THE WEDDING PRESENT, 17.09.2024, Manufaktur, Schorndorf
Britische Schrammelgitarren-Wochen in der Manufaktur. Wo heute David Gedge mit The Wedding Present auf der Bühne steht, wird in neun Tagen Eddie Argos mit Art Brut auftreten. Was diese beiden Bands – außer, nun ja, gewöhnungsbedürftigem Gesangsvortrag – gemeinsam haben und was sie unterscheidet, werden wir dann betrachten. Heute geht es erst mal darum zu prüfen, wie sich The Wedding Present seit ihrem letzten Manu-Auftritt im April 2013 entwickelt haben. Was sich nicht geändert hat: David Gedge hält sich weiterhin mit Ansagen weitgehend zurück; wenn er aber etwas äußert, dann mit seinem knochentrockenen Humor. So stellt er die Band lapidar als „the semi-legendary Wedding Present“ vor und kündigt an, dass man, bevor man zur Aufführung des Albums „Bizarro“ schreite, erst mal ein paar Songs aus ihrem „enormous repertoire“ spielen würde.
Und von Beginn an fällt auf, dass die Band, die bis auf Gedge aus komplett anderen Mitgliedern besteht als 2013, weit lebendiger und vehementer zu Werke geht. Gedge selbst ist auch deutlich agiler und engagierter unterwegs. Was in leichtem Kontrast zu seinem komplett ergrauten Schopf steht, der vor elf Jahren noch fast jugendlich schwarz war. Vom ersten Moment an zu loben ist das Gitarren-Setup. Nicht nur optisch passt alles perfekt: Vier exakt gleiche Verstärker sind sauber in Reihe aufgestellt. Auch musikalisch sind David Gedge und seine äußerst engagiert aufspielende Kollegin Rachael Wood aufs Beste abgestimmt. Wie sich gemeinsam in die Gitarrenparts werfen, ist vom Feinsten.
Ein erstes Highlight ist der neue Song „Scream, if you want to go faster“. Dieser werde zum allerersten Mal live gespielt, bemerkt Gedge. Den aufkommenden Jubel bremst er mit der Ergänzung „… in Schorndorf“. (Wobei er noch kurz vorher zugegeben hat, dass er gar nicht wusste, dass sie schon mal hier waren.) Der Song startet für Wedding-Present-Verhältnisse sehr langsam und verhalten, in schon fast post-rockiger Breite winden sich die Gitarren fast fünf Minuten lang umeinander, bevor nach einem harten Break ein Uptempo-Part startet, der sich zu einer gewaltigen Noise-Explosion entwickelt. Sehr schön, auch nach fast vierzig Jahren weiß die Band aus Leeds noch zu überraschen.
Mit „Brassneck“, dem Opener des 1989er-Albums „Bizarro“, steigt die Stimmung im mit geschätzt 120 bis 150 Zuschauer:innen recht gut gefüllten Saal merklich. Als einer der Hits im stellenweise etwas gleichförmigen Œuvre bringt er die ersten Reihen in Bewegung, was dann auch für den Rest des Abends anhält und beim zweiten Hit „Kennedy“ noch eine Steigerung erfährt. Die Homogenität des Sounds und die Beschränkung der musikalischen Mittel birgt ja durchaus das Risiko, dass es langweilig werden könnte. Heute Abend aber weiß die Band diese Reduziertheit in einen äußerst unterhaltsamen, geradezu mitreißenden Auftritt umzumünzen. Und daran haben alle vier Bandmitglieder ihren Anteil. Auch wenn man an der Bassdrum mit technischen Problemen kämpft, erzeugt die Rhythmussektion mit dem Schlagzeuger Vincenzo Lammi und dem Bassisten Paul Blackburn ein kraftvolles Fundament, auf dem die beiden Gitarren ihr rhythmisches und melodisches Wechselspiel ausleben können. Und auch der Mischer hat einen nicht unerheblichen Anteil an diesem Kraftpaket, denn er nutzt die Dynamik voll aus, geht bei den lauten Passagen an die Grenzen, ohne jemals zu laut zu werden.
Nachdem die Album-Präsentation mit dem Neun-Minuten-Opus „Take Me“ und „Be Honest“ beendet ist, kündigt Gedge an, dass man jetzt noch ein paar Titel spiele, aber niemals eine Zugabe gäbe. Einen Merch-Tisch gäbe es auch nicht, dank „Brexit“ habe man nur eine Kiste Alben dabei, und in der seien nur noch zwei Platten. Die werde er, falls Interesse bestehe, nachher an der Bühnenkante verkaufen. Das hat alles ein derart sympathisches Understatement, wie es wirklich nur eine „semi-legendäre“ britische Band hinbekommen kann. Und als Fazit darf festgehalten werden: The Wedding Present und David Gedge altern hervorragend. Im Vergleich zu 2013 war der heutige Auftritt ein ganz anderes Kaliber an Intensität und Spielfreude. Wir sehen uns dann beim nächsten Gig im September 2035.