MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Für mich sind Monster Magnet und ihr Album „Dopes to Infinity“ eigentlich der Soundtrack für diese kurze Phase der Glückseligkeit, der Freiheit und Freundschaft nach dem Abitur, als der Schmerz, der meinen anderen Soundtrack, Life of Agony, befeuerte, mal kurz verstummte. Es war 1995, und „Dopes to Infinity“ war gerade erschienen.

Monster Magnet ist eine Band, die ich in den letzten Jahren wenig verfolgt habe. Mein letztes Konzert ist auch schon 20 Jahre her. Ich möchte sagen, die Stimmung war ein wenig nostalgisch, aber die Erwartung nicht allzu groß. Es wird sich anbieten, einen Blick auf ein Vergleichsevent zu werfen, doch dazu später.

Nostalgie – hier verstanden als das Sehnsuchtsgefühl nach einem Gefühl, das man früher einmal bei einer Sache oder einer Aktivität hatte –, Nostalgie also macht hier auch deutlich, wie alt wir geworden sind. Ich möchte sogar vermuten, dass viele zu alt geworden sind, um sich genauso wie früher der Aktivität oder Sache hinzugeben, damit das Gefühl wieder entstehen könnte, nach welchem die Sehnsucht besteht.

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Alt geworden sind sicherlich auch Monster Magnet und einziges Originalmitglied Dave Wyndorf. Die Band feiert ihr 35-Jähriges. Der Mastermind ist 67 und gesundheitlich wohl angeschlagen, denn er verbringt das ganze Konzert auf einem Barhocker. Freilich wissen wir darüber wenig. Zumindest kommt aber der Gedanke auf, dass er sich auch nicht mehr mit demselben Verve in den Stonerrock werfen kann wie früher. Ich weiß nicht, ob er das nostalgisch erlebt.

Vor dem Konzert spreche ich mit Oleg, den ich zufällig getroffen habe. Wir begutachten die Songauswahl, welche uns Setlist.fm für den Abend verspricht. Ja, das wird gut:

  1. Superjudge
  2. Tractor
  3. Dopes to Infinity
  4. Look To Your Orb For The Warning
  5. Negasonic Teenage Warhead
  6. Zodiac Lung
  7. Ego, The Living Planet
  8. Bummer
  9. Spine Of God

Zugabe:

  1. Space Lord

Oleg will getrieben von seinem Bewegungsdrang auf jeden Fall nach vorne gehen. Ich installiere mich an der Bar, wo ich mein alkoholfreies Bier abstellen kann, während ich mir Notizen mache. Als Erstes notiere ich mir einen interessanten Satz: „Ich will sehr gerne schreiben, dass sie nicht müde geworden sind. Uns erwartet eine hervorragende Setlist.“

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Dann geht es los. Das Publikum johlt begeistert, als die Band auf die Bühne kommt. „You wanna take a ride?“, fragt Dave Wyndorf. Und daraufhin walzt eine Soundwand über uns hinweg: Greinen der Gitarren, Dröhnen der anderen Instrumente, bis sie in das Intro von „Superjudge“ übergehen (Album: „Superjudge“, Jahr: 1993, Wiedergaben auf Spotify: 739.535). Der Song ist genauso flächig, wie die Stücke der Vorband. Die sich beständig wiederholenden Riffs und die darin eingebetteten Leads der Gitarren bilden einen hypnotischen Teppich. Der ist aber nicht gemütlich zurückgelehnt, sondern aufgedreht bis zum Anschlag. Das Stück treibt mit seinem Feuerwerk auf der Snare und seinem sich steigernden Tempo.

Das zweite Stück ist „Tractor“ („Powertrip“, 1998, 1.415.536). Obwohl die Trademarks im Prinzip dieselben bleiben, ist das Stück wesentlich rockiger und dynamischer. Das ist Stonerrock. Es stampft und treibt. Auch hier gewinnen die Riffs wieder eine hypnotische Qualität, während die Soli darüber klirren.

Ich habe den Eindruck, dass es ordentlich abgeht – zumindest musikalisch. Was das Publikum angeht, kann ich es nicht sagen, weil ich nicht bis vor die Bühne sehen kann. Es ist genauso schwer auszumachen, wie die Videobilder, die über der Bühne auf das Backdrop mit einer riesigen Fratze projiziert werden.

Dann kommt „Dopes to Infinity“ („Dopes to Infinity“, 1995, 3.159.642). Es ist viel langsamer als die bisherigen Stücke und auch melodiöser. Wie der Titel schon ahnen lässt, ist es mehr wie ein Drogentrip. Alles ist wohlig und warm.

We are all here my friends
All dogged all spaced but all so beautiful.

Kein Wunder, dass mir dieser Spacerock immer so nahe geblieben ist. Ja, danach lechzt meine Nostalgie: nach Unbeschwertheit und Gemeinschaft.

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
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Anschließend lässt mich das atmosphärische „Look at the Orb for a Warning“ ins Träumen kommen mit seinen deskriptiven Lyrics („Dopes to Infinitiy“, 1995, 7.218.176): Das Raumschiff steht unten am Fluss bereit für einen Trip. Die Bühne leuchtet grün und golden. Für einen Augenblick kann ich mir das wie einen stoischen Wüstenroman vorstellen, dabei kommen Monster Magnet aus New Jersey. Doch auch dieses Stück entlädt sich am Ende in einem Donnersturm, zu dem die Stroboskope die passenden Blitze liefern. Wieder greinen solierende Gitarren und flirrende Synthesizer über die Riffs.

Es gibt keinen Moment zum Durchatmen, dann geht einem schon „Negasonic Teenage Warhead“ in die Füße („Dopes to Infinity“, 1995, 10.113.961). Ich muss sagen, ich habe gute Laune. Das Konzert macht mir Spaß.

Trotzdem lasse ich mich von dem Gedanken ablenken, wie nostalgisch die ganze Show konzipiert ist. Zehn Songs wollen sie heute Abend spielen. Elf Alben gibt es, aber alle Stücke auf der Setlist stammen von den vier Alben aus dem 1990ern, als die Band mit „Dopes to Infinity“ und „Powertrip“ ihren Durchbruch hatte. Für die Band anlässlich ihres Jubiläums sicherlich ein Zeit, in die man sich gerne zurückerinnert. Aber dieselbe nostalgische Wirkung dürften die Stücke auch für das Publikum haben, denn das war die Zeit, als dieses noch jung war.

Unterbrochen werde ich in diesen Gedanken, als Oleg vorbeikommt. Er ist aufgebracht, weil sich vorne keiner bewegen will. Das Publikum stehe nur da und starre auf die Bühne. Von der Party, die er sich erhofft hat, gebe es keine Spur. „Ich glaube, ich muss gehen. Ich halte das nicht aus“, sagt er, geht dann aber doch wieder nach vorne.

DAILY THOMPSON, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Ich entscheide mich, an dieser Stelle was zur Vorband Daily Thompson zu sagen. Das Trio hat an Bühnenagilität und motivierenden Ansagen mehr geleistet als Monster Magnet. Sie waren sehr stoner-mäßig mit fetten, groovigen und dann wieder treibenden Riffs. Dazwischen flirren Soli- oder Lead-Passagen. Von den Trademarks ist das gar nicht so anders, als was die Hauptband bietet.

Danny Zaremba an Gitarre und Gesang sieht aus wie ein Stonerrocker – hübsch mit langen Haaren und Vollbart. Mercedes „Maphi“ Lalakakis am Bass und Mikro klingt bei ihren Ansagen, als hätte sie echt Spaß. Während des Spielens schüttelt sie kräftig ihre blauen oder grünen Haare. Beide wechseln sich ab mit Lead- und Backing-Gesang.

Die 2013 gegründete Band klingt sehr nach den 1990ern und passt damit gut ins Programm. Es gelingt ihr allerdings nicht, das Publikum richtig abzuholen. Und das scheint sie ein bisschen mit der Hauptband gemeinsam zu haben, wenn man Oleg Glauben schenkt.

DAILY THOMPSON, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Es scheint jedenfalls so zu sein, als sei die Monster Magnet-Show zur Halbzeit in eine neue Phase eingetreten – eine, wie um ihn zu ärgern. Als Nächstes kommt mit „Zodiac Lung“ ein sehr ruhiges Stück („Spine of God“, 1991, 136.785). Bis hier hin war jedes Stück populärer gewesen als das Stück zuvor. Diese Reihe wird nun unterbrochen. Ich habe das Gefühl, ein bisschen ginge mir das Stück zum einen Ohr rein und zum anderen raus, weil es nur von einer einfachen Rhythmusgitarre getragen wird und sehr monoton ist.

Das folgende Stück „Ego, the living Planet“ bleibt ähnlich gleichförmig, ist aber spaciger, trippiger, lauter („Dopes to Infinity“, 1995, 588.207).

Ja, ich sagte ja: neue Phase der Show. Es ist die Psychedelic-Phase. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie funktioniert.

Kurz reißt Monster Magnet mit dem stonerrockigen „Bummer“ noch mal das Ruder herum, das alle Versatzstücke der Band mit sich bringt („Powertrip“, 1998, 1.040.601): hypnotisch stampfenden Rhythmus, hohe, fuzzige Leads, Drogen-Lyrics. Auszug gefällig?

I needed a small vacation
So they put me on a train
They called it „rehabilitation“
Oh, but here I am again
It’s against my second nature
Not to chase you down that hole
I need a fistful of medication
Just to keep it in my pants
Ain’t nothing like it

Ich mag das Stück sehr – nicht zuletzt, weil es zwischendrin zweimal auf halbes Tempo wechselt und dann sehr grooved.

Aber nach dieser Auffrischung kommt das langsamste und psychedelischste Stück der Show: „Spine of God“ ist wieder eine ruhigere Nummer mit Einsprengseln lauter, droniger Passagen („Spine of God“, 1991, 235.731). Ich habe schon viele Konzerte mit solcher Musik gesehen. Aber auf denen war ganz anderes Publikum. Die Atmosphäre war anders. Häufig waren sie auf sehr kleinen Bühnen. Und da haben sie auch funktioniert, aber hier scheint das nicht der Fall zu sein.

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Oleg kommt zu dieser Zeit zurück. Ihm ist immer noch langweilig, während die Band jamt und Wyndorf verspulte Sounds aus dem Synthesizer lockt. Ich kann Oleg überzeugen, noch zu bleiben. Der Rhythmus wird immer langsamer. Im Grunde kann ich mich ganz gut auf diese Musik einlassen, aber das Gefühl bleibt, dass irgendwas mit der Atmosphäre nicht stimmt. Immerhin gibt es ein Easter Egg, denn „Spine of God“ geht in „American Pie“ über und kommt dann auf sich selbst zurück.

Nun wird es Zeit für die Zugabe, die Band verlässt die Bühne und lässt uns mit Gitarren-Drone zurück. Bevor steht uns noch „Space Lord“, der größte Hit. Ich überlege bis heute, ob ich es nicht besser gefunden hätte, wenn die Band drei der letzten vier Stücke weggelassen hätte. Sie haben zu sehr die Luft aus dem Konzert gelassen. Und es ist vielleicht an der Zahl der Wiedergaben auf Spotify klar geworden, dass es sich bei diesen nicht um die beliebtesten und ersehntesten handelt. Obwohl Psychedelic-Konzerte gut funktionieren können, kam Monster Magnet dabei nicht gut weg.

Na ja, wie dem auch sei. Jetzt passiert etwas Seltsames.

Wyndorf heizt der Masse zu „Space Lord“ noch mal ein („Powertrip“, 1998, 46.351.740). Allen wird eingebläut, an welcher Stelle wir „Motherfucker“ schreien müssen. Irrwitzig viele Leute heben ihre Telefone hoch und filmen. Man merkt, für wen das der wichtigste Song der Band ist. Und jetzt gehen die Leute ab, wie Oleg es sich die ganze Zeit gewünscht hatte. Es tut richtig gut, nachdem „Spine of God“ den Eindruck hatte entstehen lassen, dass viele nur darauf warten, dass es endlich zu Ende ist.

MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart | Foto: Ronny Schönebaum
Foto: Ronny Schönebaum

Und dann passiert, was ich nicht verstehe: Heerscharen verlassen den Innenraum schon Richtung Ausgang, bevor das ersehnte Stück überhaupt zu Ende ist. Kaum ist Dave Wyndorf von der Bühne, wird gegangen, obwohl der Rest der Band noch spielt.

Ich war vor ein paar Monaten auf dem Life of Agony-Konzert im Wizemann. Leider hatte sich niemand gefunden, um mit mir zu berichten. Das war vielleicht gut, weil ich nebenher nichts aufschreiben musste. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht an meinen freien Händen lag, dass das Publikum vom ersten bis zum letzten Song total ausgerastet ist, alles mitgesungen hat, getobt hat, gesprungen ist.

Ach, was soll ich sagen: So stelle ich mir ein nostalgisches Konzert vor, bei dem man das Sehnsuchtsgefühl stillt, das man bei der Erinnerung an das Gefühl bekommt, das man bei einer bestimmten Aktivität oder Sache hatte. Und solche Sehnsuchtsgefühle stillt man eben am besten, indem man sich wieder mit demselben Schwung in die besagte Sache oder Aktivität wirft.

Ja, ich hatte Spaß auf dem Monster Magnet-Konzert. Aber was besser war als das Konzert, ist, dass Oleg zu mir sagte: „Das Beste an dem Abend ist, dass ich dich getroffen habe.“

Monster Magnet

Daily Thompson

Ein Gedanke zu „MONSTER MAGNET, 06.10.2024, LKA, Stuttgart

  • 15. Oktober 2024 um 19:28 Uhr
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    Danke für die schönen Bilder, Ronny!

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