem auch technische Probleme zu geben scheint und wir zwei Bühnentechnikern beim minutenlangen daran rumwerkeln beobachten können, kommt auch noch die Erkenntnis dazu: Technische Probleme und Mystik vertragen sich nicht.
Religiöse Ästhetik, gerne mit einem blasphemischen Anstrich versehen, trifft man ja gerne mal im Metal. Entweder im ganz großen Stil wie Ghost, aber auch bei so interessanten Bands wie OM. Batushka, bzw. Patriarkh sind da aber sehr konsequent in der Umsetzung und der Ernsthaftigkeit. Man tritt als verhüllte, musizierende Mönche im Weihrauchnebel auf. Sehr ungewöhnlich für eine Black Metal Band: es werden 8-saitige Gitarren benutzt, also eher ein Ding der Genres Death Metal oder Metalcore. Da aber gleichzeitig ein Bassist fehlt, macht das wiederum Sinn.
Musikalisch gibt es wenig auszusetzen. Die Band klingt druckvoll und tight, die Chöre kommen aus den Keyboards. Das funktioniert bei den schnellen Black Metal Parts seltsamerweise für mich besser als bei den langsameren, doomigeren Passagen. Genau bei den Elementen also, die eigentlich das Besondere in dieser Musik ausmachen. Neidisch muss ich daran denken, wie druckvoll und atmosphärisch das mit einem 10-köpfigen Chor geklungen haben muss.

Von der Präsentation wird das liturgische Ding voll durchgezogen. Es werden religiöse Zeichen mit den Händen gemacht, Weihrauch wird geschwenkt und Totenköpfe dem Publikum präsentiert wie Reliquien. In den guten Momenten entfaltet das tatsächlich einen angenehmen Grusel, in den musikalisch schwächeren merke ich dann doch, dass die ganze Band-Schlammschlacht ihre Spuren bei mir hinterlassen hat, und sich ziemlich schnell Distanz bei mir zu dem Geschehen auf der Bühne aufbaut. Genauso richtig ist aber auch, dass nach vier Bands auch die Aufnahmebereitschaft einfach ein wenig nachgelassen hat.
Zurück bleibt trotzdem ein musikalisch extrem hochwertiger Abend, der aufgrund des guten Sounds auch für die Ohren erfreulich gut zu genießen war. Und auch wenn mir alle Bands zugesagt haben, vier sind einfach ein wenig zu viel.