NICK MASON’S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Foto: Claus Kullak

Es sind weiterhin Legendenwochen auf gig-blog-dot-net. Nach Nile Rodgers beehrt uns nun Pink Floyd Gründungsmitglied Nick Mason. Den wohlverdienten Legendenstatus hat der 80-Jährige sich als Drummer einer der größten Rockbands des Planeten ertrommelt. Und im Gegensatz zu seinem ehemaligen Bandkollegen Waters sind keine unangenehmen Putin-Verharmlosungen, bzw. Hamas-Fantum zu vernehmen. Das Konzert beweist dann auch: Dieses schwierige Thema „in Würde altern“, zumal als Rockstar, bekommt er wirklich aufs Angenehmste hin.

Erinnerungen sind ein Thema heute Abend. Die an das Frühwerk Pink Floyds. Eine Band auf der Suche, die musikalisch und visuell damals durchaus Avangarde war. Erinnerungen natürlich auch an das Gründungsmitglied Syd Barrett. Aber auch zwangsläufig meine eigenen, und zwar an das Jahr 1989, als Pink Floyd im damaligen Neckarstadion spielten. Die Eltern waren dabei und der Cousin. Von Festivals abgesehen, mein bis dato mit Abstand größtes Konzertereignis, was Zuschauerzahlen angeht. Dass die Band damals überhaupt diese Tour unternehmen konnte, lag u.a. auch daran, dass Autosammler Mason seinen Ferrari GTO zur Finanzierung bereitstellte.

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
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Die Band gastiert in Stuttgart nicht zum ersten Mal. Kollege Jens berichtete hier schon 2018 davon. Allerdings ist Nick Masons Altersangabe von 74 Jahren in seinem Artikel nicht korrekt (SCHLECHT GEALTERT, JENS!). 80 Jahre hat der gute Mann auf seinem Schlagzeugerbuckel und betritt mit seiner Band um 20 Uhr die Bühne. Standes- und erwartungsgemäß ist „Astronomy Domine“ der Opener. Die Gitarrenarbeit ist angemessen noisig-psychedelisch, und der Song klingt auch heute noch nach Science Fiction. Man kann nur eine Ahnung davon haben, wie das Stück 1967 gewirkt haben muss.

MIt zwei weiteren Syd Barrett Songs, den Single Hits „Arnold Layne“ und „See Emily Play“ geht es weiter. Am Vortag jährte sich der Todestag von Barrett zum 18ten Mal. Ikonischer hätte man sich wohl kaum einen Popmusiker basteln können. Mehr und besser swinging sixties in London sah niemand aus als er. Mit dem Pink Floyd Debütalbum „The Pipter At The Gates Of Dawn“ erschafft er aus dem Stand ein stilprägendes Meisterwerk. Akkorde, die eigentlich nicht zueinander passen sollten, Texte über Männer, die gerne Wäsche stehlen oder über den Stolz ein Fahrrad zu haben. Dazu unwiderstehliche Popmelodien, die es schaffen, urbritsche nursery rhymes mit noisigen Eskapaden zu vermischen.

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
Foto: Claus Kullak

Und hier setzt dann tatsächlich auch einer meiner wenigen Kritikpunkte an einem überwiegend begeisternden Konzert an. Die Syd Barrett Songs, die u.a. von ihrer Vitalität und der speziellen Art zu singen leben, überzeugen mich so dargeboten nicht. Die Stimmen von Bassist Guy Pratt und Ex-Spandau Ballett Gitarrist Gary Kemp scheinen irgendwie nicht zu passen, und dadurch verlieren diese Geniestreiche an Magie. Konsequenterweise spielt beim darauffolgenden „Remember Me“ die Band zu Syds extrahierter Stimme. Ein durch den Beat beeinflusster R’n’B-Song von 1965, der zeigt, was für musikalische Quantensprünge Pink Floyd bis zu ihrem Debütalbum hingelegt haben.

Die Auswahl von „Obscured By Clouds“ und „When You’re In“ vom 1972er-Album Obscured By Clouds überrascht mich. Einerseits ein oftmals auch irgendwie zu Recht übersehenes Album, gefällt mir andererseits der Ansatz sehr, unbekannteres Material zu spielen. Aber der so ruhig wirkende Nick Mason zeigte ja auch mit seinem 1981er-Soloalbum „Fictitious Sports“, dass er keine Angst hat, eventuelle Pink Floyd Fans, die nur die Hits und den mit Dark Side Of The Moon etablierten Sound hören wollen, zu verstören. Und war damit in Sachen Mut zum Risiko seinen Bandkollegen und ihren Solowerken weit voraus.

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
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Mit dem so melancholischen wie wunderschönen „Remember A Day“ wird dem verstorbenen Floyd Keyboarder Richard Wright gehuldigt. Neben den für mich nicht ganz gelungenen Barrett-Interpretationen kommt nun mein zweiter, und auch letzter, nicht bejubelnswerter Teil des Konzerts. Dem von „If“ eingerahmten Koloss „Atom Heart Mother“ fehlt leider die mysteriöse Aura und die Wucht des Originals. Klar, ohne Orchester, wie Nick Mason vorab schon einschränkend ankündigt, ist es natürlich alles anderes als einfach. Aber für mich fehlt dann doch einfach zu viel. Auch scheint das neue, gekürzte Arrangement dem Ganzen nicht gutzutun. Wahrscheinlich habe ich die Platte aber auch zu oft in meinem Leben gehört, um hier Gnade walten lassen zu können.

Die erste Hälfte des Konzerts endet dann aber richtig gut. „The Nile Song“ ist ein für Pink Floyd untypischer, fast schon punkiger Hardrocksong (Anspieltipp: die Voivod Coverversion). Hier passt Guy Pratts Stimme wunderbar. Das Ufo vom Himmel holt dann aber „Set The Controls For The Heart Of The Sun“. Meine Zweifel, ob dieses so ausufernde wie die Geduld beanspruchende Stück, von diesen alten Herren dargeboten, den wilden Benchmark-Live-Versionen von „Ummagumma“ oder „Live In Pompeii“ das Wasser reichen kann, werden pulverisiert. Elektrisiert und begeistert werden wir in die Pause entlassen.

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
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Der Wiedereinstieg mit der fantastischen Barrett-Komposition „The Scarecrow“ bestätigt, was ich schon oben erwähnt hatte. Gerne hätte ich mir da Syd Barrett Huldiger Robyn Hitchcock auf die Bühne gewünscht. Dessen gerade erschienenes Buch „1967“ wohl nicht zufällig vom Jahr des Pink Floyd Debütalbums spricht. Mit „Fearless“ und „Childhood’s End“ folgen zwei weitere deep cuts aus der kurz vor Dark Side Of The Moon Ära. An dieser Stelle will ich auch nicht unerwähnt lassen, dass Lee Harris und Gary Kemp einen fantastischen Job machen, wenn es darum geht David Gilmours legendäre Gitarrensoli wiederzugeben. Shivers down my spine.

Über das nach 60er-Jahre Agentenfilm klingende Lucifer Sam gelangen wir dann zum absoluten Höhepunkt dieses Abends. Das erste Echolot-Geräusch lässt das Publikum schon jauchzen. „Echoes“. Wir bekommen es in all seiner Pracht und vollen Länge präsentiert. Die wunderbaren, zweistimmigen Gesangsmelodien über die von Moll nach Dur und zurück wechselnden Akkorde. Die leisen und die lauten Passagen. Das zum Weinen schöne Gitarrensolo, der sphärische Mittelpart und die Steigerung zum grandiosen Finale. Mit einem Bein noch in den alten Alben, mit dem anderen schon etwas „Shine On You Crazy Diamond“ vorwegnehmend. Ein Meisterwerk, meisterlich interpretiert.

NICK MASON'S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart | Foto: Claus Kullak
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Dass die Band es nach diesem Höhepunkt dann noch schafft, mit den zwei instrumentalen Zugaben „One Of These Days“ und „A Saucerful Of Secrets“ uns alle nochmal so zu beseelen ist auch keine Selbstverständlichkeit. Beim letztem Stück versetzen uns die Visuals zum letzten Mal in eine Atmosphäre, welche eine Reminiszenz an die damals revolutionäre Lichtshow der Band im Londoner UFO Club ist. Ein Abend, der die teilweise erratischen Wege einer der größten Rockbands aller Zeit vor ihrem Durchbruch „Dark Side Of The Moon“ zeigt. Viel fordernder und weniger crowd-pleasend als man von so situiertem Rockadel erwarten dürfte. Und dass das Verhältnis zwischen Waters und Mason auch noch angespannt zu sein scheint, kam in amüsanter Weise auch nicht zu kurz. Ein weiterer Pluspunkt für Mister Mason.

2 Gedanken zu „NICK MASON’S SAUCERFUL OF SECRETS, 08.07.2024, Liederhalle, Stuttgart

  • 13. Juli 2024 um 19:57 Uhr
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    Danke für den schönen Bericht. Hach, ich bin ganz beseelt von dem Abend. Es war wirklich schön.

  • 14. Juli 2024 um 13:45 Uhr
    Permalink

    Ein wunderbarer Bericht, der diesem mitreißenden Konzert bestens gerecht wird. Auch die geäußerte Kritik ist natürlich berechtigt. So gut die Band auch ist, die Mason nun um sich geschart hat, die ursprünglichen Künstler von einst, sind nicht einfach zu ersetzen. Trotzdem einen solch überwältigenden Soundteppich, zu Stande zu bekommen, das ist: Genial! Ein fantastisches Erlebnis!

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