THE BV’S, 10.08.2024, InDieWohnzimmer, Stuttgart
Gab’s schon das eine oder andere Mal in der langen Historie des Gig Blog: Zwei Autor*innen schreiben aus irgendwelchen Gründen zwei komplett separate Berichte über ein- und dasselbe Konzert (ganz toll z.B. Britta und Fabian über Kraftwerk).
Der heute für The BV’s vorgesehene Autor fällt kurzfristig aus und so beschließen Joe und ich spontan, arbeitsteilig eine Review über den zurückliegenden Konzertabend zu verfassen.
Wie die Arbeit genau geteilt werden soll, legen wir allerdings im Eifer des Gefechtes eher unscharf fest. Joe plant was mit musikalischen Referenzen, ich fotografiere schon mal die Setlist ab (geistesgegenwärtiger Profi-Move).
Mangels Notizen gilt es nun also, die im notorisch unzuverlässigen Kurzeitgedächtnis abgespeicherten Eindrücke möglichst realitätsnah wiederzugeben.
The BV’s aus Augsburg veröffentlichen beim wunderbaren Label Kleine Untergrund Schallplatten (bzw. international bei Shelflife Records). Mit dem aktuellen Album „Taking Pictures of Taking Pictures“ schaut das Quartett auch im legendären IndieWohnzimmer in Feuerbach vorbei. Konzert Nummer siebenundneunzig übrigens bei Claudia & Co.!
Trotz Sommerferien und 30 Grad ist Stuttgarts liebenswerteste Privathaushalt-Konzertlocation ausgebucht. Die Getränke sind kaltgestellt, selbstgemachte Snacks in der Küche liebevoll angerichtet, let’s go.
Sound und Zusammenspiel der Band finde ich von Anfang an super. Es geht los mit einem Instrumentalstück, wenn ich es richtig in Erinnerung habe (erster Eintrag auf der Setlist leider etwas kryptisch). [Edit: Das Stück heißt tatsächlich B>>>] Shoegaze ist das Label, dass der Band zunächst einmal angeheftet wird. Ich find’s eigentlich ziemlich poppig und viel weniger düster als gedacht.
Sänger Josh trägt ein Los Campesinos!-T-Shirt, stimmt, die fand ich eigentlich auch immer gut. Mal sehen, ob Kollege Joe auf diese Referenz kommt!
Mir gefällt die Mischung aus instrumentalen, etwas krautrockigen Parts und normalen Indie-Pop-Songs sehr. Leicht psychedelische Motive, Blumen, unscharfe Bilder werden mangels Rückwand kurzerhand an die Decke projiziert, auch schön.
Meine Favoriten sind „Ray“ und „Clipping„, aber wie gesagt, ist es das ganze Set, dass mich in seinem Abwechslungsreichtum überzeugt. Und trotz des (schönen) melancholischen Untertons erstaunlich gut zu einem verschwitzten Hochsommerabend passt.
Ein weiteres persönliches Highlight des Abends übrigens die Anwesenheit von Cologne–Popfest-Mitveranstalter Christoph aus dem gar nicht mal so nahen Köln, dem trotz sämtlicher psychologischer Tricks noch keinerlei Infos zum Line-up des Popfest 2025 zu entlocken sind. Da heißt es also geduldig abwarten, bis im Oktober die ersten Bandnamen gedroppt werden.
Tausend Dank (wie immer!) an Claudia, die ihr schönes Haus für diese immer eindrücklichen Konzerterlebnisse zur Verfügung stellt. „Das Beste, was ich bisher im Indie-Wohnzimmer gesehen habe“, raunt man sich im Publikum übrigens nach dem BV’s-Konzert anerkennend zu. Ein tolles Lob, dem ich mich gerne anschließe*. – Madame Psychosis
*geteiltes Siegertreppchen mit Joel Sarakula
Was für eine grandiose Institution: Das IndieWohnzimmer Feuerbach – auch im Hochsommer während der Ferien zurecht ausgebucht. Allerdings schleppe ich mich an diesem arg schönen Sommerabend recht lädiert zu Claudia in die Halbhöhe – wer den ganzen Tag bei Sommerhitze Möbel schleppen muss, leidet – zunächst – doch deutlich an fehlender Frische.
Die stellt sich vor Ort aber dann doch wieder ein – trifft man hier einfach so viele nette Leute, die den Abend zu einem wunderschönen Erlebnis machen. Schon im Vorfeld versehentlich mit der Band ins Gespräch gekommen: Die vier BV’s aus Augsburg passen gar nicht alle ins Bandmobil, denn für den Transport muss die Rückbank fürs Equipment raus und zwei der Musiker dürfen mit der Bahn anreisen. Das klappt so gut, dass sich die vier gleich noch den Regionalliga-Kick der Blauen in Degerloch ansehen (1:0 gewonnen!) und später beim Konzert ein Kickers-Käppi im VfB-Territorium tragen.
Und auch musikalisch erweist sich die Band recht eigenwillig, orientiert sie sich doch konsequent an der allerschönsten und durchaus altmodischen Gitarren-Schrammel-Musik vergangener Dekaden. Was wiederum hervorragend zu den hochsommerlichen Verhältnissen passt. Klimatische Erholung suchend, erwische ich einen Premiumplatz auf der Terrasse – sowas wie der Golden Circle des IndieWohnzimmers.
Die Band kannte ich vorher nicht, man hörte aber nur Vielversprechendes: Beheimatet beim Auskenner-Label Kleine Untergrund Schallplatten (ebenfalls Augsburg), auch schon vom aus Köln angereisten Lieblings-Booker Christoph engagiert und auch beim anwesenden Verantwortlichen der Kipepeo-Konzerte hoch gehandelt. Ich rechne also mit einem richtig schönen und angenehmen Gitarrenkonzert – bekomme aber ein echtes Highlight geboten.
Denn was die vier grundsympathischen Herren aus der Ursuppe Smiths/Cure/Creation Records zaubern, trifft mich mitten in mein zunächst noch müdes Herz. Vom angekündigten Shoegaze und Kraut höre ich nicht allzu viel, dafür purzeln bei mir die allerschönsten Referenzen zu Bands vorwiegend aus der zweiten Hälfte der 80er.
Das liegt vor allem an der lässigen Eleganz der beiden Gitarren, mal jangelnd mal mit sonorem Twang. Toll ist auch der Drummer, der konsequent auf dem Ride-Becken für Extra-Drive sorgt, wie man das eher vom Jazz kennt. So entsteht ein milde hypnotischer Flow mit wunderbar perlenden Gitarren und eher zurückgenommenen Gesang – verpackt in ganz hervorragende Songs, die eigentlich gar nicht auf Nostalgieeffekte angewiesen sind.
Für mich heißt es dennoch: Felt, Church, Slowdive, Weather Prophets, aber auch Motorama und Television Personalities. Sarah Records und natürlich Cure lassen mich ins Schwärmen geraten und bringen sogar noch ein bisschen Rest-Vitalität in den müden Körper.
Das Ganze wie immer in perfektem Sound und tipptopp organisiert, garniert mit Speis und Trank vom Feinsten. Tausend Dank also mal wieder an Band und Veranstalter*innen. Mache ich ja nur noch selten, aber das Konzert ist so toll, dass ich natürlich auch ein Vinyl nach Hause trage. – Joe Whirlypop