MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf

MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
Foto: Steffen Schmid

Ich hatte zwischen 1991 und 1994 knapp das Alter, um die größte Rock-Revolution bis heute miterleben zu dürfen. Noch nicht volljährig, kein Führerschein, aber trotzdem über die damaligen Kanäle genug mitbekommen, um von der Ankündigung der heutigen Show total begeistert zu sein. Auf eine Soundgarden oder Nirvana – Show hätte ich mich kaum mehr freuen können. Wesentlicher Unterschied: von diesen Bands, und es könnten noch mehr aus dieser Szene aufgezählt werden, sind anders als bei Mudhoney, bekanntlich die jeweiligen Sänger und Gitarristen am Rock & Roll – Lifestyle gestorben. Dass es Sänger und Gitarrist Mark Arm nicht erwischt hat, ist großes Glück, denn auch er hat eine astreine Suchtgeschichte hinter sich. Lässt sich alles nachlesen, mehrere Überdosen, auch zusammen mit Kurt und Courtney. Wenn ich korrekt aufsummiere, dann steht heute Abend nach Dylan Carlson (Earth) und Mark Lanegan (†) mit Mark Arm nun schon der dritte Zeitgenosse, Weggefährte und Suchtgenosse von Kurt Cobain auf der geschichtsträchtigen Bühne der Manufaktur.

MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Hätte es in den Neunzigern schon die Möglichkeit gegeben, das Anhören von Alben automatisch zu zählen, glaube ich kaum, dass unter dem Strich „Nevermind“ oder „Badmotorfinger“ höhere Zahlen hätten, als „Every Good Boy Deserves Fudge“ von Mudhoney. Aus heutiger Sicht ist mir klar, warum das im kommerziellen Sinn für Mudhoney trotzdem nicht für eine Musik-Karriere gereicht hat, was sie, soweit ich weiß, nie vorhatten. Ähnlich wie bei den Melvins hat sich der große Einfluss auf spätere Bands, die übergroß wurden, nie finanziell bemerkbar gemacht. Ein schönes Beispiel, weniger wegen des musikalischen Einflusses, aber wegen mutmaßlichem Klau der Idee – vor Primal Scream haben Mudhoney das Sample aus dem Film „The Wild Angels“ (1966) mit Peter Fonda „We wanna be free to do what we wanna do“ verwendet, im Song „In N‘ Out Of Grace“. Bei Primal Scream wurde mit „Loaded“ ein Welthit daraus. Kurz zurück zu den Melvins, die hauptberuflich Musiker sind, und von unendlichen Touren und Merch in allen Formen leben, sind alle Mitglieder in Mudhoney keine Profi-Musiker. Alles viel zu raw, zu viel Stooges-Einfluss, die es auch nie zu kommerziellem Erfolgen schafften, bis auf die sehr erfolgreichen Touren vor einigen Jahren bevor die Mitglieder der Reihe nach weggestorben sind. Schon ein Blick auf das Cover von z.B. „Every Good Boy…“ macht klar – nicht massentauglich. Auszüge sind zu sehen auf dem Mudhoney „Aufhänger“ hinter dem Drummer, neben weiteren Elementen aus dem Artwork anderer Alben. Krasses Gegenteil: Die Cover und der Sound von Pearl Jam „Ten“ oder „Nevermind“, massentauglich, teilweise stark poliert. Wie fast alle Bands aus dem Nirvana-Dunstkreis sind auch Mudhoney kurzzeitig beim Major gelandet, alle wollten die zweiten Nirvana finden und Abmelken. Das erste Album bei „Reprise“ (Piece of Cake, 1992) fängt direkt mit einem „Techno“ – Intro an, auf dem Cover eine Szene an einer Piss-Rinne. Nuff said. Mir gefällt das Album. Seit vielen Jahren veröffentlichen sie wieder bei Sup Pop – wo alles begann.

MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Los geht’s mit – „If I think“ – könnte ihr schönstes Stück sein, Proto-Grunge. Ich stehe etwas ungünstig direkt an den Bass-Monitoren, aber ich glaube dass Bläser eingespielt wurden, was auf dem Original nicht der Fall ist. Vielleicht bilde ich mir das aber nur ein. Wenige Stücke weiter erkenne ich „Who You Drivin'“ von der „Fudge“, geht steil, ich bin begeistert. Sound zwischenzeitlich lauter, und, wie mir später berichtet wurde, hinten wie immer top in der Manufaktur, ich stehe wie gesagt ungünstig. Die Manufaktur ist erfreulich voll, ich möchte den Platz in der ersten Reihe heute nicht aufgeben. Es sollte nicht das letzte Stück der „Fudge“ sein, „Let It Slide“, Tempo bleibt hoch, auch bei „JRRT“ (Judement, Rage, Retribution And Thyme) aus der Major – Ära.

MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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„Sweet Young Thing“ von der Debüt Mini-LP „Superfuzz Bigmuff“ wie das erste Stück – fand ich schon immer sehr bedrückend, was auch genau so rüberkommt. Mehr „Bigmuff“, das wohl bekannteste Stück, ihr „Ace Of Spades“, „Touch me I’m Sick“, zu Recht, keine 3 Minuten, voll auf die 12. Geil. „Suck You Dry“, selbe Kerbe, selbe Länge, genau wie „F.D.K“ (Fearless Doctor Killers). Gegen Ende bin ich mit meinem Mudhoney-Latein am Ende, wahrscheinlich neuere Stücke die ich nicht kenne, es könnten auch Cover dabei gewesen sein. Zugaben gibt es auch noch, bei denen das bereits erwähnte „In N` Out Of Grace“ dabei ist. Wow. 24 Stücke ohne die Zugaben. Wenn man das Glück hat die erste Station der Tour zu sein. Die weiteren Dates in Deutschland: München, Berlin, Hamburg, Köln. Um nochmals den Stellenwert der Manufaktur hervorzuheben. Eine bessere Show von einer Band um die 60 für ein Publikum um die 50 ist kaum vorstellbar, die Erwartungen noch übertroffen, hoffentlich nicht das erste und letzte Mal auf dieser Bühne.

MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Steffen Schmid
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Ein Gedanke zu „MUDHONEY, 30.08.2024, Manufaktur, Schorndorf

  • 2. September 2024 um 19:58 Uhr
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    Für mich das einzige Manko, kein „Here Comes Sickness“, ansonsten top! Natürlich nicht mehr ganz so wildes Gebaren auf der Bühne, wie vor über 30 Jahren, trifft auch mich im Publikum aber genauso zu.
    Da Mark bei Sub Pop arbeitet, bietet es sich auch an, dort zu veröffentlichen ;-)

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