GWENDOLINE, OMERTÀ, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart

GWENDOLYN, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart | Foto: X-tof Hoyer
Foto: X-tof Hoyer

In vielerlei Hinsicht ein Ereignis von lokaler pophistorischer Relevanz: Der Anlass ist festlich, schließlich feiert hier ein Plattenladen seinen 40. Geburtstag. Die Location ist traumhaft, auch wenn man wegen der Gesamtsituation in der Raketenrampe leider traurig sein muss. Und dann ist da noch diese geheimnisumwitterte Band, von Fachleuten in Verschwörerton als großes Ding aus dem französischen Underground gehypt.

Was für eine Konstellation also im ehrwürdigen Theater Rampe am Marienplatz – dem weltweit einzigen Kulturtempel mit eigenem Zahnradbahndepot. Konzerte fanden dort ja immer in der kleinen Bar Rakete statt, die bittererweise zum Jahresende schließen muss. Umso schöner, dass für diesen Konzertabend ausnahmsweise der große Theatersaal geöffnet wird. Der erweist sich als mehr als geeignet für ein Konzert mit geschätzten 250 Besucher*innen.

Gefühlt kennt man die Hälfte davon mit Namen – jedenfalls wenn man seine Platten tatsächlich seit 40 Jahren bei Second Hand Records einkauft. Dazu finden sich im gediegenen Foyer Kulturschaffende, DJs, Musiker*innen, Szenegrößen und die erweiterte Konzertblase ein, dass man aus dem Smalltalken gar nicht herauskommt.

OMERTÀ, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart | Foto: X-tof Hoyer
Foto: X-tof Hoyer

Mit Omertà aus Frankreich stehen dann zunächst sechs Leute auf der Bühne, die es mit meditativem Hippie-Groove recht beschaulich angehen lassen. Mit zwei E-Bässen, einem metallklöppelnden Drummer und der französisch deklamierenden Sängerin Florence Giroud stellt sich zwar ein wenig Brigitte Fontainesche Grandezza ein, insgesamt ist mir der recht gleichförmige musikalische Fluss aber doch zu träge – also ab zum weiteren Socializen ins Foyer, wo sich noch mehr illustre Zuspätkommer*innen einfinden.

Gwendoline aus Rennes sind eigentlich ein Duo, präsentieren sich auf der Bühne der Rampe aber zu viert. Ihr jüngstes Album „C’est À Moi Ça“ steht schon seit einigen Wochen im Plattenschrank und gefällt mit seinem düster-treibenden und angenehm schlanken Coldwave-bis-Postpunk-Sound ausgesprochen gut. Stilistisch irgendwo zwischen Motorama, DAF und Molchat Doma, aber eben sehr französisch – und auch sehr politisch, nämlich links.

GWENDOLYN, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart | Foto: X-tof Hoyer
Foto: X-tof Hoyer

Wer des Französischen nicht mächtig ist, kann die Botschaften der recht harschen Songs auch von der begleitenden Video-Projektion ablesen. Vielleicht wegen der Sprachbarriere (oder wegen des Altersunterschieds?) funkt es beim Konzert allerdings nicht so richtig mit dem sehr bunt zusammengewürfelten und eher reifen Publikum. Der Sound von Gwendoline ist trotz erstaunlich kleiner P.A. aber ganz schön klangmächtig.

Drei Keyboards und teils zwei Gitarren (in Cure’schem Sounddesign) sorgen für Schalldruck, dazu singen alle vier der in schlichten T-Shirts auftretenden Musiker. Einziges kleines Bühnenaccessoire sind beeindruckende XXL-Pastis-Gläser. Die vier zumindest musikalisch zornigen jungen Franzosen spielen einen harten und hypnotischen postmodernen 80er Sound, der coole Sprechgesang sorgt für stoisch-elegante Monotonie, aus der aber immer wieder dynamisch ausgebrochen wird.

GWENDOLYN, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart | Foto: X-tof Hoyer
Foto: X-tof Hoyer

Dazu kann man tanzen, sich aber auch einfach nur treiben lassen. Was mich allerdings doch etwas quält, sind die matschigen elektronischen Basslines, die das ganze Theater erbeben lassen, in ihrer flächigen Eskalation aber den eigentlich sehr knackigen Gwendoline-Sound unterminieren. In Bühnennähe ist mir das zu viel, aber auch weiter hinten vibrieren die Wände. Mit minimalistischer EBM-Härte oder einem Bassisten à la Peter Hook wäre das für meinen Geschmack noch viel schöner gewesen. So bleibt aber dennoch ein sehr gutes Konzert einer faszinierenden Band mit ganz viel Zukunft.

Und by the Way: Allein schon die Tatsache, beim 40. Plattenladen-Geburtstag eben keine ergrauten Vintage-Rocker fürs mitgealterte Zielpublikum zu präsentieren, sondern eine blutjunge, messerscharfe und stilistisch kühne Band zu engagieren, erklärt die einsame Klasse von Second Hand Records. Klingt arg klischeehaft, sage ich aber trotzdem gerne: auf die nächsten 40 Jahre!

GWENDOLYN, 14.09.2024, Theater Rampe, Stuttgart | Foto: X-tof Hoyer
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Gwendoline

Omertà

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