ALICE COOPER, 03.10.2024, Porsche-Arena, Stuttgart

Willkommen – schaurigster Monat des Jahres und besser hättest du es nicht mit uns meinen können! Vereinzelt zieren schon grimmig dreinblickende Kürbisköpfe diverse Türschwellen und auch der Himmel tut sein Bestes, zeigt sich von seiner herbstlichen Seite und zieht sich unheilbringend zu.
Wie kann ein so düsterer Tag besser starten, als mit einem leckeren Frühstück und Michael Myers, der allen Messer-Debatten zum Trotz blutdürstig unseren Halloween-Countdown einläutet und nervige Teenies filetiert.
Doch Michael ist natürlich nur der Vorbote des hohen Besuches, der heute Abend Stuttgart heimsuchen wird. Snakebite is back in town! Und während auf dem alljährlich wiederkehrenden, sündigen Jahrmarkt die ersten wandelnden Toten durch die im Neonlicht gebadeten Gänge wanken, strömen Heerscharen gebeutelter Seelen in die Gemäuer der Porsche Arena und sehnen die Auferstehung des Duke of Spook herbei.
I know what you want, I know what you need
Something unworldly from another breed
Created just for your lust with exquisite control
A thing you can trust to satisfy your soul
Es erwärmt einem immer wieder das Herz gegen Ende des Jahres ein Tourplakat von Alice Cooper zu sehen. Beinahe schon in Motörhead-ähnlicher Routine sucht er Deutschland in den Wintermonaten heim. Doch während Lemmy sich selbst konserviert hat, um diese stoische Tourfreude auch im hohen Alter aufrechterhalten zu können, scheint Alice wirklich einfach unsterblich zu sein. Oder ist er bereits auf die andere Seite gewechselt nach etlichen Enthauptungen, Strangulationen und diversen Elektroschock-Therapien? Manch Geistlicher könnte hierzu sicher diverse Theorien zum Besten geben. Doch eines ist gewiss. Er wird die Porsche Arena heute wieder zu seinem eigenen, morbiden Theaterstück verwandeln und uns mit auf die Reise in die Unterwelt nehmen.
Als die Lichter erlöschen, breitet sich ein überdimensionaler Zeitungsbericht mit einem durchaus vorteilhaften Portrait zweier schwarzer Augen direkt am Bühnenrand aus. Eine anklagende Stimme aus dem Off verliest die Anklage:
Alice Cooper – You have been accused of mass mental cruelty.
How do you plead?
Darauf kann es natürlich nur eine Antwort geben und mit einem kratzigen„Guilty“ wird der Zeitungsbericht mit einem Säbel durchtrennt und Alice betritt die Bühne gemeinsam mit seinen fünf apokalyptischen Mitmusikern und startet in deftigem Soundgewand „Lock Me Up“. Ab einem gewissen Zeitpunkt hat Alice Cooper einfach aufgehört zu altern beziehungsweise – war schon immer alt. Wenn ich mit 76 auch nur ansatzweise meine Knochen noch so grazil wie er bewegen kann, spendiere ich meinen Mitbewohnern im Altersheim eine Runde Valium. Auch der Rest der Band präsentiert sich in Topform, wie ein perfekt abgestimmtes Uhrwerk und heißen uns mit „Welcome To The Show“ schaurigst willkommen zu einer absolut fantastischen Rock’n’Roll-Show. Selbstredend ist Alice der Chef im Ring und schreitet wie ein morbider Dompteur mit seinem Säbel in der Hand den Rand der Bühne auf und ab.

Es folgen kommentarlos, dafür in makelloser Souveränität Klassiker wie „No More Mr Nice Guy“; „I’m Eighteen“ und „Under My Wheels“. Der Pöbel tobt, die Bühne bebt und alle haben unendlichen Spaß. Alice bringt den klassischen Horror zu uns und wir haben alle das Gefühl in einer alten Geisterbahn zu sitzen, die durch eine brüchige Villa mit alten Treppen und Geländern rattert. Alice ist dabei der Hausherr, der uns am Kaminfeuer Schauergeschichten erzählt.
Doch neben Alice gibt es auch noch fünf weitere Topmusiker auf der Bühne, von denen einige optisch wirken, als hätte Alice sie von einem schimmernden Piratenschiff, das unter der Hairmetal-Flagge segelt, abgeworben. Da stecken, gehe ich mal ganz oberflächlich an die Sache ran, riesige Egos dahinter, die sich aber alle in einer Einheit der Musik unterordnen. Das Zusammenspiel und die Interaktion untereinander hat da schon fast den Flair einer Session, die sich zu einer Party auf dem Friedhof entwickelt hat. Und dann ist da noch Nita Strauss, die zum Glück wieder zurück in der Band ist, nach ihrem kurzen Abstecher in die Popwelt, als Gitarristin von Demi Lovato.
Ich weiß gar nicht, bei wem ich meine Augen ruhen lassen soll, da ständig überall etwas passiert. Seien es Special-Moves an den Gitarren, bei denen ich mir sicherlich einen Zahn rausschlagen würde beim Versuch es zu imitieren oder auch wenn Paparazzi oder Kobolde die Bühne stürmen und von Alice eine Tracht Prügel mit dem Gehstock kassieren.
Es wird nichts ausgelassen und auch kein Song wird vergessen, den nicht jeder kennt, der seine Jugend/Kindheit nicht in kompletter Isolation verbracht hat. Kinder auf den Schultern ihrer Väter mit schwarzem Augen-Make Up zücken die Handys als „Poison“ erklingt und im Anschluss ein riesiger Frankenstein erst hinter der Bühne die Roadies attackiert und dann auf die Bandmitglieder losgeht, während Alice das Publikum zu „Feed My Frankenstein“ auffordert.
Auch diverse Zombies verirren sich auf die Bühne, die scheinbar Angestellte von Alice sind und Möbel verrücken oder eine XXL-Guillotine auf die Bühne rollen, um den Gesuchten endlich zu enthaupten. David Copperfield hätte es nicht besser inszenieren können. Doch neben all diesen denkwürdigen Momenten vergisst Alice nicht, auch seiner Band etwas Spielraum zu gewähren, und so dürfen Nita Strauss und Drummer Glen Sobel ein Solo einlegen.
Wie im Flug beziehungsweise in diesem Fall einem mitreißenden Horrorfilm vergehen die 90 Minuten viel zu schnell und schon läutet auch die Schulglocke (Warum hat sich das in meiner Schulzeit immer so quälend lange gezogen bis es klingelte?)
„Doch neben Alice gibt es auch noch fünf weitere Topmusiker auf der Bühne, von denen einige optisch wirken, als hätte Alice sie von einem schimmernden Piratenschiff, das unter der Hairmetal-Flagge segelt, abgeworben. “ grossartig :-)