WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf

WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Okay, irgendwie scheint man ja aktuell nicht um das Thema Taylor Swift herumzukommen, hatte das Hamburger Abendblatt doch vor wenigen Tagen seine Waxahatchee-Konzertkritik mit den Worten „So gut wird Taylor Swift nie werden“ überschrieben. Dieser Vergleich wäre mir jetzt nicht in den Sinn gekommen, auch wenn Swift zwei Alben, außerhalb ihres üblichen Pop-Spektrums veröffentlicht hatte, Platten mit starken Indie-Folk und Singer-Songwriter Einflüssen. Doch genug über Frau Swift geschrieben, heute Abend geht es schließlich um die großartige Katie Crutchfield aka Waxahatchee, die im März ihr aktuelles und von der Musikpresse hochgelobtes, aktuelles Album „Tigers Blood“ veröffentlicht hatte. Ein Album zwischen Südstaaten Country (aber nicht die üble Truck-Stop-Variante, ältere Leser werden sich erinnern), sondern die authentische, vom Leben einfühlsam erzählende Variante, mit Indie, Singer-Songwriter Elementen und durchaus auch Pop Einflüssen.

ANNA ST. LOUIS, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Doch bevor Crutchfield ihren Gig spielt, betritt, die in meiner Musikblase gehypte, Anna St. Louis die Bühne, gemeinsam mit musikalischer Unterstützung am E-Piano. Meine erste Assoziation ist, was die stimmliche Verwandtschaft anbelangt, Hope Sandoval. Ähnlich emotional, verträumt, aber etwas weniger Dreampop als bei Mazzy Star, näher am Folk. 

Das ist sehr stimmungsvoll, besonders als der Gesang, dann auch noch zweistimmig wird. Die zarte akustische Gitarre, das gefühlvolle Piano, alles sehr schön, sehr emotional und das Publikum lauscht andächtig. Und doch, für mich dürfte es etwas mehr Dynamik geben, es plätschert mir dann doch etwas zu sehr in schöner Harmonie dahin. Beim letzten Song stehen dann etwas mehr die mit dem Keyboard erzeugten Basselemente im Raum und füllen ihn, die Musik wird körperlicher. Ein paar mehr dieser Elemente hätten der an sich sehr schönen Darbietung in ihrer Gesamtwirkung definitiv gutgetan.

WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Um 21.30 Uhr betritt Waxahatchee mit ihrer fünfköpfigen Begleitband die Bühne. Das Set ist wirklich beeindruckend. Neben der üblichen Ausstattung stehen noch mehrere Gitarren bereit, eine Pedal-Steel-Guitar, Banjo, E-Piano, Keyboard und vor Crutchfield steht sogar ein Teleprompter. So was kennt man sonst eigentlich nur von deutlich größeren Produktionen. Hmm, das wird wohl eine wirklich perfekt organisierte und geplante Show werden.

Der Gig startet sehr dynamisch und Waxahatchee singt in einer für das Genre Country sehr typischen Stimmlage und die Rhythmusfraktion spielt mit großer Präzision auf. Der Energielevel auf der Bühne ist wirklich mehr als ordentlich; das kommt an und das Publikum ist ziemlich begeistert. Mitreißend ist diese Mischung aus Country, traditionellem Rock und auch Pop-Elementen. Die Musiker zeigen großes handwerkliches Können, hier sitzt alles, ein perfekt aufeinander abgestimmtes Set ist das, wie ja schon zu Beginn vermutet. Auch die Arbeit der beiden Stage-Hands ist minutiös getaktet. Bereits kurz vor Beendigung eines Songs stehen sie mit der nächsten Gitarre für den Instrumentenwechsel bereit. Tja, hier gibt es nicht eine Minute, die verschenkt wird.

WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Es wird im wahrsten Sinne eine bodenständige Show geboten, die einen Bilder der ruralen USA evozieren lässt, auch Dank der wirklich anspruchsvollen Texte; gefühlvoll und bewegend.

Der Sound verändert sich nach 45 Minuten etwas, wird um bassige Synthieflächen ergänzt, was ihn flächiger und räumlicher macht. Katie Crutchfields Stimme schwächelt keinen Moment. Ihr narrativer Gesang bleibt stark im Ausdruck, doch leider gibt es kaum stimmliche Varianz. Okay, dies ist, muss ich fairerweise sagen, schon auch genretypisch.

WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Und so langsam macht sich bedauerlicherweise eine grundlegende Schwäche des Gigs bemerkbar. Er ist im Gesamten zu perfekt, zu sehr in einem vorher genauestens festgelegten Ablauf gefangen. Es bleibt auf der Bühne kein Platz für Spontanität und Improvisation, was für ein Dilemma, bei doch so großartigen Musikern, die die Fähigkeiten hätten, gerade die von mir so vermissten Freiheiten auf der Bühne auszuleben, ist es doch gerade dies, was eine Live-Performance ausmacht, Ecken und Kanten, ein wenig Rotzigkeit, künstlerische Freiheit …; und so stellt sich dann bei mir enttäuschenderweise etwas Langeweile ein.

Tja, bei so einer (zu) perfekten Show bin ich dann doch irgendwie in meinen Gedanken, beim glatten Pop von Taylor S.

WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf | Foto: Michael Weiß
Foto: Michael Weiß

Waxahatchee

Anna St. Louis

3 Gedanken zu „WAXAHATCHEE, 17.07.2024, Manufaktur, Schorndorf

  • 19. Juli 2024 um 08:31 Uhr
    Permalink

    Sehr guter und stimmiger Kommentar zum Konzert von Waxahatchee… Wie von Katie angesprochen war es nicht Ihr erster Auftritt in Schorndorf, sonder bereits der Zweite. Im Gegensatz zum ersten Konzert war sie weniger introvertiert. Sie und Ihre Band haben sehr viel Spielfreude an den Tag gelegt und das Publikum von Anfang an begeistert. Gute Abstimmung am Mischpult, alles hat sehr gut zusammengepasst… vor Allem auch die junge Dame am Bass mit Ihrer wundervollen Zweitstimme… insgesamt ein sehr schönes Konzert mit Dem, was man erwarten durfte. Langer Applaus nach jedem Song, der zum Schluss zu 3 Zugaben führte und einer Konzertdauer von über 90 Minuten. Es hat sich wirklich gelohnt nach Schorndorf zu kommen…

  • 19. Juli 2024 um 09:00 Uhr
    Permalink

    @KlausMolter
    Kleine Verbesserung Klaus. Es war Ihr dritter Auftritt.
    Oktober 2013 noch. Waxahatchee (USA) | Support – Swearin (USA)

  • 6. August 2024 um 11:40 Uhr
    Permalink

    War leider nicht dort …

    Lustig ist immer, wenn so „…angesagte“
    Künstler im interview immer mal wieder gefragt werden:
    Wieso sind die konzerte ausgeRechnet in
    Berlin /HH oder Köln … und Schorndorf ?

    Und die Antwort Dann – wie bei ihr kürzlich im Zündfunk auf Bayern2 – in etwa lautet
    … die ham einen halt schon Gebucht und gefordert, wie man noch total unbekannt war …!
    Lg Lothar

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