MONIKA ROSCHER BIGBAND, 28.09.2024, Das K, Kornwestheim
Jetzt versuche ich seit einer Stunde einen catchy Textanfang zu finden, der wenigstens annähernd die sprühende Kreativität des Erlebten in Worte zu fassen vermag. Dabei versuche ich, mich durch sprunghaftes Anspielen dieser irren Tracks zu einem lässig daherschlawinernten Leitgedanken inspirieren zu lassen, den ich dann in pseudogewohnt cooler Gig-Blogger-Natur durchdeklinieren kann. Allein – es gelingt nicht. Bei Monika Roscher, dieser Jeanne D’Arc der unerschrockenen Arrangements, dieser Partiturkapitänin mit ihr ergebenen Spielschaft, dieser Schamanin des Synkretismus, versagt mein Blogger-Latein.
From the abyss of confusion
One’s got a clear view
… heißt es in der mit dem Deutschen Jazzpreis 2024 für die beste Komposition ausgezeichneten Track „8 Prinzessinnen“. Passend getextet. Und von Monika Roscher und von ihrer Big Band passend in Live-Musik gebracht, mit fünf Saxophonen, vier Posaunen, vier Trompeten, einem Klavier, einem Elektro-Set, einem Schlagzeug, einem Kontrabass und einer E-Gitarre, die von Sängerin, Komponistin und Dirigentin selbst gespielt wird.
Die Monika Roscher Big Band eröffnet das Saisonprogramm im Kornwestheimer Kultur- und Kongresszentrum „Das K“. Die 500 Zuhörerinnen und Zuhörer bestehen aus einer Mischung von Abonnenten und Jazzfreaks. Ich tippe, dass nach Pause sich der Saal leeren wird. Ich liege komplett falsch.
Nach Doom Metal Jazz klingt das Eingangsstück „Queen Of Spades“. „Witch Brew“ heiße das nachfolgende, sechsteilige Werk, wie uns die Bandleaderin erklärt. Wir mögen mit eintauchen in die Welt der Geister, Hexen, Wälder. Und 18 Sekunden ins Bierzelt gehe es auch, das werden wir dann schon hören. 18 Sekunden, die von Spotify nicht als Track anerkannt werde. Is a wurscht. Vui Spaß.
In diesem Wald regnet es Rhythmen wie anderswo High Hats und Cowbells, von Walzer bis Wahnsinn. Danach geht es mit „Firebird“ zum Psychedelic Rock Jazz, stolpern in die „Wüste“ mit Minimal Jazz, schmecken Disco Jazz mit Metal-Gitarre in „A Taste Of The Apocalypse“. Die Steigerung der Zukunft sei ja die Karibik, imaginiert die Reiseleiterin, daher mögen wir mit ihr uns ins „Carribean Delirium“ begeben. Und das klingt ungefähr nach dem absoluten Gegenteil von Ambient.
Monika Roscher spielt die Gitarre oder singt oder dirigiert. Ihr Dirigat ist dabei sehr präzise, sehr klar. Es wirkt, als hätte sie zwischen Unterarm und Handgelenk noch ein weiteres Scharnier. Oder sie spielt und singt und dirigiert, dann nutzt sie fürs Dirigieren Gitarre, Kopf oder Po. Das hat nichts Despotisches, vielmehr hat man das Gefühl, dass sie ihre Musikerinnen und Musiker liebevoll ermuntert, ihr zu folgen. Dazu trägt bei, dass jedes Stück mit mindestens einem Solo aufwartet, Saxofonisten spielen dann lieber die Querflöte und Posaunisten lieber die Oboe. Oder so.
Gig-Blogger Lino schrieb zum letztjährigen Konzert im Theaterhaus:
„Das klingt jetzt alles sehr verkopft, ist aber in Wirklichkeit sehr unterhaltsam und stimmungsvoll. Bewundernswert wie 18 Instrumente so miteinander arrangiert sind, dass es immer klar und strukturiert klingt. Die Musik hat erstaunlich viel Luft trotz vertrackter, ineinander verschachtelter Bläsersätze, die sich mit Gitarre, Kontrabass, Drums und Elektronik den Platz teilen müssen. Ziemlicher Idealfall von Musik, die Intellekt und Bauch gleichermaßen anspricht.“
Yep. So ist es. Besser kann ich es auch nicht formulieren.
Spätestens bei „Fullmoon Theatre“, bei dem die vielen Bläser unterschiedlichstes Vögelzwischern intonieren und dann die ganze Bigband die schiefe Melodie pfeift, getragen von einem schrägen Walzer, steht mir vollends der Schnabel offen.
Keep on feeding the black hole
Entropy has grown
heißt es in „8 Prinzessinnen“.
Monika Roscher verschmilzt auf der Bühne mit ihren Kompositionen und ihrer Bigband. Sie ist die Pik-Dame, die Hexe, der Wald, die Wüste, der Feuervogel und alle 8 Prinzessinnen.
Danke, Monika. Danke, Big Band.
Wer mehr von Monika Roscher erfahren möchte: hier hat sie ausführlich und aufschlussreich unseren Q & A beantwortet.
Die Set-List:
Witches Brew: The Summoning
Witches Brew: Moon Is Melting
Witches Brew: The Brew
Witches Brew: The Woods
Witches Brew: Dance Of The Sleepy Spirits
Witches Brew: Return Of The Witches
Firebird
Wüste
A Taste Of The Apocalypse
Caribbean Delirium
[Pause]
8 Prinzessinnen
Fullmoon Theatre
Illusion
Creatures Of Dawn
[Encore]
When I Fall in Love